Jesus ist bei Ihnen!
Predigt von Abt Michael Reepen OSB zur Erinnerung an die Feier des Letzten Abendmahls am Gründonnerstag.
Liebe Mitbrüder hier in der Abteikirche, liebe Schwestern und Brüder wo immer sie sind,
wahrscheinlich hat sich bei den meisten von ihnen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein Brauch entwickelt, wo und wie sie die Kar- und Osterliturgie feiern. In der Pfarrkirche, in einer besonderen Kirche oder einer Gemeinde, wo sie sich zuhause fühlen. Oder hier bei uns in Münsterschwarzach.
Anscheinend war es den Jüngern Jesu gar nicht klar, wo sie denn das Abendmahl feiern, denn sie fragen Jesus: "Wo sollen wir das Paschamahl für Dich vorbereiten?" Und Jesus schickt zwei seiner Jünger voraus in die Stadt, wo sie einen bestimmten Menschen treffen, der ihnen ein Obergemach zeigt, in dem schon Sitzpolster für das Essen hergerichtet sind. Ein Raum, anscheinend groß genug für die Zwölf und Jesus. Es scheint ein Nebenraum eines Gasthauses gewesen zu sein; wie drüben im Benediktiner, wo sie auch bewirtet werden konnten.
Auch die frühen Christen haben sich nicht in der Synagoge getroffen, um Mahl zu halten im Gedenken an Jesus, sondern sie trafen sich in ihren Häusern und Wohnungen. Dort haben sie sich an Jesus erinnert, haben gebetet, haben das Dankgebet gesprochen und mit den Worten Jesu das Brot gebrochen: das ist mein Leib der für Euch hingegeben wird… Und ebenso haben sie den Kelch genommen und die Worte Jesu nachgesprochen: Das ist mein Blut, das für Euch vergossen wird – und sie haben es getan zu seinem Gedächtnis. Erst später hat sich dieses Mahl zur Eucharistiefeier entwickelt, wie wir sie heute kennen, in einem Kirchenraum.
Dass heute am Gründonnertag Abend ihre Kirchen draußen geschlossen sind und kein Abendmahlsamt mit den Gläubigen darin stattfindet, ist ein massiver Einbruch – aber eine Botschaft.
Vielleicht, liebe Schwestern und Brüder, führt uns die Krise heraus aus unseren prachtvollen Kirchen, heraus aus den längst zu groß gewordenen Gebäuden die vor der Krise, wenn wir ehrlich sind, ja oft auch schon ziemlich leer waren.
In vielen Kirchen finden keine Gottesdienste mehr statt, manche werden ungenutzt oder auch abgerissen, weil die Gläubigen und auch weil die Priester fehlen. Es scheint so, dass die Krise uns etwas vor Augen führt, was schon eine Realität in unserer Kirche ist.
Papst Franziskus spricht davon dass Jesus von innen an die Kirchentüren klopft und heraus will zu den Menschen. Da, wo sie leben in ihrem Alltag, in Freud und Leid. Führt uns dieser Gründonnerstag 2020 vielleicht zu jener Realität, wo Christus wirklich leibhaftig präsent sein will: nämlich bei den Menschen? Jesus braucht die großen Gebäude nicht, er braucht die Kirchen nicht. Jesus braucht den Menschen, jeden einzelnen Menschen und bei ihnen will er sein.
Ich weiß, dass es viele von ihnen, die sie jetzt über den Livestream im Internet uns beiwohnen, schmerzt, heute nicht in der Kirche sein zu dürfen, dort nicht Gemeinschaft erleben, heute keine Eucharistie empfangen zu können. Vielleicht sollen wir tiefer zur Zusage Jesu geführt werden: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind da bin ich mitten unter ihnen." Es geht um eine Kirche aus Fleisch und Blut, eine Kirche der Menschen.
Vielleicht haben manche von Ihnen das Glück, zu zweit oder zu dritt zuhause zu sein. Wenn sie alleine sind, dürfen sie wissen, Dank der Medien, ich bin verbunden mit den anderen Menschen die jetzt auch um halb 8 in seinem Namen beisammen sind und ER ist auch bei mir.
Sie dürfen sicher sein, dass Jesus mitten unter ihnen ist, nicht weniger bei ihnen zuhause, als jetzt hier bei uns in der Abteikirche. Eigentlich bräuchten sie diesen Gottesdienst und diese Übertragung gar nicht, weil sie wissen dürfen, dass Christus bei ihnen ist, realpräsent!
Sie zu Hause und wir hier erinnern uns an diesen Jesus,was er getan hat und was mit ihm geschehen ist. In dieser Erinnerung wird er selbst gegenwärtig. Wir nehmen Brot und Wein und verbinden uns mit ihm. Wir essen und trinken, wie er damals mit seinen Jüngern gegessen und getrunken hat. Vielleicht essen und trinken sie auch zu Hause, nehmen Brot und Wein zur Erinnerung an dieses Mahl mit Jesus. Er ist mit seiner Liebe auch bei Ihnen gegenwärtig.
Der heilige Augustinus sagt, wenn Du also den Leib Christi verstehen willst, höre den Apostel, der den Gläubigen sagt: "Ihr aber seid der Leib Christi und seine Glieder“. Wenn ihr also Leib Christi und Glieder Christi seid, dann liegt Euer Geheimnis auf dem Tisch des Herrn: Euer Geheimnis empfangt ihr.
Liebe Schwestern und Brüder, wir sind Leib Christi. Und das wird sichtbar in dem Brot das auf dem Tisch liegt. Die Liebe Gottes wird sichtbar im Brot und im Wein, im Leib der sich hingab und im Blut, das für uns vergossen wurde. Und wer kann mich hindern daran zu glauben, dass Christus bei mir gegenwärtig ist?
An der Stelle an der die drei synoptischen Evangelien den Abendmahlsbericht haben, hat der Evangelist Johannes die Fußwaschung, die wir im Evangelium gehört haben. Und die führt uns noch einmal mehr in den Alltag hinein, führt uns noch einmal mehr von Thron der Macht hinab in den Staub der Ohnmacht. Führt uns noch mehr hin zum Mensch sein, zu meinem Mensch sein. Zur Annahme meiner selbst im Schwach sein- und zur Annahme und Liebe aller Menschen, besonders der Schwachen.
Wir als Kirche müssen die Throne verlassen, die Macht hinter uns lassen, das Wissen was richtig und falsch ist und ganz der Barmherzigkeit und der Liebe Raum geben – dort ist Jesus. Ihn finden wir beim Füße waschen. Vielleicht haben wir diese Gebärde der Fußwaschung, diese Realpräsenz vernachlässigt und uns zu sehr auf die Wandlung in der Eucharistie konzentriert?
Wegen der zu großen Nähe können wir leider in diesem Jahr keine Fußwaschung halten. Aber wenn ich jetzt das Wasser in die Schüssel gieße, dann dürfen Sie zuhause und Ihr liebe Mitbrüder Eure Füße hinhalten. Sie Jesus hinhalten, mich hinhalten, mich lieben lassen.
Stellt euch vor Jesus beugt sich zu meinen Füßen, er berührt sie und wäscht mir die Füße. Und trocknet sie ab.
So sollt auch ihr einander die Füße waschen.