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Predigten

Erbarmen will ich, nicht Opfer

Predigt von P. Meinrad Dufner OSB am 10. Sonntag im Jahreskreis

Im eben uns gesagten Evangelium hieß es: „Geht und denkt einmal darüber nach, was es heißt…“

oder anders übersetzt: „Geht und lernt…“

Wenn es aber heißt „geht“, dann meint das doch einen Weg. Was wir zu bedenken haben, wird nicht kognitiv gefunden, es wird auf dem Weg mich lehren, Schritt um Schritt, im Auf und Ab, im Vorwärts und Rückwärts.

und es heißt „lernt“: das aber ist nicht, wie ich Schulwissen paukte, es geht als Versuch und Irrtum, als Probieren, was mehr ist als Studieren. Es ist üben – verlernen – vergessen, wiederfinden, nicht aufgeben.

Und was soll gelernt werden? „Barmherzigkeit will ich – dieser ICH ist Gott höchstselbst. „Erbarmen will ich, nicht Opfer.“

Im Blick auf Mitwelt und Mitmensch ist darüber schon viel gepredigt worden. Es ist der Kern der Lehre Jesu – und ich weiß mein Leben und Handeln, Fühlen und Denken ist noch weit davon unterwegs und am lernen.

Jetzt aber soll das Thema der Predigt sein: Barmherzigkeit mit sich selber.

Als mir dieser Impuls kam, war auch gleich Angst da. Das ist ja gegen so viel Gesagtes und schon so lange mir Gesagtes, seit Kindsbeinen an, in Unterricht, Predigt, im anerkannten Milieu.

Daraus folgten Impulse wie:

  • Sei eher hart zu dir selber als mild
  • Besser Selbstzweifel vor Gott statt Zufriedenheit
  • Wie du bist, ist nicht recht, du musst anders werden
  • Halte dich für schlecht, nicht für gut
  • Traue dir selber nicht.

Ich meine, mich nicht zu täuschen, dass es in vielen von uns so empfindet, denkt und auch das Lebensgefühl prägt.

Jetzt übertrage ich dieses entstandene Lebensgefühl zu mir selber mal auf meinen Konvent. Angenommen, ich sage mir: „Ich traue hier keinem“ Ich gehe besser hart und urteilend mit den anderen um, statt mit laxer Barmherzigkeit

Ich zweifle an der Echtheit der anderen, überhaupt: Keiner ist recht, sie müssten alle anders sein und überhaupt: Ich halte jeden für einen schlechten und ungeeigneten Arbeiter - das war eine Anspielung auf eine Formulierung der Benediktsregel.

Was für eine Atmosphäre wäre in einer solchen Gemeinschaft – einer solchen Firma, einer solchen Familie. Zu mir selbst hin, auf mich bezogen, sollen aber solche Sichtweisen gut sein, helfen, fördern? Sie sind nicht gut.

Meine Erfahrung ist: Menschen, die gegen sich selbst feinden, feinden – unbewusst – gegen die Umwelt und Mitwelt. Unzufriedenheit in mir, mit mir, macht sich Luft in Unzufriedenheit mit den anderen, mit dem Anderssein des Lebens. Ungeduld mit mir, macht ungeduldig mit andern.

Harter Umgang gegen mich, macht hart mit andern, zumindest in innerem Groll.

Minderwertigkeit (als Demut getarnt) muss innerlich andere abwerten, klein machen, damit ich selber an Größe gewinne, mich aushalte.

Erbarmen will ich, nicht Opfer - auch mit und zu mir selber. Wie ein guter Arzt mit sich selber umgehen – Heilung im Blick. Ich darf Hände haben für mich selber, wie eine erfahrene Hebamme, damit ich stets neu und gut zur Welt komme.

Geht, und denkt einmal darüber nach: Barmherzigkeit mit sich selbst will ich, nicht Opfer.

Dieses Licht auf meine Gottesbeziehung, auf mich selber und von da aus auf die anderen, das will ich weiter lernen – und ich staune, welche guten Gaben es zeitigt, wie es Leben leichter und heiterer macht, wie alles Gottbewohnter wird.