Was bleibt, wenn’s brennt?
Liebe Schwestern und Brüder!
„Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und ich will, dass es brennt.“
Dieses Wort, das wir eben gehört haben, hat mir immer gefallen.
Ich habe es gern, wenn irgendwo eine zündende Idee auftaucht, und ich oder wir mit Feuereifer eine Sache anpacken.
Allerdings habe ich dann eines Tages gemerkt, dass Jesus mit diesem Wort eigentlich etwas anderes sagen wollte.
Es ist natürlich immer noch gut, wenn man mit Feuereifer an eine gute Sache geht, aber hier im Text ist etwas anderes gemeint.
Feuer ist in der Bibel häufig – und auch an dieser Stelle – ein Bild für das Endgericht, wo unser ganzes Leben nochmals durch eine Prüfung, durch eine Feuerprobe hindurch muss.
In diesem Sinn sagt Jesus hier ja auch:
„Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist.“
Er meint, dass er noch durch das Leiden hindurch muss, wie durch eine Feuertaufe; da erst wird sich zeigen, ob er durchhält, ob er treu zu seiner Sendung steht.
Es geht also um die Feuerprobe, die unser Leben und unser Tun auf ihren eigentlichen Wert hin testen soll.
Paulus hat im ersten Korintherbrief 3,6-15 diese Feuerprobe näher erläutert. Ich habe diesen Text für die 1. Lesung ausgewählt; es hieß da u.a.:
„Wir sind Gottes Mitarbeiter….. ihr seid Gottes Bau.
Der Gnade Gottes entsprechend…. habe ich wie ein guter Baumeister den Grund gelegt…. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut….
Ob aber jemand auf diesem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut:
das …. wird offenbar werden…. weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt.“
Also, was bleibt denn übrig von unserem Lebenswerk, wenn es am Ende durchs Feuer muss?
Verbrennt alles wie ein Strohfeuer und ist weg oder übersteht es das Feuer – so wie aus Stein gebaut oder gar aus Gold, das jedes Feuer übersteht?
Was bleibt von all unsrem Tun, wenn alles Unechte und Oberflächliche abfällt?
Eine ernste Frage!
Und genau diese Frage ist hier in unsrer Kirche in Stein gemeißelt.
Wer erinnert sich noch, dass wir uns als Gemeinschaft einmal mit diesem Text konfrontiert haben, und zwar öffentlich?
Damals 1988, als wir die Kirche renovierten, haben wir in der dritten Seitenkapelle dort, wo unten die Gebeine von Mönchen aus früheren Jahrhunderten aufgehoben werden, zwei Steine in die Wand eingelassen, Überbleibsel aus der Egbert-Basilika aus dem 11. Jahrhundert und von der Barockbasilika aus dem 18. Jahrhundert.
Erinnerungen an eine lange und große Vergangenheit. Und dazu ist ein Teil dieses Textes in eine Steinplatte eingemeißelt – allerdings in Latein. Es heißt da:
„Jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt.“
Es war sehr mutig, diesen Text dort in Stein zu meißeln – als ständige Mahnung an uns selber.
Diese Seitenkapelle ist so etwas wie eine Gedenkstätte, eine Erinnerung an eine große Vergangenheit, die aber auch viel Brüchiges, viel Stroh produziert hat, das einfach in Rauch aufging, ins Nichts.
Und dort haben wir dann den Satz hingeschrieben: „Jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut.“ – oder wie wir als heutige Gemeinschaft weiterbauen…..
Auch wir, die jetzt Lebenden, haben unendlich viel aufgebaut, äußerlich, innerlich, geistig, geistlich…. Wir waren – meistens jedenfalls – nicht träge.
Aber wir haben damals eben auch die Worte angefügt: „Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt.“ – auch das einer jeden Generation.
Und warum haben wir uns diese Mahnung dort eingemeißelt?
Damit wir uns immer wieder dieser Frage stellen:
„Was bleibt denn von all unsrem Wirken, wenn es durchs Feuer der göttlichen Prüfung muss?“
Was bleibt z.B. jetzt von unserem großen Jubiläumsjahr?
Was bleibt von den über 50 Jahren, die ich selber hier gelebt und mitgestaltet habe? Jeder von uns kann sich das fragen…. in seiner Weise….
Und auch Sie, die nicht zur Klostergemeinschaft gehören, können sich fragen, was denn wirklich bleibt, wenn das göttliche Feuer prüfend und wie ein Test durch Ihr Leben fegt?
Ich war mir in den letzten Tagen unsicher, ob ich diese Frage wirklich so stellen soll, ob sie nicht entmutigend oder bedrohlich wirkt.
Aber dann habe ich einen Versuch gemacht. Ich habe versucht, mit dieser Frage durch meinen Tag zu gehen: „Was bleibt, wenn das Feuer drüber geht?“
Ich war überrascht, dass mir dann sehr schnell auffiel, was wirklich wichtig ist und was eher oberflächlich und steril bleibt. Ich konnte es leichter sortieren als sonst. Und ich hatte Lust, auf das zuzugehen, wo Leben gefördert wird, wo Türen sich öffnen für Liebe und Miteinander.
Es war irgendwie leicht, das eine zu tun und das andere lieber zu lassen. Dabei ist es nicht so wichtig, ob es um eine kleine, alltägliche Sache geht oder um das Mitwirken an einem großen Projekt. Was Leben fördert und Liebe verbreitet, hat immer die Chance, dauerhaft zu sein, mehr dem Gold zu ähneln als dem Stroh, das weg brennt, verraucht….
Wenn Sie wollen, können Sie es heute ja auch mal ausprobieren. Vielleicht ist es gar nicht so anstrengend, sondern es beflügelt…. etwas zu tun, was dauerhaft ist wie Gold… weil es Leben fördert und der Liebe Türen öffnet –
mag es eine noch so unscheinbare Sache sein;
es war nicht umsonst und wird glühen wie Gold, mitten im Feuer des Alltags.
Wir müssen uns aber nicht überanstrengen. Wir dürfen in Bezug auf unser Leben gelassen auf Gott vertrauen, weil Paulus selber hinzufügt:
Brennt unser Werk nieder, dann müssen wir eben den Verlust ertragen. Wir selbst aber werden – auf jeden Fall – gerettet, doch so wie durch Feuer hindurch.
Wir selber werden also dem Feuer nicht entgehn, aber wir werden’s überstehen, Gott selbst sorgt dafür, dass wir heil bei Ihm ankommen,
gereinigt und befreit.
Wie dem auch sei: auf jeden Fall ist es gut, wenn die Frage immer mit uns geht: „Was bleibt, wenn das Feuer drüber geht?“
Wenn wir uns immer wieder mal an diese offene Frage erinnern, dann werden wir wachsamer und hellsichtiger durch den Alltag gehen.
Und wenn wir es zu vergessen drohen, können wir ab und zu dorthin zur dritten Seitenkapelle gehen und uns die Frage neu zurufen lassen: „Was bleibt denn?!“
Und dann einfach weitergehen – weitergehen….
bis der HERR selber einmal bei uns anklopft
und uns vielleicht wie den Propheten Elija im Feuersturm zum Himmel entführt.
Möge es so sein!
P. Fidelis Ruppert OSB