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Predigten

Singt dem Herrn ein neues Lied!

Predigt von P. Anastasius Reiser OSB am Kirchweihfest 2024.

Liebe Jubilare, liebe Verwandte und Freunde von uns Jubilaren, liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir Jubiläen oder Geburtstage von Menschen feiern, dann feiern wir für gewöhnlich die Person, die wir jetzt kennen.

Wir erinnern uns auch an die Person, als sie vor 40, 50, 60 oder 80 Jahren geboren wurde, wir erinnern uns an die Profess vor vielen Jahren oder an die Priesterweihe.

Wir bringen gute Wünsche, Reden und Geschenke zur Feier mit und feiern unsere Verbundenheit, die wir jetzt mit dieser Person haben.

Ebenso ist es, wenn wir Jubiläen von Städten oder Institutionen feiern, zu denen wir eine besondere Verbindung haben. Wir bringen unsere Verbindung zum Ausdruck, die wir jetzt, heute haben. Man tauscht sich auch über historische Erinnerungen aus, wie es damals war usw.

Das Jubiläum ist eine Erinnerung und Erneuerung des Ereignisses, welches vor vielen Jahren stattgefunden hat, wird mit den Menschen gefeiert, so wie wir heute sind und öffnet die Tür in die Zukunft, die wir noch vor uns haben.

Wenn wir uns einmal kurz, jede und jeder persönlich, an ein privates Jubiläum zurückbesinnen, das wir bereits gefeiert haben, dann erinnern wir uns auch an diese damalige Dynamik, mit der wir dieses Ereignis begangen hatten.

Bei uns im kirchlichen Bereich mit festlichen Liedern. Aber auch bei unseren Gästen hier, wenn sie bereits einen runden Geburtstag oder ein Ehejubiläum gefeiert haben, welche Lieder damals bei dem Fest gespielt wurden und diesen Neuanfang damals umrahmt haben.

Um diesen Neuanfang geht es mir heute! Wie sie alle wissen, beten wir Benediktiner täglich die Psalmen der Bibel. Der Psalm 96 beginnt: „Singt dem Herrn ein neues Lied“.

Ein Vers, den wir während der Gebetszeiten immer wieder auch in anderen Psalmen singen (Psalm 33,3, Psalm 40,4, Psalm 144,9, Psalm 149,1). Woche für Woche, Jahr für Jahr. Und das nun schon seit mehr als 2500 Jahren, seit die Psalmen geschrieben wurden.

Dieser Psalm sing von dem „Neuen Lied“, das poetisch etwas Neues beschreibt, was es zuvor noch nicht gab. Und das passt genau zu dem Phänomen, das wir heute feiern. Das Jubiläum eines Neuanfangs vor vielen Jahren.

Als ich junger Missionar in Tansania war, besuchte ich dort ein Schwesternkloster, in dem junge Frauen auf das Ordensleben vorbereitet wurden. Die jungen Frauen waren damals 18, 19, 20 Jahre alt und sprühten vor Lebendigkeit und Energie. Es wurde getanzt, gelacht, es wurden ganz lebendige Gottesdienste gefeiert mit den jungen Schwestern dort.

Dieses Jahr, am Tag vor Pfingsten, war ich wieder dort. Im selben Haus. Aber fast 25 Jahre später. Das Haus hat noch immer die Funktion als Ausbildungshaus für Schwestern. Als wir mit unserer Gruppe hinkamen, wurden wir wieder von den jungen Frauen dort begrüßt, die 18, 19 und 20 Jahre alt sind. Und wieder mit einer sprühenden Lebendigkeit und Energie. Wieder wurde getanzt und gesungen. Wunderbar.

Dann, am Pfingstsonntag, hielt ich den Festgottesdienst in Chipole, das ist das Kloster, zu dem das Ausbildungshaus gehört. Ich fragte dann die Schwestern, ob noch welche da seien, die ich damals vor 25 Jahren bei meinem Besuch dort getroffen hatte. Und tatsächlich waren unter den Schwestern -jetzt im mittleren Alter - einige, die sich erinnert haben.

Als wir dann spontan ein Lied angestimmt haben, das damals gesungen wurde, war sofort wieder diese Freude und Lebendigkeit zu hören, wie beim Besuch damals. Das „Neue Lied“ von damals wurde wieder das „Neue Lied“ von heute. Obwohl eine Generation zwischen damals und heute liegt.

Jede Generation feiert dieses „Neue Lied“, von dem die Psalmen sprechen. Dieses Neue Lied ist Poesie, es ist Kreativität – Es ist das Neue in der Musik, in der Malerei, alles, was in der Kunst entsteht.

Es drückt sich in den Familien darin aus, dass sich junge Menschen in der Hochzeit das „Ja-Wort“ füreinander geben. Bei uns im Kloster, dass sich junge Menschen durch die Profess dem Klosterleben anschließen. In meinem Glauben ist es Gott, der das Neue schafft. Er ist der, der immer neu ist. Generationen für Generationen geben das Leben weiter, das sie am Anfang von Gott erhalten haben.

Wir in der Familie, in der Gesellschaft, wir im Kloster halten wichtige Bereiche offen, in dem wir für die neue Generation ein Zuhause anbieten. Es sind Orte, an denen das Leben an die nächste Generation weitergegeben wird. Wir hier in Münsterschwarzach tun das in unserer Schule, in unseren Gästehäusern oder in der pastoralen Arbeit in Pfarrei und Mission.

Wir sind dafür verantwortlich, dass sich das neue Leben, „also das Neue Lied“, immer wieder gesungen werden kann!

Eine Rede von Papst Paul VI. hat mich sehr berührt. Er spricht von der Verantwortung, die wir für die neuen Generationen haben.  Er sagte 1970 bei einem Besuch in Mexico: (am Festtag unserer Lieben Frau von Guadalupe)

„Die Christen können nicht weniger tun, als solidarisch nach einer Lösung für die Situation derjenigen zu suchen, denen das Brot der Kultur noch nicht zuteilgeworden ist, noch die Möglichkeit einer ehrenvollen und gerecht entlohnten Arbeit. Sie [Christen] können nicht gleichgültig bleiben, während die neuen Generationen keinen Weg zur Verwirklichung ihrer legitimen Bestrebungen finden, und ein Teil der Menschheit weiterhin am Rande der Vorteile von Zivilisation und Fortschritt steht“.

„Während die neuen Generationen keinen Weg zur Verwirklichung ihrer legitimen Bestrebungen finden...“

Das heißt, dass junge Menschen nicht die Möglichkeit haben, jung zu sein, sich kreativ an der Gestaltung der Welt zu beteiligen, manche Menschen ausgeschlossen sind von der Dynamik des Lebens, nur weil sie arm sind.

1970!

Das ist 54 Jahre her. Im Jahr 1970 waren wir, meine Jahrgänge, die neuen Generationen! Wir, die wir hier sitzen. Und die Worte sind heute immer noch aktuell. Neu und alt kommen zusammen.

Und Papst Franziskus schreibt 2015 über diese Verantwortung in seiner Enzyklika Laudato Si, in der er über unsere Verantwortung gegenüber der Schöpfung schreibt:

„Wir haben eine persönliche Verantwortung, unsere Umwelt und die der anderen zu respektieren, d.h. unsere persönliche Verantwortung kann nicht von unserer sozialen Verantwortung getrennt werden.“ Mit anderen Worten, weil - im Verständnis von Laudato-Si - „alles ein Geschenk ist, dass alles nicht einfach unser Eigentum ist, das wir für uns allein oder nach unseren Wünschen allein nutzen können (LS, 6)“.

Die soziale Verantwortung beinhaltet daher die Pflicht, dafür zu sorgen, dass allen Beteiligten dabei zusammenarbeiten, dass Mensch und Umwelt, die Schöpfung Gottes, bewahrt bleiben (vgl. LS, 5).

Dies beginnt mit der Achtung der Würde aller Menschen und auch der Würde der gesamten Schöpfung.

Mehr als 2000 Jahre lang haben wir dieses „neue Lied für den Herrn“ gesungen. Generationen nach Generationen haben dieses Lied gesungen. Eine neue Generation denkt dabei an die nächste Generation ihrer Kinder, die vielleicht beim Singen neben ihnen stehen, die nach ihnen kommen. Und diese Kinder taten es auf die gleiche Weise wie ihre Eltern. Eine Generation mit demselben neuen Lied, Generation für Generation.

Vor mehr als 50 Jahren sagte Papst Paul VI: „Sie können nicht gleichgültig bleiben, während die neuen Generationen keinen Weg zur Verwirklichung ihrer legitimen Bestrebungen finden. Diese neue Generation, von der der Papst spricht, sind wir! Wir waren diese neue Generation vor 50 Jahren! Jeder kann nachzählen, wie alt er damals war: Vielleicht 5, 10, 15, 20, oder 30? Junge Leute! Und jetzt sind wir 60, 70, 80 und sogar 90 Jahre alt.

Wie bei den Schwestern in Tansania ist auch unser Herz ist dasselbe geblieben und wir können immer noch das neue Lied singen. Manchmal wird zusammen mit unserem Körper auch unsere Stimmung älter. Aber wir sollten die Hoffnung nicht verlieren.

Zuallererst: Bleiben Sie geistig jung und positiv! Sie haben immer noch das junge Herz, das gleiche Herz, das Sie vor 50 Jahren hatten! Als Kinder hatten wir die Welt noch vor uns. Wir hatten Pläne für unser Leben. Und unsere Eltern unterstützten uns bei einigen unserer Ideen, um diese Pläne zu verwirklichen.

Jetzt liegt es an uns, die Pläne der nächsten Generation, die auf uns folgt, zu unterstützen. Das ist ein Auftrag, der uns gegeben wurde. Alt und Jung kommen zusammen. Alte Menschen, junge Menschen, alte Ideen, neue Ideen.

Gott macht das Neue, er wird immer wieder neu. Und so ist Gott ein Gott, der neues Leben schafft, auch in denen, die meinen, sie seien alt und erschöpft „Singet dem Herrn ein neues Lied.“ Immer wieder dieses alte Lied, damit das Leben weitergeht und die Generationen nach uns eine Welt haben, in der es sich zu leben lohnt.

Amen.