Bedachtsam und liebevoll ein Segen sein
Predigt von Sr. Makrina Finlay OSB zur Profess von Br. Wolfgang Sigler OSB.
Liebe Schwestern und Brüdern in Glauben, lieber Br. Wolfgang, lieber Abt Michael, lieber Konvent,
in der vergangenen Woche haben wir in den Messlesungen den Geschichten von Abraham und Sarah lauschen können und ihrem Umgang mit Segen. In diesen Geschichten gab es Tiefen voller Angst und Not und es gab im wahrsten Sinne des Wortes Sternstunden: „Sieh doch zum Himmel hinauf, und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst.“ Abraham wird versprochen: „Ein Segen sollst du sein.“ Ein wunderbarer Vorspann für den Tag einer benediktinischen Profess.
Heute hören wir noch einmal von Abraham und Sarah und wir hören auch zwei andere Geschichten: vom Hauptmann aus Kapernaum und von der Schwiegermutter des Petrus. Diese Texte hat Br. Wolfgang sich nicht ausgesucht; sie sind uns als Tageslesungen vorgegeben. Doch es scheint mir, dass sich durch alle drei Erzählungen ein goldener Faden zieht, der auch für einen Professen von Bedeutung sein kann. Alle drei sprechen vom Sehen, vom Dienen und von der Fruchtbarkeit. Alle zeigen auf unterschiedliche Weise, was es bedeutet, Segen zu empfangen und Segen zu sein.
Der heutige Abschnitt aus dem Buch Genesis beginnt mit Abraham vor seinem Zelt. Er sieht die drei Männer auf ihn zukommen und läuft ihnen entgegen: „Mein Herr, wenn ich dein Wohlwollen gefunden habe, geh doch an deinem Knecht nicht vorbei!“
Er sieht sie und will ihnen dienen, sie stärken, von seiner Fruchtbarkeit etwas mitteilen. Er versteht ganz genau: „denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen.“
Zu diesem Zeitpunkt hat Abraham schon einen neuen Namen angenommen. Er ist jetzt nicht mehr „der Vorfahre“, sondern der „Vorfahre von Vielen“ geworden. Und doch wartet Abraham, der Mann des Glaubens, immer noch auf den Segen den Gott ihm versprochen hat. Die Fruchtbarkeit, die ihm noch fehlte. Er konnte von diesen Männern nichts erwarten – außer einer Gelegenheit Gastfreundschaft zu zeigen. Aber vielleicht hat er verstanden, was Benedikt viele Jahrhunderte später in seiner Regel vom Pförtner gesagt hat: „Sobald jemand anklopft oder ein Armer ruft, antworte er: „Dank sei Gott“ oder „Segne mich.“
Sie segnen ihn. Sie sagen, dass er in einem Jahr ein Kind von Sarah haben werde. Und jetzt, wo der lang ersehnte Moment gekommen ist? Der Mann des Glaubens kann es kaum glauben. Und klar: Sarah lacht. Aber selbst die Männer, die den Segen bekanntmachen, nehmen es ihr nicht übel. Mit der Zeit wird der Segen Gestalt annehmen. Er wird wehtun; er wird ihre Herzen weiten, brechen und beleben.
Im Evangelium begegnen wir dem Hauptmann von Kapernaum. Anders als bei Abraham und Sarah, deren Segen durch unbekannte Gäste zu ihnen gekommen ist, weiß der Hauptmann ganz genau, an wen er sich wenden soll. Er geht auf Jesus zu, um ihm mitzuteilen: „Mein Diener liegt gelähmt zu Hause und hat große Schmerzen.“ Jesus nimmt nicht nur die Schmerzen des Dieners wahr, er sieht auch den Schmerz des Hauptmanns und zeigt sich bereit, höchstpersönlich mit ihm nach Hause zu gehen: „Ich will kommen und ihn gesundmachen.“ Anders gesagt: Ich will ihn sehen. Doch der Hauptmann spricht erstaunliche Worte; Worte, die uns in jeder Messe wieder begegnen; Worte, die mit Glauben gefüllt sind, die unseren eignen Glauben vielleicht übersteigen, aber die wir trotzdem aussprechen, ausprobieren dürfen: „Herr, ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst, aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund.“
Der Hauptmann wusste schon, was es bedeutet, Befehle zu geben. Er hatte Zugang zu allen möglichen Ressourcen. Er war durchaus mächtig, reich, „wichtig.“ Er wusste, was es bedeutet Herr zu sein und Diener zu haben, und so erklärte er den Grund seiner Zuversicht: „ich habe selber Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh! so geht er, und zu einem andern: Komm! so kommt er.“
Jesus war erstaunt. Und doch verstand er.
Bestimmt verstand er auch, dass der Hauptmann genügend Bedienstete gehabt hätte, die er für sich hätte schicken können, wenn er es gewollt hätte. Rein technisch hätte er nicht selbst zu Jesus gehen müssen. Doch er wollte– ja, er musste, und nicht, weil er nicht glaubte. Er wollte persönlich teilhaben am Segen; am Heil. Auch das verstand Jesus.
„Geh!“ sagte Jesus. „Es soll geschehen, wie du geglaubt hast. Und in derselben Stunde wurde der Diener gesund.“ Und der Hauptmann? Ich möchte glauben.
Auch wenn die zwei Erzählungen im Vordergrund stehen, gibt uns die Lesungen von heute noch eine Perikope. „Jesus ging in das Haus des Petrus und sah, dass dessen Schwiegermutter im Bett lag und Fieber hatte.“ Folgen wir dem Text, so sagte niemand zu Jesus, dass sie krank war. Er selbst sah die Frau, berührte ihre Hand und heilt sie: ohne dass jemand bitten musste, sogar ohne Glauben zu fordern. Jesus sah ihre Not an und half ihr wieder gesund zu werden, wieder dienen zu können. „Und sie stand auf und sorgte für ihn.“
Lieber Bruder Wolfgang, du hast „prudenter et cum caritate“; „mit Bedacht und Liebe“ als Professspruch gewählt. Es geht um eine Haltung: es geht darum die Welt, in der du lebst und wirkst, „bedachtsam und liebevoll“ zu sehen, die Menschen, mit denen du zu tun hast „bedachtsam und liebevoll“ zu dienen. Es geht auch darum, was der Spruch in seinem ursprünglichen Zusammenhang klarmacht: „bedachtsam und liebevoll“ alles abzuschneiden, was die Fruchtbarkeit verhindert. Sehen, dienen und fruchtbar sein; bedachtsam und liebevoll. Ganz gewiss: „Ein Segen sollst du sein.“ Amen.