Ein Stück vom Himmel auf Erden
Die großen Abteikonzerte in Münsterschwarzach zählen jedes Jahr zu den kulturellen Höhepunkten der Region. Zum 1200jährigen Jubiläum des Klosters erlebten 1600 Zuhörer ein ganz besonderes Werk, Bachs hohe Messe in h-moll. Sie ist eine der bedeutendsten geistlichen Kompositionen und Bachs letztes großes Vokalwerk. Zugleich seine einzige Komposition, welcher der vollständige lateinische Messetext zugrunde liegt.
„Mönchsein geht nicht ohne Gesang“, begrüßte Abt Michael Reepen die Konzertbesucher. Denn im Himmel werde bekanntlich gesungen, und die Mönche sollten sich schon hier dafür einüben, meinte er launig.
Einen Vorgeschmack auf himmlische Vergnügen erhielten die Zuhörer dann in den folgenden zwei Stunden. Die Windsbacher, der „wohl beste Knabenchor der Welt“ so Organisator Pater Dominikus Trautner, boten eine durchweg perfekte Aufführung der h-moll Messe. Ein weicher, fast kammermusikalischer Gesamtklang bildete den Rahmen der von Bach doch sehr unterschiedlich vertonten Sätze.
Trotzdem hoben sich die einzelnen Melodielinien, wie etwa die Seufzer der Kyrie-Fuge, stets filigran wie fein eingewobene Fäden aus dem Gesamtteppich hervor. In der Dynamik folgten die knapp 100 Sänger den kleinsten Bewegungen von Dirigent Martin Lehmann. Stets präsent und präzise im Wechsel der Tempi und Stimmungen - eine Freude, diesen Spitzenchor zu hören.
Die Solisten Dorothee Mields (Sopran), Rebecca Martin (Mezzzosopran), Julian Pregardien (Tenor) und Andreas Wolf (Bass) bildeten eine wohltuende Einheit mit Chor und Orchester. Sie stellten sich mit ihren hervorragenden Leistungen ganz in den Dienst einer höheren Sache, ohne sich selbst groß hervorzutun. Wahrer Gottesdienst eben, selbst wenn die h-Moll Messe schon aufgrund ihrer Länge wohl nie in der Liturgie aufgeführt wurde. Die Deutschen Kammer-Virtuosen Berlin lieferten mehr als nur eine ruhende Basis dafür. Denn die h-Moll Messe stellt auch an die Instrumentalisten höchste Ansprüche. Besonders schön die Wechselspiele zwischen den Solisten und den einzelnen Instrumenten.
Ein Wort noch zu Leiter Martin Lehmann, der seit 2012 die Windsbacher führt. Er dirigierte ohne Stab, aber mit vollem Körpereinsatz und bildete das sichtbare Rückrat der gelungenen Aufführung. Jede Bewegung nahm voraus, was Sänger und Orchester perfekt umsetzten: sehnsuchtsvolles Ringen nach Erlösung im Credo oder freudiges Lob der himmlischen Heerscharen im Sanctus - Lehmann tanzte dabei fast auf dem Pult.
Spätestens als im Schlusschor „Dona nobis Pacem“ (Gib uns Frieden) die hellen Bachtrompeten einsetzen, stellen sich beim Zuhörer vollkommene Harmonie und Glückseligkeit ein. Man war für zwei Stunden dem Himmel ein Stück näher. Mit minutenlangem anhaltender Applaus dankte das Publikum den Künstlern.
Georg Ruhsert