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Predigten

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen

Fastenpredigt von Prior Christian Hauter am 1. Fastensonntag in der Abteikirche Münsterschwarzach.

Vielen Dank für die Einladung, über diese Liedzeile zu predigen!
Wir Christusträger Brüder als evangelische Gemeinschaft
verdanken den Münsterschwarzacher Brüdern sehr viel. Auch ich persönlich.
Darum freue ich mich sehr, heute mit Ihnen über dieses Lied nachdenken zu dürfen.
Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen
Warum sollen wir uns nicht trennen? Was könnte der Texter des Liedes damit gemeint haben? „Trennen“ ist doch nicht unbedingt etwas Schlechtes!
Bei der Schöpfung war es eine der Haupttätigkeiten Gottes zu trennen,
zu unterscheiden: Und Gott schied das Licht von der Finsternis. (1.Mose 1,4)
Fünfmal kommt das entsprechende Verb in der Schöpfungsgeschichte vor:
Gott trennte das Licht von der Finsternis,
und er schied die Wasser über dem Gewölbe von dem Wasser unter dem Gewölbe,
und er trennte Tag und Nacht:
So entstand Raum zum Leben.
Es gibt also eine Art von Trennung und Unterscheidung die zur Klarheit hilft,
und zum Leben, die darf sein.
Gegensätze öffnen ein Spannungsfeld, das nicht nivelliert werden darf.
Das ist auch dem Lied-Dichter klar, wenn er am Ende der Strophe schreibt:
Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Welche Art von Trennung, die nicht sein darf, könnte denn dann gemeint sein?
Die Trennung zwischen Menschen?
Auch noch ziemlich am Anfang der Bibel gibt es eine Geschichte, die mich schon immer beeindruckt hat. Abraham trennt sich von Lot, ich lese aus 1. Mose 13:
Abram sprach zu Lot: Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. 9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir!
Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. 10 Da hob Lot seine Augen auf und sah die ganze Gegend am Jordan, dass sie wasserreich war. 11 Und Lot erwählte sich die Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern, 12 sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten jener Gegend.
Abram ist großzügig. Er als der Ältere, sagt zu Lot: suche dir aus was dir besser gefällt.
Aber lass uns nicht dauernd streiten. Lieber trennen wir uns, es gibt genug Platz.
Das ist kein Argument gegen Streitkultur, aber bei sinnlosem Streit ist es gut Grenzen zu setzen. Eine Trennung kann manchmal die Lösung sein, auch unter Brüdern.
So wie die Geschichte weitergeht, macht Gott dem Abram keinen Vorwurf, weil er sich von seinem Bruder getrennt hat. Eher im Gegenteil:
14 Als nun Lot sich von Abram getrennt hatte, sprach der HERR zu Abram:
Hebe deine Augen auf und sieh von der Stätte aus, wo du bist, nach Norden, nach Süden, nach Osten und nach Westen. 15 Denn all das Land, das du siehst, will ich dir geben und deinen Nachkommen ewiglich.
Und ich will deine Nachkommen so zahlreich machen wie den Staub auf Erden.
Abram bekommt nach der Trennung eine große Verheißung.
Dadurch ist offensichtlich: Gott segnet diese Trennung – und sie dient auch dem Leben.
Freilich ist es schön, wenn Menschen beisammen bleiben und sich nicht trennen.
Aber – so lernen wir hier - nicht um jeden Preis.
Unsere Aufgabe und unser Ziel ist nicht die Erhaltung eines Idylls.

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen,
sondern überall uns zu dir bekennen.
Vielleicht ist mit dieser Zeile ja gemeint, dass wir uns nicht von Gott trennen sollen:
sondern überall uns zu dir bekennen.
Dass wir zu dem stehen, wovon wir überzeugt sind, woran wir glauben.
Dass wir uns nicht von unserer Lebensquelle trennen sollen.
Komm Herr, segne uns, dass wir nicht auseinanderfallen, verloren gehen, uns verlieren.
Ich weiß nicht, an was der Dichter Dieter Trautwein gedacht hat, aber ich finde, für eine Predigt passt diese Bedeutung gut. Und sie hat auch theologische Tiefe:
Komm Herr, segne uns, dass wir nicht getrennt werden, abgetrennt sind, sondern:
bleibe bei uns und hilf uns, bei dir zu bleiben:
stets sind wir die Deinen.

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen,
sondern überall uns zu dir bekennen.
Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen.
Das ist unsere Aufgabe und unser Ziel, dass wir in Verbindung mit Gott bleiben.
Und für uns Christen bedeutet das auch,
dass wir in Verbindung mit Christus bleiben und miteinander als Christen.
Wir Brüder in Triefenstein singen in der Fastenzeit in unseren Gebetszeiten
den Christus-Hymnus aus dem Kolosserbrief,
der hier in Münsterschwarzach ja auch immer wieder gesungen wird.
Ich lese aus Kolosser 1, 15-20:
15 Er, Christus, ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. 16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.
17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. 18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. 19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, 20 um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.
Es gibt Gegensätze, aber in Christus haben sie alle ihren Ursprung und ihr Ziel.
Das ist eine steile und umfassende Aussage, gegen alle Trennung:
16 In Christus wurde alles erschaffen
im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare,
Alles ist von Christus umfangen, und alles hat in Christus sein Zuhause.
20 Alles im Himmel und auf Erden wollte ER zu Christus führen
In Christus wird zusammengeführt was getrennt war, versöhnt.
Da steht im griechischen ein seltenes Wort: apo-katallasso ἀποκαταλλάσσω
wörtlich übersetzt bedeutet das: wieder zurück-versöhnen
Das Ganze des Kosmos mit allen seinen Teilen kommt in Christus zur Ruhe.
ER, Christus, hat Frieden gestiftet.
Das hält auch uns zusammen.
Ein Bruder meiner Gemeinschaft hat das einmal so ausgedrückt: Bei aller Verschiedenartigkeit die zu uns gehört verbindet uns doch eins: dass wir den gleichen „Trostpunkt“ haben.
Wenn es uns schlecht geht, und auch, wenn wir uns übereinander aufregen,
wenden wir uns zu Christus mit unserer Not,
und dort treffen wir uns wieder
mit unserer Klage, auch mit unserer Klage übereinander.
Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen.
Das verbindet.
Christus ist der, der uns verbindet,
zwischen Einzelnen in einer Gemeinschaft,
aber auch zwischen den Konfessionen und Kirchen.
17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.
18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche.
Das ist eine Definition von Kirche: Der Leib Christi.
Er ist das Haupt des Leibes, und alle die IHN anerkennen als ihr Haupt,
die sich an IHM ausrichten und auf IHN hin orientieren,
die gehören zu seinem Leib, zu seiner Kirche.
So verbindet Christus absolut, auch über die Konfessionsgrenzen hinweg.
Das spüren wir Evangelischen immer wieder, wenn wir hier in Münsterschwarzach sind: Es ist der gleiche Christus, dem wir dienen, den wir suchen, und in diesem Sinn sind wir auch eine Kirche: stets sind wir die Deinen.

Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Zum Schluss unserer Liedstrophe kommt kein Appell, auch keine Aufforderung, die Strophe endet mit einer Verheißung, einer „promissio“: Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Da ist jetzt die Ganzheit unseres Menschseins angesprochen.
Das könnte auch noch eine Bedeutung der Liedstrophe sein: Dass wir uns „nicht trennen“ könnte bedeuten: dass wir nicht auseinanderfallen in verschiedene Rollen.
Dies ist ja eine Fastenpredigt – und vor der Fastenzeit war die Faschingszeit. Da probieren ganz viele Menschen in andere Rollen zu schlüpfen, das mal auszuprobieren, wie es sich anfühlt, ein anderer zu sein. Viele Jungs wollen dann gerne groß und stark sein. Ich weiß noch aus meiner Kindheit, wie ich da richtig stolz war, als ich mich als Cowboy verkleidet habe, als Westernheld.
Segne uns, dass wir uns nicht trennen
Vielleicht bitten wir da auch, dass wir uns das nicht antun,
uns gegenseitig auf Rollen und Masken zu reduzieren.
Dass wir ganz sein dürfen, und einander zur Ganzheit helfen.
Auch in dem Sinn können wir beten:
Komm Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen
Komm Herr, damit wir uns gründen in DIR. Damit unser Leben nicht auseinanderfällt.
Wenn DU da bist, Herr, dann dürfen die Lachenden lachen und die Weinenden weinen;
und niemand muss einem anderen was vormachen.
Komm Herr, segne uns, dass wir einander helfen wahrhaftig zu sein.
Und so lädt uns diese Liedstrophe dazu ein, mit einem breiten Bedeutungsspektrum zu beten:
Komm Herr, segne uns
Komm, Vater, Sohn, und Heiliger Geist.
Komm, denn wenn du kommst, dann ist alles gut.
Amen.