Vergebung im „Heiligen Raum“
Die jüngste Ausgabe der Missionszeitschrift „Ruf in die Zeit“ befasst sich mit dem Thema „Vergebung“, einem Kernthema der Bibel. Aber auch die moderne Psychologie setzt sich auf ihre Art damit auseinander. Die Sozialpädagogin und Theologin Michaela Ständer erläutert den Weg nach Dr. Konrad Stauss. Lesen Sie Ihren Beitrag in Auszügen:
„Jeder Mensch trägt Beziehungsverletzungen mit sich. Diese inneren Wunden können sich ausdehnen und zu einer Art innerer Vergiftung führen, zu Zorn, Wut, Ohnmacht, Freud- und Kraftlosigkeit, zu Verhärtung. Nicht bewusste seelische Verletzungen bewirken Unbarmherzigkeit und Ungerechtigkeit.
Das heißt: Die Verletzung wird weiter gegeben, der Opfer-Täter-Reigen wird in Gang gesetzt. Versöhnungs- und Vergebungsarbeit kann ein Weg sein, sich der eigenen Verletzungen bewusst zu werden, damit umzugehen, sie heilen zu lassen. Wird die Last der Nichtvergebung abgelegt und die Wunde ins Leben integriert, wird dem Täter die Macht entzogen, mit der er im Inneren des Verletzten wirkt. Es ist dies eine Macht, die dem Täter nicht zusteht! Durch solch eine „Lösung“ kann Heilung geschehen und neue Lebensenergie erschlossen werden.
Für den erfahrenen Arzt, Neurologen und Psychotherapeuten Dr. Konrad Stauss ist Vergebung keine kognitive Entscheidung, sondern immer ein Prozess, ein mitunter langer Weg. Stauss hat als Begründer und langjähriger Leiter einer psychosomatischen Klinik erkannt, dass das Vergebungsthema Schlüssel und Voraussetzung für gelungene menschliche Beziehungen ist. Seine Erfahrung: Ich kann vergeben wollen, mich auf den Weg machen, mich einlassen auf den therapeutischen Prozess … bewirken kann ich Vergebung nicht! Sie ist kein Tun. Sie ist Geschenk. Der Vergebungsbereite empfängt die Vergebung.
Daher bedarf sie einer anderen Ebene als der therapeutisch-profanen. Stauss nennt es den „Heiligen Raum“. Für Stauss haben Vergebung und Versöhnung einen „spirituellen Grund“. So entwickelte er einen systematisierten Vergebungsprozess in sieben Phasen, der christlich-spirituelle und psychotherapeutische Inhalte und somit die beiden Bereiche Psychotherapie und Theologie miteinander verbindet.“