Nah am Herzen der Missionsbenediktiner
Bruder Ansgar Stüfe besucht die Abtei Waegwan und das Konventualpriorat Namyangju (Südkorea). Ein Reisebericht aus dem Land der Morgenfrische.
Nach Korea fährt man nicht gerade übers Wochenende. Es liegt weit von Europa entfernt, aber nah am Herzen der Missionsbenediktiner. Neben Ostafrika gehörte Korea zu den ersten Gebieten, in die Missionare ausgesandt wurden. Aus einer extrem wechselhaften Geschichte mit Tod und Zerstörung sind heute zwei selbstständige Klöster in Südkorea hervorgegangen: Die Abtei Waegwan 300 km südlich von Seoul und das kleine Konventualpriorat in Namyangju am Stadtrand von Seoul, der Hauptstadt. Das Land Korea ist immer noch geteilt und nur im Süden ist freie Religionsausübung möglich. Ungefähr 12 % der Bevölkerung sind katholisch und 20 % evangelisch. Somit sind ein Drittel der 60 Millionen Südkoreaner Christen.
Eine Reise nach Korea ist keine Selbstverständigkeit. Ich reiste aus einem bestimmten Grund. Alle fünf Jahre wird die wirtschaftliche Grundlage unserer Klöster überprüft. Diese Wirtschaftsprüfung geht der sogenannten Visitation voraus. Die Visitation wird von den Gremien unseres Klosterverbandes, der Benediktinerkongregation von St. Ottilien durchgeführt. Eines davon heißt Rechnungsrat und sorgt für die Einhaltung finanzieller Grundsätze des Ordenslebens. Von diesem Rechnungsrat wurde ich zusammen mit dem Finanzdirektor der Kongregation, Herrn Ballhausen, zur Wirtschaftsprüfung bestimmt.
Im Mai 2019 war es dann soweit. Es war nicht mein erster Besuch in diesem Land. Daher war ich nicht von der modernen Entwicklung und dem für uns ungewohnten Essen überrascht. Inzwischen kann ich mit Stäbchen essen und weiß, dass zum Hauptteller viele kleine Töpfchen serviert werden. Auf dem Hauptteller wird meistens das warme Gericht serviert. In den kleinen Tellern daneben finden sich kalte, gut gewürzte Beilagen wie Rettich, Gurken, eingelegte Kräuter, kleine Fischchen und vieles mehr. Jedes Essen ist ein kleines Abenteuer und nicht immer wusste ich, was genau ich da aß.
Unser Besuch begann im Kloster Namyangju. Das Kloster ist recht jung und erst seit fünf Jahren selbstständig. Es wurde von Waegwan gegründet. Die Gründermönche wollten ein eher kontemplatives Kloster errichten und die traditionelle Lebensweise Koreas fortsetzen.
Für mich als Besucher hieß das vor allem, auf dem Boden sitzen und schlafen. Zwar bekamen wir eine Matratze, um den Boden - wörtlich - ein wenig abzufedern, aber ich musste dennoch in die Tiefe und dann wieder in die Höhe kommen. Da Lichtschalter aus der Tiefe nicht erreichbar waren, verlangten so einfache Vorgänge wie Aufstehen immer eine strategische Planung. Es war dann auch nicht hilfreich, dass ich auf dem Herflug Rückenbeschwerden bekommen hatte. Beim Essen saßen wir dankenswerter Weise doch auf Stühlen. In der Kirche durften wir auf Bänken an der Seite Platz nehmen.
Der Tagesablauf ist wie überall in Benediktinerklöstern durch die Gebetszeiten strukturiert. Das Kloster hat nur 12 Mönche und keine Angestellten. Damit können sie auch nicht so viel Einkommen erwirtschaften. Sie leben von Obstanbau und einem kleinen Gästebetrieb. Die Gäste bekommen nur Unterkunft und versorgen sich selbst. Da ist es natürlich praktisch, dass es keine Betten gibt. Die Gäste bringen ihr Bettzeug mit und schlafen auf dem Boden.
Trotzdem gelingt es den Mönchen einen kleinen Überschuss zu erwirtschaften und sie können in bescheidener Weise sehr glaubwürdig leben. Für neue Gebäude und Investitionen sind sie auf Spenden angewiesen. Die vielen Freunde helfen aber gern. Wir waren von der Glaubwürdigkeit und der Herzlichkeit der Mitbrüder sehr beeindruckt. Etwas beschämt stellte ich fest, dass ich nur ein paar Tage so leben könnte. So fuhren wir geistlich gestärkt und körperlich ein wenig lädiert weiter nach Waegwan weiter.
Die Mitbrüder brachten uns zum Hauptbahnhof von Seoul, da die Reise mit dem Zug gehen sollte. Dies gab uns Gelegenheit, die rasante Entwicklung Koreas zu erleben. Überall konnte man WLAN empfangen. Fast alle Zahlungen erfolgen mit Kreditkarte. Das Verkehrssystem ist perfekt organisiert. Wir nahmen unsere reservierten Sitze ein, die an Bequemlichkeit kaum zu übertreffen waren. Unser Zug fuhr auf die Minute pünktlich ab und schaffte die 300 km in einer guten Stunde. Fahrkartenkontrolle gab es keine. Jeder hat seinen reservierten Platz. Der Schaffner weiß, welche Sitze nicht reserviert sind. Auch gibt es eine geräumige Gepäckablage in jedem Abteil. Vielleicht sollten deutsche Politiker mal nach Korea fahren und ein wenig dort lernen, wie man ein Zugsystem betreibt.
Die Abtei Waegwan ist eine große Abtei mit 120 Mönchen. Da die meisten Mönche erst nach 1960 eintraten, ist die Gruppe der alten Mönche klein. So entsteht der Eindruck einer jungen dynamischen Gemeinschaft. Die wirtschaftliche Kraft entspricht diesem Profil. Die Mönche betreiben sehr viele Werkstätten und pastorale Einrichtungen. In Waegwan selbst gibt es eine große Schule, vergleichbar mit unserem Gymnasium. Noch aus Missionszeiten versorgen Mönche aus der Abtei vier Pfarreien. In der Nähe der Abtei betreiben die Mönche ein Altersheim, das in der Nähe der großen Farm errichtet wurde. Auf dem Abteigelände finden sich ein Exerzitienhaus, ein Gästehaus und große Empfangsräume für Tagesgäste. Die Mönche von Waegwan haben intensive Kontakte mit den Gläubigen aus nah und fern.
Ein unvorhergesehenes eher trauriges Ereignis vermittelte uns einen tiefen Eindruck. Ein Mitbruder war mit nur 63 Jahren an Krebs gestorben. Er war lange Jahre Direktor der Schule. In der Kultur Koreas spielt die Ahnenverehrung eine große Rolle. Es war eine einmalige Gelegenheit für uns, dass wir während unseres Aufenthaltes erleben durften, wie diese uralte Tradition mit dem modernen Leben und dem christlichen Glauben verbunden wird. Der Tote wird im Untergeschoss der Abteikirche drei Tage lang offen aufgebahrt. In dieser Zeit können Verwandte und Bekannte Abschiede nehmen. In einem Nebenraum gibt es immer zu essen und ein Ruhemöglichkeit. So ist der Tote in dieser Zeit nie allein. Am Tag der Beerdigung versammelten wir uns zusammen mit den Mönchen zuerst in der Unterkirche. Gemeinsam waren wir Zeugen, wie der Tote in den Sarg gelegt wurde. Später wurde der Sarg in die Kirche gebracht und die Messe gefeiert. Der Friedhof befindet sich wenige Kilometer außerhalb, daher wurde vom Beerdigungsinstitut ein Bus gestellt, in dem oben wir Mönchen und unter der Sarg verstaut wurden. Zunächst drehten wir auf dem Sportgelände der Schule eine Runde. Rund um den Sportplatz hatten sich alle Schüler und Lehrer aufgestellt. Danach ging es auf den Friedhof, wo nach christlicher Sitte ganz wie in Münsterschwarzach die Beerdigung stattfand. Auf der Wiese neben den Gräbern waren Zeltpavillons aufgebaut unter denen ein Imbiss und Getränke angeboten wurden.. Der verstorbene P. Evaristo war sehr angesehen. Die große Abteikirche konnte die Zahl der Trauergäste kaum fassen.
Außergewöhnliche Ereignisse wie eine Beerdigung zeigen wie eng die Verbundenheit der Abtei Waegwan mit der Bevölkerung ist. Diese enge Verbundenheit zeigt sich aber auch im Alltag. Das Ansehen und der gute Ruf der Abtei übertragen sich auf die Produkte und sorgen für guten Absatz. Es ist eine alte Einsicht unter Visitatoren, dass ein gutes klösterliches Leben sich auch in einer guten wirtschaftlichen Lage sichtbar macht. Zum Beten gehört eben auch das Arbeiten. Die Mönchen betreiben eine Schreinerei, eine Druckerei, einen Verlag, eine Goldschmiede, ein Kerzenzieherei, eine Metzgerei, eine Buntglaswerkstatt, einen Verkaufsladen in Waegwan und in Seoul und schließlich eine Gärtnerei und ein große Farm, wo vor allem Reis angebaut wird. All diese Aktivitäten wurden in den letzten Jahren erfolgreich in den Gewinnbereich gebracht, so dass die Abtei ganz von eigener Arbeit leben kann.
Besonders erstaunlich war die Entwicklung der Missionsprokura. Erst vor wenigen Jahren hat P. Isaak begonnen eine eigene Prokura aufzubauen. Koreanische Katholiken spenden sehr großzügig. P. Isaak gibt inzwischen eine Missionszeitschrift heraus, die vier Mal im Jahr erscheint. Er reist in Pfarreien und predigt vor den Gläubigen. So konnte er einen festen Spenderstamm heranbilden. Seit vier Jahren unterstützt Waegwan unsere Missionsarbeit weltweit vor allem in Afrika. Waegwan ist ein Beispiel, wie ein ehemaliges Missionskloster vom Empfänger- zum Geberkloster wurde. Darüber hinaus lädt Waegwan Mitbrüder aus Afrika ein, mit ihnen zu leben und eine Ausbildung zu absolvieren. Wir trafen drei Afrikaner an, die eine Weiterbildung absolvieren. Koreanisch ist eine schwierige Sprache, aber in jungen Jahren lässt sie sich leichter lernen.
Die Abtei steht zur Zeit sehr gut da. Das ist umso bemerkenswerter als vor 10 Jahren der größte Teil der Abtei wegen eines Kurzschlusses abgebrannt war. Es musste ein neues Kloster und ein völlig neue Kirche gebaut werden. Aus dieser Herausforderung ging die Gemeinschaft gestärkt hervor. So fiel uns die wirtschaftliche Beurteilung leicht. Auch hatte der Zellerar, Br. Hugo, unseren Besuch sehr gut vorbereitet. Er begleitete uns auch auf dem Rest der Reise.
Im Süden der koreanischen Halbinsel liegt die Insel Jeju. Dort bekam die Abtei ein Haus geschenkt, das als Ferienhaus für die Mitbrüder dienen soll. Wir besuchten das Haus und die Insel. Ein Vulkan stieg aus dem Meer empor und bildete vor vielen Jahren die Insel. Sie ist mehr als 100 km lang und es wohnen 600 000 Menschen dort, in der Ferienzeit können es auch eine Million sein. Es ist eine klassische Ferieninsel geworden. Die Naturschönheiten mit zahlreichen kleineren und größeren Vulkanen und die bizarren Küstenfelsen laden zu Wanderungen ein. Am Strand wurden seltsame Meereswesen angeboten. Ich war dann doch ganz froh, dass diese Seegurken und Schnecken beim Abendessen nicht serviert wurden.
Um unser Flugzeug nach Deutschland zu besteigen mussten wir erst nach Seoul zurückreisen. Neben dem zuerst besucht Kloster in Namyangju, gibt es eine zweite Niederlassung der Benediktiner in Seoul. Die Abtei Waegwan unterhält ein Exerzitienhaus mit Kloster. In einem Bürohaus neben dem Kloster ist der Verlag untergebracht, der auch Partnerverlag von Münsterschwarzach ist. Unser Vier-Türme-Verlag arbeite mit drei weiteren Verlagen zusammen, die zahlreiche unserer Bücher in Lizenz verlegt haben. Auch in Korea sind die Bücher von P. Anselm Grün Bestseller. Das Buch: Exerzitien im Alltag wurde 25000 Mal verkauft. Ich besuchte alle drei Verlage und hatte einen sehr anregenden Gedankenaustausch. Alle drei Verlage leisten herausragende Arbeit, die Probleme aber sind ähnlich. Die Leseneigung lässt nach und die Konkurrenz der neuen Medien machen dem Buchmarkt zu schaffen. Aber alle versuchen mit den Herausforderungen der Zeit zurechtzukommen.
Besonders stark sind die Pauliner Schwestern aufgestellt. 30 Schwestern arbeiten in ihrem Verlag. Sie betreiben ein Tonstudio für Audiobücher und stellen auch animierte Filme zum Bibelunterricht her. Alles geschieht professionell und effizient. Wir haben vereinbart, auch weiterhin eng zusammenzuarbeiten.
Allzu oft reisen Deutsche nicht nach Korea. Auch wir hielten uns nur dienstlich dort auf. Leider blieb keine Zeit für kulturelle Sehenswürdigkeiten. Dabei hat Korea viel zu bieten. In Seoul können Königspaläste, Museen und Tempel besucht werden. Im Inland laden Jahrhunderte alte buddhistische Klosteranlagen und landschaftliche Schönheiten zum Besuch ein. Reisen innerhalb des Landes ist einfach. Die Menschen sind freundlich und der Sicherheitsstandard höher als in Europa. Korea ist eine Reise wert.
Br. Ansgar Stüfe OSB