Mit Schneeschuhen himmelwärts
Hinter einer letzten schneebedeckten Biegung des Weges tauchte die Spitze einer Fahnenstange auf – die Schweizer Flagge war gehisst. Wenige Schritte weiter durch die einen Meter hohe Schneedecke konnten wir endlich die einsame Berghütte sehen. Das Bergheim Wildgrimmi, 1600 Höhenmeter, eine Stunde vom nächsten Dorf entfernt. Hier würden wir die nächsten fünf Tage verbringen, um im Rahmen eines Seminars für FSJler und BUFDIs nach Wanderungen durch die winterliche Berglandschaft Erholung zu finden sowie Vorträge zu verschiedenen Themen anzuhören.
Erschöpft betrat unsere kleine Gruppe von 13 Freiwilligen und 4 Betreuern das Gebäude. Im Inneren erwartet uns das warme Willkommen eines Schweizer Ehepaares und die Hitze eines übergroßen Holzofens – genannt das „Wildschwein“. Den Rest des ersten Tages verbrachten wir entspannt im Esszimmer des Hauses oder aber in den Schlafräumen. Ein wenig Ruhe, damit es am nächsten Tag richtig losgehen konnte!
Auf zum Horn!
Der zweite Tag begann noch vor Sonnenaufgang mit einem kurzen Morgengebet und einem schnellen Frühstück. Pünktlich zum ersten Licht des Tages versammelten wir uns vor der Berghütte, um mit der großen Tagestour zum Gipfel des nahen Rauflihorns zu starten. Der Weg führte uns über mehrere Stunden durch verschneite Wälder, entlang vereister Bäche und vorbei an schneebedeckten Berghütten. Viele Verschnaufpausen waren dafür nötig. Stockend und atemlos schleppten wir uns schließlich das letzte Stück des endlosen Gipfelhangs hinauf, ein einziges weißes Feld, das immer weiter gen Himmel anstieg – und endlich hatten wir den Berg bezwungen. Auf über 2300 Metern Höhe erschien die zurückgelegte Strecke winzig, doch der Ausblick war gewaltig. Von felsigen Steilhängen glitt unser Blick hinab durch vernebelte Täler und weiter zu den verschwommenen Umrisse ferner Bergspitzen, alles im gleißenden Licht eines wolkenlosen Himmels. Beinahe wehmütig machten wir uns einige Zeit später an den Abstieg, um am frühen Abend erschöpft wieder an unserer Berghütte anzukommen.
Neben der Tagestour folgten in den nächsten Tagen noch zwei kleinere Wanderungen durch die nähere Umgebung unserer Hütte sowie eine Halbtagestour hinauf zum Mariannenhubel. An diesen Tagen verlief es etwas entspannter, dafür boten sie ein reiches Programm an theologischen Einheiten und Informationen sowie praktische Übungen zum richtigen Umgang mit Lawinen.
Vorsicht: Lawine!
Als lebensbedrohliche Gefahr für Sportlervon Wintersportarten jeder Art wurde auch im Zuge der Schneeschuhwanderung besonderer Wert auf das Thema Lawinen gelegt. Wie entstehen Lawinen? Woran kann ich eine bestehende Lawinengefahr erkennen? Wie sollte man sich als Gruppe in lawinengefährdeten Regionen verhalten? Und: Was ist bei der Suche von Verschütteten zu beachten? Diese Fragen und viele weitere beantwortete uns ein langjähriger Gruppenleiter von Schneeschuhwanderungen, um uns für die Gefahren des Wintersports zu sensibilisieren.
Auf die theoretische Einweisung folgten praktische Übungen im Umgang mit der Ausrüstung für die Verschüttetensuche. Glücklicherweise musste sich niemand wirklich im tiefen Schnee eingraben lassen. Dazu genügte ein Sender, das entsprechende Empfangsgerät, eine Sonde – also ein mehrere Meter lange Stab zum Ertasten von Verschütteten – und eine Schaufel für jeden Teilnehmer.
Bring das Herz aus Eis zum Schmelzen!
Mit offenem Herzen durch das Leben gehen, so lautete die zentrale Botschaft der ersten theologischen Einheit. Nur leider ist es oft nicht leicht, auf das eigene Herz zu hören. Eigennutz und Misstrauen lassen das Herz verhärten – hüllen es gleichsam in einem Mantel aus Eis. Passend dazu lag ein aus Schnee geformtes Herz in der Mitte des Raumes, das im Laufe des Vortrags langsam zu schmelzen begann. Wichtig ist, dass wir uns selbst, anderen und auch Gott Vertrauen schenken und unserem Herzen neben dem Kopf eine Stimme bei schwierigen Entscheidung geben. Am Ende des Vortrags war das aus Schnee zusammengesetzte Herz geschmolzen und zeigte in seinem Inneren eine Ansammlung kleiner Schokoladenherzen. So kommt der wahre Wert des Herzens zum Vorschein, wenn das Eis erstmal durchbrochen ist.
Im Anschluss daran sprachen wir über das Thema Berufung. Anhand verschiedener Bibeltexte sowie persönlichen Erfahrungen der Referenten näherten wir uns der Frage, worin unsere jeweilige Berufung besteht und wie wir sie finden können. Neben vernünftigen Überlegungen zu den eigenen Talenten ist dabei auch wichtig, auf die Stimme des Herzen sowie die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu hören, wie uns Mitbrüder der Klöster Triefenstein und Münsterschwarzach berichteten.
Der Abstieg
Damit neigte sich das Seminar in den Schweizer Alpen dem Ende zu. Fünf Tage voller Einkehr und Stille beim Wandern durch die winterlichen Berge mit neuen Impulsen für die Lebensgestaltung lagen hinter uns. Dies, aber auch Gespräche und Kartenspiele neben einem brennenden Kamin mit Blick über die verschneite Landschaft machten das Seminar zu einem unvergesslichen Erlebnis. Nun gingen wir den Weg wieder hinab ins Tal und die Hütte zusammen mit der gehissten Flagge verschwanden hinter der nächsten Biegung.
Von Felix Hueblein