Was für ein Mist! Und dennoch Weihnacht!
Predigt von P. Maurus Schniertshauer OSB an Weihnachten 2020.
Liebe Brüder und Schwestern.
Weihnachten zu feiern, das ist in diesem Jahr für viele Menschen gar nicht so einfach. Wir hier im Kloster sind da ja in einer privilegierten Stellung. Wir können Weihnachten auch in diesem Jahr fast so feiern, wie wir das seit vielen Jahren gewohnt sind. Wir können es feiern in unserer Gemeinschaft, auch wenn uns die Gäste fehlen, die wir sonst immer über diese Tage in großer Zahl begrüßen dürfen. Wir singen unsere Psalmen und Hymnen, während vielerorts in den Kirchen keine Weihnachtslieder erklingen können.
Weihnachten zu feiern, das ist in diesem Jahr für viele Menschen eine Herausforderung, weil vieles von dem nicht möglich ist, was sonst zu Weihnachten gehört. Und selbst für die, die es gewohnt waren, in den vergangenen Jahren dem Weihnachtstrubel zu entfliehen, indem sie in ferne Länder reisen, ist dieses Schlupfloch nun verstopft – und so leiden fast alle, die Freunde der Weihnacht und die Weihnachtsmuffel!
"Was für ein Mist", denkt sich da mancher! Nun, man kann daran nichts ändern und viele der Beschränkungen, die uns auferlegt sind, müssen ja wohl auch sein! Aber dennoch: "Was für ein Mist"!
Aber vielleicht bietet ja auch all das, was wir als Mist empfinden, nicht nur in diesem Jahr, das uns mit seinen Sorgen und Beschränkungen auf eine harte Probe stellt, sondern auch sonst in unserem Leben, einen Zugang zu dem, was wir an Weihnachten eigentlich feiern.
Man muss nur einmal in Gedanken die Tür zum Stall von Betlehem öffnen und sich fragen, wie riecht es denn da? Die gar nicht so festliche und für verwöhnte Nasen etwas anrüchige, aber wahre Antwort lautet: Es riecht nach Stall und nach Mist! Ich meine, das ist gar nicht so zufällig und das ist nicht nur eine Äußerlichkeit, sondern das hat eine tiefere Bedeutung und will uns auf eine Wahrheit hinweisen, die auch im übertragenen Sinne gilt: Gott wird Mensch, Gott sendet seinen Sohn hinein in diese Welt – und er lässt ihn gerade dort zur Welt kommen, wo nicht lauter Wohlgeruch herrscht, sondern dahin, wo es stinkt!
Wohin will Gott kommen – so fragen wir heute an Weihnachten. Wohin will Gott kommen? Und die Antwort heißt: Er will gerade auch dorthin kommen, wo Menschen sagen, was für ein Mist!
Und obwohl der Heilige Josef ja ganz sicher ein frommer Mann war, ist ihm dieser Satz wahrscheinlich auch durch den Kopf gegangen, als er mit Maria vor den Türen von Betlehem stand, und sich ihm nirgends eine Tür geöffnet hat. Kein Platz für das fleischgewordene Wort, wie es uns das Johannesevangelium heute sagt. Kein Platz für das fleischgewordene Wort, obwohl über die Herbergen damals kein Beherbergungsverbot ausgesprochen war. Die Wünsche von Maria und Josef nach einem passenden Rahmen für die Geburt ihres Kindes haben sich nicht erfüllt! Um ehrlich zu sein, waren die Umstände für dieses erste Weihnachtsfest vor über 2000 Jahren doch eher eine Katastrophe, völlig unweihnachtlich und eine echte Zumutung.
Aber das göttliche Kind hat sich dadurch nicht abhalten lassen, es ist dennoch zur Welt gekommen, hat den Stall nicht verschmäht, hat nicht die Nase gerümpft, hat nicht den Kopf geschüttelt und gesagt: "Nein, danke, unter solchen Umständen kann ich leider nicht in die Welt und zu euch Menschen kommen!"
Und das, liebe Brüder und Schwestern ist der Grund unserer Hoffnung!
Weihnachten zu feiern, bedeutet nicht, dass wir all das Unheil in der Welt einfach für ein paar Tage ausblenden und aus unserem Gesichtskreis verbannen, um heile Welt zu spielen; sondern Weihnachten bedeutet, auch mitten in all dem, was Unheil ist, an den zu glauben und unsere Hoffnung an dem festzumachen, der Mensch geworden ist, damit in dieser unheilen Welt das Licht der Hoffnung nicht erlischt!
Jesus – auf Deutsch: "Gott rettet" oder "Gott ist unsere Hilfe" – das ist der Name des ewigen Wortes, das an Weihnachten Mensch wird, um uns Menschen zu Kindern Gottes zu machen.
Gott hat den Himmel geöffnet und ist in seinem Sohn Mensch geworden, um mitten unter uns Menschen zu wohnen, um uns zu retten und uns zu helfen! Um mitten unter uns Menschen zu sein, nicht nur in den guten Jahren, sondern auch in den schweren und sorgenvollen. Mensch geworden, um unser Leben mit uns zu teilen, nicht nur an den Tagen, an denen alles so ist, wie wir uns das erträumen, sondern auch im mühseligen Alltag und an den Tagen, an denen wir nur allzu deutlich zu spüren bekommen, dass wir unser Leben nicht einfach in der eigenen Hand haben, und an denen vieles nicht so ist, wie wir uns das wünschen würden.
Jesus – "Gott hilft, Gott rettet", das gilt in den glücklichen Zeiten unseres Lebens, aber das gilt auch auf den schwierigen und leidvollen Wegstrecken. Der menschgewordene Gott ist ja schließlich nicht nur ein Festtagsgott, sondern genauso auch der Alltagsgott und der Sorgentags-Gott! "Gott hilft, Gott rettet" – auf aramäisch: Jesus – das ist der Name dessen, der da durch die Tür hereinkommt in diese Welt und im Stall von Betlehem geboren wird. "Gott hilft2 – das heißt: Wir sind nicht allein! Wir sind nicht allein, auch wenn es uns einmal gar nicht weihnachtlich zumute ist!
Liebe Brüder und Schwestern! Was passt zu Weihnachten? Wenn wir Weihnachten hören, dann denken wir an Frieden, an Lichterglanz, an festliche Musik, an das Zusammensein in der Familie, an Geschenke, an Festtagsstimmung. Ganz sicher, all das kann zu Weihnachten gehören. Und wenn es uns geschenkt wird, dürfen wir dafür dankbar sein! Aber es gibt an Weihnachten auch das, was nicht so recht zu Weihnachten zu passen scheint: Dunkelheit und Trauer, Einsamkeit, nicht erfüllte Wünsche, Überforderungen und schwierige oder fast unerträgliche Situationen. Auch das ist Weihnachten!
Und die wahre weihnachtliche Botschaft heißt: Gott rümpft nicht die Nase und zieht an dir und deinem Leben vorbei, sondern er will zu dir kommen, auch dorthin, wo es nicht so angenehm duftet!
Und dann kann man auch mitten in all dem, was Mist ist, spüren und riechen, wie sich der Duft des Stalles ändert. Denn mitten im Stall geht von Gott her ein Licht auf, das die Dunkelheit erhellt. Und wer seine Nase nochmals anstrengt, der kann vielleicht auch spüren: es riecht nach Liebe! Nach Gottes Liebe zu uns Menschen die in Jesus Christus aufstrahlt mitten im Stall
Bitten wir in diesem Jahr, wo diese Weihnachtstage für viele Menschen nicht so fröhlich und freudig sind, dass sich der Himmel öffnet und wenigstens ein kleiner Licht- und Hoffnungsstrahl sichtbar wird.
Ja, möge auch dort, wo Weihnachten nicht so ganz weihnachtlich ist, spürbar werden, dass das Versprechen Gottes, das er uns im Namen seines Sohnes gegeben hat, wahr wird: Jesus – Gott hilft, Gott rettet; Gott lässt uns nicht allein.