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Nachrichten

"Ich bin bereit, Herr. Sende mich!"

Predigt von P. Jesaja Langenbacher OSB am 11. Sonntag im Jahreskreis.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, die Sie hier in der Abteikirche sind und die Sie mit uns verbunden sind über das Internet,

wir haben eben gehört, dass Jesus Mitleid hatte mit den vielen Menschen, die müde und erschöpft waren. Wir dürfen uns da gleich mit zu diesen Menschen zählen. Ist es nicht so, dass auch wir mit unseren Herausforderungen heute alle müde und erschöpft sind – oder mit einer anderen Übersetzung "zerstreut, abgehetzt, hilflos und verwirrt". Denken wir nur an die Pandemie-Maßnahmen, den Belastungen in den Familien, die schwer auf das Herz drückenden Nachrichten über die vielen Infizierten und Toten, an die Menschen, die in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind ...

An genau solche Menschen wie uns wendet sich Jesus. Sind wir nicht auch wie Schafe, die keinen Hirten haben, Menschen, die sich nach "Normalität und Alltag" sehnen, nach Orientierung und Visionen, die uns wirklich gut in die Zukunft führen. Es sieht so aus, dass wir das alles nicht alleine und aus unserer Kraft heraus bewältigen können. Wie die Jünger damals brauchen auch wir dazu irgendwie eine "Vollmacht", eine Befähigung und Kraft, die "unreinen Geister" in unseren Herzen und in der Gesellschaft auszutreiben, alles, was uns schadet, uns verwirrt und nicht das Gute und Richtige tun lässt.

Wie sollen wir also vorgehen und weiter machen?

Das Zweite Vatikanische Konzil sprach von einem Aggiornamento, einer Verheutigung des Evangeliums: Wie die Jünger damals ruft uns Jesus dazu auf, uns als erstes im Gebet mit Gott selbst zu verbinden, mit seiner göttlichen heilenden Kraft und Macht. Dann sollen wir offen und bereit sein, uns mit unserer Einfachheit und unseren Begrenzungen auch als Jüngerinnen und Jünger berufen zu lassen. Heute wären das etwa Leo, Frank, Alfred, Felix, Max, Aaron, Johanna, Julia, Charlotte, Emma, Sophia, Magdalena; itte fügen Sie jetzt innerlich ihren Namen dazu ein! Vielleicht spürt ihr, spüren Sie ein leichtes Erschrecken, wenn Sie ihren Namen innerlich mit aussprechen und sich symbolisch in diesen Kreis der Apostel einreihen.

Wenn wir die ersten Schritte geschafft haben, unsere Komfortzonen, unsere Bequemlichkeit und mit Gottes Hilfe auch unsere Ängste ein Stück weit hinter uns zu lassen, dann sollen wir uns wieder wie die Jünger so weit wie möglich im Gebet, in der Meditation, in Gottesdiensten etc. mit Gott verbinden und aus der Gott-Verbundenheit leben – oder alttestamentlich gesprochen, Gottes Bund halten und auf seine Stimme hören. In dieser Gott-Verbundenheit können wir mit der Gnade beschenkt werden, auf der Erde schon das Himmelreich zu erfahren, wie es Kindern in ihrem Glauben, ihrer Herz-Offenheit und ihrem Vertrauen geschenkt wird. Wir sollen heute schon wie ein Kind auf der Erde im Himmelreich leben und so wieder zur Lebendigkeit und zum Leben zurückfinden! Übrigens "spielen" wir in jedem Gottesdienst "Himmel auf Erden".

Der Himmel im Herzen geht auf, wenn wir uns selbst verzeihen und allen Menschen, die uns vielleicht verletzt haben (ob sie es wissen oder nicht) und wenn wir die Vergangenheit hinter uns lassen. Der Himmel im Herzen geht auf, wenn wir ein wohlwollendes Wort hören oder sprechen, wenn wir uns jemandem herzlich zuwenden, jemandem eine Freude machen oder das Gefühl der Einzigartigkeit und Besonderheit geben. Der Himmel im Herzen und untereinander geht auf, wenn wir mit uns und mit anderen in Einklang und Frieden kommen, uns selbst lieben und anderen unser Mitgefühl, unsere Liebe, Anerkennung, Wertschätzung und Freude zeigen. So leuchtet in uns der Himmel Gottes auf – und so kommt für die Menschen in unserem Umfeld auch ihnen der Himmel nahe.

In dieser Nähe von Gottes Himmel, seiner Liebe, können unsere Wunden und wir selbst geheilt werden. Und so können wir durch ein gutes Wort oder der Wärme eines Blickes diese annehmende und heilende Liebe auch den Menschen schenken, deren kranke Seelen so sehr dieser Liebe bedürfen. Die lebendig Toten wecken wir auf, wenn sie in unserer Nähe und Natürlichkeit die abgestorbenen und in tiefer Trauer versunkenen Winkel ihres Herzens wieder zum Blühen bringen, zu ihren kindlichen und lebendigen Herzen zurückfinden und lernen, wie Kinder ganz in der Gegenwart Gottes zu leben – dort, wo das eigentliche Leben stattfindet. Die Aussätzigen machen wir rein, wenn wir ganz unvoreingenommen uns den Menschen zuwenden, die sich ausgeschlossen fühlen, isoliert und vereinsamt sind, die sich mit ihren Problemen innerlich zurückgezogen haben und nicht mehr an eine Heilung und eine wertschätzende Gemeinschaft glauben.

Und die Dämonen treiben wir aus, wenn wir selbst unsere verinnerlichten negativen Sätze und Stimmungen austauschen durch gute und aufbauende Sätze, dass wir wertvoll, angenommen und anerkannt sind, so wie wir sind, liebenswert und dass wir mit genau den Gaben und Talenten gebraucht werden, die wir von Gott geschenkt bekommen haben. Diese frohe, frohmachende und lebensbejahende Botschaft, Worte die gut tun und heilsam sind, dürfen wir in der Kraft des heilenden und heiligen Geistes dann all den Menschen zusprechen, die uns tagtäglich begegnen.

Damit retten wir noch nicht die ganze Welt. Aber wir beginnen, sie in unserem direkten Umfeld, im Kleinen zu verändern. Und das wird Kreise ziehen. Geben wir diesem Auftrag unser Gesicht, in unserer kleinen Welt ein Stück Himmelreich spürbar werden zu lassen.

Wer mag und mutig ist, könnte nachher beim Glaubensbekenntnis innerlich sagen: "Ich bin bereit, Herr. Sende mich!"

Amen.