Johannes Kepler und der Drei-Eine Gott
Unser Glaubensbekenntnis ist auch in den weitesten Teilen ein ökumenisches Glaubensbekenntnis. Ich habe Ihnen heute in meiner Predigt deshalb keinen katholischen Theologen mitgebracht sondern einen protestantischen "Kollegen", der dazu noch Naturforscher, Mathematiker und Musiker war: Johannes Kepler. Man könnte ihn auch zu allererst einen Astronomen nennen, aber Berufe sind damals wie heute nicht immer so genau abgegrenzt. Angestellt war Kepler zumeist als „Mathematicus“. Er selbst war aber eigentlich gelernter Theologe, die er an der Hochschule Tübingen erlernt hatte.Predigt
Liebe Schwestern und Brüder!
Ein Gott in drei Personen! Die Trinität, die Dreieinigkeit, das christliche Gottesbild ist zu allererst aus der Glaubenserfahrung der ersten Christen entstanden. Für uns heute braucht nicht nur das Nachsprechen des Glaubensbekenntnisses, sondern auch Zeit, Mühe und unser ganzes Menschsein, um sich ihm zu nähern.
Für Johannes Kepler hatte die Beschäftigung mit der Astronomie einen tief religiösen Sinn und Hintergrund. Der Schöpfer selbst wird nach seiner Meinung durch die Astronomen und ihre Bemühungen, die Natur zu erkennen, gefeiert. Er hielt sich als Astronom für einen wahren Priester des Allmächtigen, der aus dem Buch der Natur mit der Astronomie Gott verherrlichte.
In der Vorrede an den Leser in seinem frühen Werk Mysterium Cosmographicum (»Weltgeheimnis«), das er mit 25 Jahren veröffentlichte, nahm er direkten Bezug auf den religiösen Antrieb für seine Arbeit um die Entschlüsselung der Planetenbahnen am Himmel. Es ging ihm um die Harmonie der Welt, die Gott ihr bei ihrer Erschaffung mitgegeben hatte: »Drei Dinge waren es vor allem, deren Ursache, warum sie so und nicht anders sind, ich unablässig erforschte, nämlich die Anzahl, Größe und Bewegung der Bahnen. Dies zu wagen bestimmte mich jene schöne Harmonie der ruhenden Dinge, nämlich der Sonne, der Fixsterne und des Zwischenraumes mit Gott Vater, dem Sohn und dem hl. Geist. (...) Da sich die ruhenden Dinge so verhielten, zweifelte ich nicht an einer entsprechenden Harmonie der bewegten Dinge.« Mit den »bewegten Dingen« sind die Planeten und ihre Umläufe um die Sonne gemeint. Die »ruhenden Dinge« sind die Sonne und die Fixsterne. Sie vergleicht Johannes Kepler mit Gott, dem dreieinen Schöpfer: der Vater ist im Zentrum, wie die Sonne im Zentrum des Kosmos ist; der Sohn ist vergleichbar mit den Fixsternen, die den Abschluss der Welt nach außen bilden; der Heilige Geist ist das verbindende Element des Zwischenraumes, das mit den bewegten Dingen korrespondiert.
Für ihn ist es Gott, der mit seinem Schöpfergeist die Kräfte und die Bahnen der Planeten absteckt. Modern könnte man sagen: Gott macht, dass die Dinge in der Natur sich machen bzw. funktionieren. Kepler nimmt bewusst Bezug auf Nikolaus Cusanus im Hinblick auf die geometrischen Verhältnisse im Kosmos. Es geht ihm um die höchste Schönheit, die es in der Welt zu entdecken gilt. Wenn er schreibt, was seiner Ansicht nach die Ursache der Planetenläufe ist, ist er sich darüber im Klaren, dass seine religiös-ästhetischen Begründungen nicht allen genügen werden. Die Bahnen der Planeten werden von ihm nicht physikalisch, sondern immateriell und mit geometrischen Figuren begründet. Die physikalische Berechnung hat er Jahrzehnte später auch auf dem Hintergrund von Beobachtungen von Tycho de Brahe getan. Allerdings hat erst Isaac Newton die Gravitation als wirkende Ursache richtig erkannt. Für Kepler waren es noch magnetische Kräfte, womit er ja nicht ganz unrecht hatte.
Was für mich und ich meine für uns heute wichtig ist, das ist folgendes: oft wird aus Glaube und Naturerkenntnis bzw. Naturwissenschaft ein Gegensatz konstruiert. Entweder oder ist da die Devise. Das ist aber für mich nichts anderes als versteckter Fundamentalismus. Johannes Kepler zeigt uns (und nicht nur er als Naturwissenschaftler), dass wahre Erkenntnis oft in unseren ideal gedachten Vorstellungen beginnt, die wir dann an der Realität überprüfen müssen. Und deshalb ist oft unser Glaube die eigentliche und wahre Triebfeder unseres Handelns. Wir müssen uns Rechenschaft darüber geben, was wir al einzelne Menschen im Tiefsten glauben, denn es bestimmt unser Handeln.
Was ich glaube, das hat Folgen. Die Dreieinigkeit Gottes, ein Gott in drei Personen sagt uns, dass Gott zu allererst unverfügbar ist. Jenseits unserer Vorstellungen und eine Einheit besitzt, die im wahrsten Sinn des Wortes überirdisch ist. Und es sagt uns, dass Gott Beziehung ist, dass er sich in seiner Schöpfung mitteilt – wie es auch Johannes Kepler ganz praktisch zum Ausgangspunkt seine Astrophysik gemacht hat. Er zeigt sich in den drei göttlichen Personen, was deutlich macht, dass ich mit ihm in Kommunikation treten kann. Und zwar im Großen und im Kleinen – das ist ja das oft verrückte, was uns Christen heute so wenig geglaubt wird! Es ist die Menschwerdung Gottes, die das Kleine und das Große zusammenhält.
Hier kann uns die Naturwissenschaft helfen: es gibt zwei Theorien, die am besten überprüft sind: die vom ganz großen, die Relativitiätstheorie und die vom ganz kleinen, die Quantenphysik. Beide stimmen, aber sie passen trotz jahrzehntelanger Forschung noch immer nicht zusammen. Es gibt keine Harmonisierung beider Theorien und man lebt als Naturwissenschaftler doch ganz gut damit.
Möge uns Jesus Christus immer weiter in sein Geheimnis der Menschwerdung einführen und mit dem Heiligen Geist in die Tiefen der Dreieinigkeit Gottes!
Amen.