Haus Gottes und Tor des Himmels
Liebe Familien unserer Mitbrüder,
liebe Mitbrüder,
liebe Schwestern und Brüder,
„Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort. Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“, so haben wir es in der Lesung gehört.
„Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“. Das erkennt Jakob, als er aus dem Traum erwacht. Der Traum hat ihm im Bild der Himmelsleiter gezeigt, wo er sich eigentlich befindet. Der Traum ist der Schlüssel zur Wirklichkeit.
„Wirklich, der Herr ist an diesem Ort und ich wusste es nicht!“
Wir sitzen hier in der vierten Kirche an diesem Ort.
Hier in der Seitenkapelle sehen Sie die Modelle der drei Vorgängerkirchen: die karolingische Kirche aus dem 8./ 9. Jahrhundert, - die romanische Egbert Basilika aus dem 11. Jahrhundert - die barocke Balthasar Neumann Basilika aus dem 18. Jahrhundert in Glas, die anderen Kirchen umhüllend das heutige Münster von Alfred Boßlet aus dem 20. Jahrhundert.
Alle vier Kirchen feierten ihre Kirchweihe am 8. September bzw. am Sonntag danach, wie wir heute auch.
Aber wie kann das hier das Haus Gottes sein und dieser Ort Tor des Himmels, wenn Kirche und Kloster in ihrer 1200-jährige Geschichte immer wieder Feuersbrünsten, Zerstörungen, gewaltsamen Auflösungen und innerer Auflösung anheimfielen? Wenn kein Stein mehr auf dem anderen blieb?
Und irgendwann wird auch diese Kirche nicht mehr stehen und diese von Brüdern wunderbar behauenen Steine nicht mehr aufeinander ruhen.
Wie kann so ein vergängliches Gebäude Haus Gottes und Tor des Himmels sein?
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie alle erinnern sich sicher an ihr Elternhaus, da wo Sie zuhause waren mit ihren Eltern und Geschwistern?
Kennen genau den Ort, die Straße, den Eingang, die Haustüre, die Treppe, die Einrichtung, den häuslichen Duft – Bilder kommen… wie es daheim war…
Für uns Kinder und Jugendliche war unser Elternhaus, war die Wohnung der Ort, an dem wir zuhause waren. Wo wir Geborgenheit und Schutz erfahren durften.
Als Kinder konnten wir uns gar nicht vorstellen, dass es diesen Ort nicht mehr gibt. - Manche haben es erlebt, dass die Familie umgezogen ist, sogar öfter, oder manche von den Älteren, dass ihr Haus im Krieg zerstört wurde und sie an einem anderen Ort wieder ein neues Zuhause gefunden haben weil unsere Eltern und Geschwister, die Familie mit dabei waren.
Vielleicht steht das Elternhaus inzwischen gar nicht mehr, ist abgerissen, umgebaut oder wurde verkauft und wir haben einen neuen Ort gefunden, wo wir leben, mit unserer Familie, den Menschen, die zu uns gehören…
Der Ort, wo wir zuhause sind, hat wesentlich mit den Beziehungen zu tun, die uns ein Zuhause geben. Der Ort, das Haus, die Wohnung verstärkt dieses Gefühl.
Wir fühlen uns zuhause dort, wo wir angenommen, geliebt sind, so wie wir sind, mit unseren Fehlern und Schwächen. Wo Menschen uns verstehen und einfach mögen.
Wir Brüder haben hier im Kloster in Münsterschwarzach ein Zuhause gefunden. Auch wenn manche von uns Jahrzehnte als Missionare in aller Welt sind und waren, ist Münsterschwarzach ihr Heimatkloster, in das sie jederzeit zurückkommen können und in das eine ganze Reihe Brüder auch heimgekehrt ist.
Es braucht eine gewisse Zeit bis der neue Bruder, der ins Kloster eingetreten ist von Münsterschwarzach und der Gemeinschaft als von „daheim“ oder „zuhause“ spricht – und wenn die Eltern noch leben, sagen wir auch dann noch manchmal „daheim“ zum Elternhaus….
Und wo ist Gott daheim?
Gott lässt sich nicht festlegen auf einen Ort, lässt sich nicht einsperren in eine Kirche, so schön sie auch ist, und auch nicht in den Himmel.
Gott will bei den Menschen sein, er nimmt Wohnung da, wo sie wohnen und leben, er will Wohnung nehmen da, wo das Herz der Menschen schlägt.
Gott ist gegenwärtig weil ich da bin.
Gott ist hier an diesem Ort gegenwärtig, weil wir gegenwärtig sind.
Weil wir Mönche heute diesen Ort beleben und weil Sie heute hier sind.
Liebe Schwestern und Brüder,
da, wo wir zu Hause sind, da ist der Ort und das Haus Gottes und das Tor des Himmels und nirgendwo anders.
Wir können ihn erfahren an dem Ort, wo unser Herz offen, aufgeschlossen ist.
Gott ist auch mit den Menschen, die ihr zuhause verloren haben. Er zieht mit den Flüchtlingen, auf der Suche nach Schutz und Sicherheit, auf den verschiedensten Routen, übers Mittelmeer - auch er kann sich mit den Flüchtlingen im Boot nicht halten, wenn ihnen durch andere Menschen keine Hilfe entgegen kommt…
Gott nimmt Wohnung in uns vom ersten bis zum letzten Atemzug!
Die Welt heute braucht unser Zeugnis der Gegenwart der Liebe Gottes unter den Menschen. Gerade wenn uns Christen in diesen Zeiten immer stärker der Wind entgegen weht. Wir sind herausgefordert zum Zeugnis der Nächstenliebe, der Gastfreundschaft und der Solidarität mit den Menschen, die in Not sind.
Da können wir zeigen, dass wir die Leiter sind. Dass wir die Sprossen dieser Leiter sind, auf der Gottes Zusage zu den Menschen kommt.
Wie faszinierend ist diese riesige goldene Leiter hier in der Kirche in den Himmel…
Es ist eine Strickleiter. Sie kommt von oben herab, der Himmel kommt auf die Erde, hier ist das Tor des Himmels.
Unser schon lange verstorbener Schumacher Bruder Saales hat von jedem Bruder beim Eintritt einen Fußabdruck genommen.
Auf der Leiter sind Fußabdrücke von verstorbenen Mitbrüdern, die schon oben angekommen sind, sie sind nun wirklich daheim im Hause Gottes.
Wir sind noch unterwegs dorthin im Kloster oder in anderen Beziehungen, aber wir haben die Verheißung: „Ich bin mit Dir; ich behüte Dich wohin Du auch gehst und bringe Dich zurück in Dein Land, in Deine Heimat, ich verlasse Dich nicht.“ ER führt uns als seine Familie in sein Haus! AMEN
Abt Michael Reepen OSB