Jugendvesper – Ein Date mit Gott
Man kennt sich mittlerweile, umarmt sich zur Begrüßung. Wo sonst Stille herrscht, erfüllt nun Lachen den Kirchenraum. Die „Stammgruppe“ hat sich an diesem Freitag in der Krypta der Abteikirche eingefunden – und natürlich noch viele andere. Neue, die sofort miteinbezogen werden. Eine halbe Stunde vor Beginn werden noch Liederbücher aus der Sakristei geschleppt. P. Jesaja, Jugendseelsorger, stellt zwei große Brotkörbe auf den Altar. „Für später.“ Die Musiker spielen noch ein paar Stücke an, wie selbstverständlich singt jeder schon mit: „Find me here, Lord as You draw me near…“
Die Jugendvesper ist an das traditionelle Abendlob der Mönche angelehnt – allerdings mit einigen anderen Elementen. In der Abtei Münsterschwarzach gibt es sie seit über 35 Jahren. An jedem dritten Freitag im Monat lädt die Jugendarbeit in die Krypta ein. Die Werbung: online und offline. Viele kommen aus der näheren Umgebung, ein paar reisen von weiter an. Sie alle verbindet ihr gemeinsamer Glauben.
„Die Jugendlichen lassen sich jedes Mal wunderbar auf das ein, wozu wir einladen“, erzählt P. Jesaja. Jede Jugendvesper stehe im Vorbereitungsteam unter einem bestimmten Arbeitstitel. Der Umgang mit Streit, darum soll es dieses Mal gehen. Die Atmosphäre? Entspannt. Für alle Neuen erklärt P. Jesaja immer wieder zwischendurch, was nun passiert. Gesang, Gebet, Lesung. Die passende Bibelstelle für das Konflikt-Thema? Der zweite Galaterbrief Verse 11 bis 21. Unrecht, Ausschluss, Heuchelei. Und dann: die Gerechtigkeit in Christus, die Gnade Gottes.
Stefan Sauerbrey, Theologe und im Schulseelsorgeteam am Egbert-Gymnasium, legt die Lesung in der Predigt aus. Lebensnah, echt, ohne schmückende Umschreibungen. „Und was ihr für euch mitnehmen könnt? Alle Konflikte, die ihr habt, vor Gott zu bringen“, erklärt er während er seine Worte mit ausschweifenden Gestern untermauert.
Dann passiert etwas Außergewöhnliches – oder in der Jugendvesper Normales? Ein Fürbitt-Ritual, das jedesmal anders sein kann. P. Jesaja lädt die Teilnehmenden ein, zum Altar zu gehen. Still und wann sie möchten, ihre Hände darauf zu legen, und ihre Bitte, ihren Konflikt, so vor Gott zu bringen. Einer nach dem anderen kommt, der Rest singt. „Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus meine Zuversicht.“ Jeder lässt sich darauf ein. In der Gruppe herrscht Vertrauen, Gott und der Glaube als verbindendes Element. Und auch die anderen Mönche der Abtei, die mitfeiern, kommen zum Altar.
P. Jesaja ist davon begeistert: „Ich erlebe während der Jugendvesper oft eine Art Verwandlung. Egal, wie wir anfangen, danach ist da einfach mehr Freude, mehr Lebendigkeit, mehr ,Bei-sich-sein‘.“ „Genau diese Stimmung ist auch jedes Mal anders. Manchmal ist die Krypta mit knapp 200 Jugendlichen voll, die zur Firmvorbereitung da sind“ ergänzt Stefan Sauerbrey. Ein Modell, das (an-)zieht. Mit immer wieder neuen, anderen Elementen.
Das Fladenbrot auf dem Altar wird von P. Jesaja gesegnet. Dann soll es verteilt werden. Doch nicht einfach so, alle sollen dieses Brot tatsächlich miteinander teilen. Wie bei einer Agape aus der Tradition der Ursprungsgemeinde der Christen in Korinth: ein gemeinsames Mahl. Die Jugendlichen laufen durch die Krypta, jeder teilt mit jedem, jeder gibt dem anderen etwas ab. "...und sie hatten alles gemeinsam" aus der Apostelgeschichte kommt sofort in den Sinn. Das nicht greifbare Wort der Mahlgemeinschaft wird in dieser Handlung wahrhaftig. Danach wird das Vaterunser gebetet. In Orantenhaltung, die Hände nach oben, zu Gott, geöffnet. Zum Abschluss segnet P. Jesaja alle – und lädt zum zweiten Teil ein. Erschrockene Gesichter. Noch einmal beten? Nein. Man trifft sich anschließend in gemütlicher Atmosphäre zum Austausch. Man kennt sich ja. Oder lernt sich spätestens da besser kennen.
Theologischer Tiefgang, Lebensrealität und immer der klare Bezug zur benediktinischen Spiritualität. Die Jugendvesper in der Abtei Münsterschwarzach erreicht die Menschen – immer wieder neu und immer individuell. Sie findet jeden dritten Freitag im Monat statt. Nach dem Julitermin am 20. Juli (bei dem es übrigens Eis geben wird) geht sie zunächst in die „Sommerpause“.