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Predigten

Leben finden in Fülle

Predigt von P. Christoph Gerhard OSB am 13. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder!

Keine einfachen Worte, die Jesus seinen Aposteln am Beginn des heutigen Evangelium sagt. Wir hörten einen Teil seiner sogenannten Aussendungsrede, die er im Matthäusevangelium seinen Aposteln hielt. Er spricht zu seinem innersten Zirkel, zu seinen engsten Gefolgsleuten, zu denen, die seine Botschaft in die Welt hinaus tragen sollen und auch werden. Für sie gibt er einen sehr deutlichen Rahmen, zunächst auch hart klingenden Rahmen.

Zuerst sagt Jesus ein dreifaches „ist meiner nicht wert“ und spricht dann vom Verlust des Lebens, wenn man es doch finden will! Gar nicht so der liebe Jesus, der für alles und jeden Verständnis hat. Sondern Worte, „die Kante zeigen“, wie wir es heute gerne von Politikern hören würden, wenn es um entscheidende Fragen geht. Und so ist es auch bei Jesus. Im ersten Teil geht es ans Eingemachte, um die Entscheidung zur Nachfolge, das Ganze und damit um das Leben selbst!

Am Beginn geht es ihm um Blutsbande: „wer Vater, Mutter, Sohn und Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Das klingt schockierend. Es heißt natürlich nicht, dass Familienbande nichts taugen oder keine Rolle spielen für Jesus. Doch es bedeutet klar, dass ich mich als in der Nachfolge Jesus eben nicht von meiner Familie, meiner Abstammung oder meinen Nachkommen her definiere, sondern zu allererst von meiner Gottesbeziehung her. In der Taufe hat mich Gott als sein Kind angenommen und letztlich ist er es, der mein Leben in seiner Hand geborgen hält und das über den Tod hinaus. Jesus hat dies gegenüber seiner eigenen Familie deutlich gemacht: Diejenigen, die den Willen seines Vaters tun, sind ihm Vater, Mutter, Schwester und Bruder.


Es geht Jesus um die Freiheit von uns Menschen, dass wir Gottes Leben führen können und weder unseren Vor- oder Nachfahren über das Irdische hinaus verpflichtet sind. „Seine ganze Hoffnung auf Gott setzen“, das ist nichts für romantische Schwärmer, sondern etwas für Menschen die das ganze Leben für sich wünschen. –

Wenn wir schon bei den Irdischen Grenzen sind, hier hat das Wort von der Aufnahme des eigenen Kreuzes seinen Platz. Überall stoßen wir immer wieder an Grenzen: in uns, mit den anderen und auch mit Gott. In uns, weil wir keine Supermenschen sind. Wir machen unsere Fehler, vielleicht auch schlimme, traumatische Fehler. Wir werden älter, weniger leistungsfähig und irgendwann auch krank und können nicht so, wie wir gerne wollen. Das eigene Kreuz kann einen Menschen hier ganz alltäglich, natürlich und mit voller Wucht treffen!

Aber auch im Zusammenleben mit meinen nächsten, ja doch geliebten Menschen ist es so. Ich werde meinen Brüdern zum Kreuz und umgekehrt werden sie es auch. Besonders schlimm ist es, wenn die Beziehung doch eigentlich gut ist und das Verhalten des anderen so fragwürdig und falsch einem vorkommen kann!

Das schwierigste am eigenen Kreuz kann aber gerade unsere Gottesbeziehung betreffen. So, wie es Jesus selbst erfahren hat am Kreuz, verlassen und verraten von seinen Jüngern, muss er das Schweigen Gottes zu all dem, was ihm geschieht ertragen in der Todesstunde.

Um das eigene Kreuz tragen geht es Jesus, und das sieht bei jedem Menschen ganz individuell aus. Wenn Tragen des eigenen Kreuzes geschieht, dann nicht in einer Sehnsucht nach Leiden sondern in der Leidenschaft für das Leben, weil es untrennbar mit dem Leben verbunden ist. Weil dieses Kreuztragen in aller Begrenzung des Alltages, die Freiräume wieder für das Leben eröffnet. Das Gelingen des Lebens ist nicht der Erfolg strahlender Sieger, sondern die Annehmen seiner selbst, in der Verbindung mit allen, die mit mir das Leben teilen und in der Verbindung mit Gott.

Dann kann wird das geschehen, was Jesus mit dem paradoxen Satz ausdrückt: „wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“ Darum geht es: ums Ganze, um das Leben, dass es gefunden und gelebt wird in seiner Fülle. „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ fragt Benedikt am Anfang seiner Regel. Das geht nur im Glauben und als Glaubender, dass es Gott ist, der mein Leben vollendet und gelingen lässt.
Die negative Alternative dazu werden uns leider von Zeitgenossen vorgeführt: machthungrige Politiker, die krachend scheitern müssen und nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Völker alles verlieren. Oder superreiche Menschen, die immer weiter in die Tiefsee oder in den Weltraum vorstoßen müssen, koste es auch Millionen von Dollar. Nein, so wird das Leben nicht gewonnen, sondern verloren. Wer aber sich in Gott und bei Jesus geborgen weiß, der bekommt sein Leben von ihm her geschenkt.

Das erfahren auch diejenigen, die einen Jünger Jesu oder einen Propheten wie Elischa bei sich aufnehmen: auch sie bekommen das Leben durch diese Menschen geschenkt. Sie finden also nicht nur für sich das Leben, sondern auch für all jene, mit denen sie echte Beziehungen aufbauen können.

Ich wünsche uns für unser Leben die paradoxe Erfahrung des Evangeliums, die uns Jesus im heutigen Evangelium gegeben hat: je mehr ich mich weggebe an Jesus, an Gott und je mehr es mir gelingt mein eigenes Sterben anzunehmen, dass ich mein Leben im tiefsten Sinne wieder gewinne, weil ich von Gott gehalten bin. Amen.