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Der Corona-Marathon

Was Corona mit einem Marathon zu tun hat? P. Christoph Gerhard OSB hat sich darüber Gedanken gemacht.

Die erste Zeit der Corona-Pandemie ist vorbei. Der "Shutdown" wurde so weit es ging gelockert, ein Aufatmen ist überall zu spüren. Wieder trifft man Menschen in der Öffentlichkeit an und in Restaurants, auf öffentlichen Plätzen und in Kirchen kehrt das Leben wieder zurück. Das alles ist gut und wir genießen es!

Allerdings ist damit nur der erste Schritt der schwierigen Zeit geschafft, die wir derzeit erleben müssen. Nach der Vollbremsung steht uns nun ein Marathon bevor, um die Folgen des ersten Schrittes wieder zu bewältigen. Keine Frage: die Maßnahmen waren drastisch und angesichts der hohen Risiken, nicht nur für ältere und gefährdete Menschen, auch richtig. Nur wie schafft man es, aus dem Krisenmodus heraus einen Marathon zu laufen? Denn uns wird die Krise und ihre Folgen noch lange beschäftigen. Es sind denkbar ungünstige Voraussetzungen dafür. Denn: weder hatten wir Zeit uns auf den "Lockdown" vorzubereiten, noch konnte niemand die gewaltigen Folgen vorher absehen. 

Ich fragte einen befreundeten Marathonläufer: Was gehört eigentlich zu einer guten Vorbereitung und Bewältigung eines Marathonlaufes? Eine längerfristige Planung und Vorbereitung waren in unserem Cornona-Fall nicht möglich. Was aber möglich ist, sind folgende Überprüfungen: Wie ist meine Verfassung jetzt? was sind meine realistischen Ressourcen an Fähigkeiten und Rücklagen? Eine realistische Einschätzung, wie der eigene Zustand ist - persönlich, oder im Team, in der Gemeinschaft mit der ich arbeite und lebe -, sie ist jetzt hilfreich. 

Während des Laufes sind dann weitere Qualitäten gefragt, es sind fast benediktinische Eigenschaften, denn Benediktiner sind aufgrund dem Gelübde der Stabilitas es gewöhnt, ein Leben lang miteinander durch "dick und dünn" zu gehen. Da wäre zuerst: Ruhe bewahren in allem Auf und Ab der Zeit. Mit Gleichmut den inneren Frieden zu pflegen, der immer wieder Beachtung braucht. Dazu ist es wichtig sich nicht von Stimmungen leiten zu lassen, sondern viel mehr die eigenen Kräfte gut einzuteilen und sie nicht in kurzfristigen "Sprints" zu vergeuden. Im Vertrauen auf die eigenen Kräfte hin, deren realistische Einschätzung wichtig ist, kann der Lauf gelingen. Das hat viel mit Demut zu tun: weder Überschätzung noch Unterschätzung helfen weiter!

In einem Lauf von 42 km ist es hilfreich, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Der Druck des "Besserseins" als andere hilft nicht, sondern schadet. Viel wichtiger ist es beim Marthon sich die Freude am Laufen zu erhalten. Und das meint in der jetzigen Situation auch im "Krisen-" oder "Bewältigungsmodus" nicht die Freude am Leben zu verlieren, sondern sich bewusst Punkte zu setzen und zu gönnen, in denen das Leben einfach schön ist. Vielleicht brachte auch die Krise Umstände mit sich, die das Leben sogar angenehmer gestaltet haben: Zeit für sich und füreinander, die zuvor nicht da war.

Apropos Zeit: ganz wichtig im Laufen ist, dass die Zeit für einen Läufer nicht die oberste Priorität hat. So braucht auch diese Krise ihre Zeit, vielleicht ein, vielleicht zwei oder mehr Jahre. Das ist ein anderer, großer Unterschied zu einem Marathon: dort ist die Distanz festgelegt! Wie lange uns diese Krise beschäftigen wird, das wissen wir nicht. Deshalb ist es auch nötig, dass wir dranbleiben an den uns gestellten Aufgaben. Es wird zweifelsohne ab und zu das Durchbeißen brauchen. Wir haben da ein wirklich dickes Brett zu bohren, das all unseren Respekt verdient hat, damit wir nicht in Selbstüberschätzung verfallen! Dafür müssen die Kräfte eingeteilt werden, das rechte Maß gefunden werden, das zu den eigenen Möglichkeiten passt. Neben der "Stabilitas", dem lebenslangem dranbleiben am gemeinsamen Leben, ist das "rechte Maß" eine der grundlegenden Weisheiten, die Benedikt dem Abt in seiner Regel mit auf dem Weg gibt. Es nützt nichts für kurzfristige Erfolge, die Bewältigung des gesamten Weg aufs Spiel zu setzen. Viel mehr muss immer das Ganze im Blick behalten werden.

Abschließend ist mir eines wichtig: die Corona-Krise und Bewältigung gehört zu unserem Leben jetzt dazu. Aber sie ist nur ein Teil davon und sie birgt auch ihre Chancen für ein verändertes Leben in sich. Wenn wir die Schwächeren, die unsere Unterstützung brauchen, die Lebensfreude und die positiven Möglichkeiten nicht aus dem Blick verlieren, dann kann sie uns auch tiefer ins Leben hinein führen und nicht nur eine Belastung sein, sondern gar ein Gewinn werden.