Denkt um!
Predigt von P. Placidus Berger OSB am 5. Fastensonntag.
Tut Buße! - Eine nicht gerade einladende Aufforderung. Aber nur auf Deutsch. In der griechischen Ursprache des Neuen Testaments klingt es viel besser: Metanoeite - Denkt um! Viele Verse des NT erklären auch, was das heißt. So z.B. Eph 4,23: "Ihr sollt den alten Menschen mit dem früheren Wandel ablegen und in eurer Gesinnung euch erneuern." Erneuern! Das klingt schon besser.
Einer der ersten großen christlichen Theologen, Klemens von Alexandrien, + um 215, also noch in der Martyrer-Zeit, er nannte es einen "Umbau" und erklärte es als ein Umkrempeln, und zwar sowohl individuell wie gesamt-kirchlich.
Wenn heute ein russischer Priester darüber zu predigen hätte, dann würde er es vielleicht mit einem aus dem Griechischen kommenden russischen Wort sagen - Peristroika. Gorbachov lässt grüßen.
Aber was und warum muss denn umgebaut werden? Der gegenwärtige Papst hat einmal nicht lang nach seiner Wahl gesagt, die Kirche gleiche einem Militär-Lazarett nach einer verlorenen Schlacht. Ein starkes Wort! Vor zwei Jahren hat er dann in einer Neujahrs-Ansprache den römischen Kardinälen und Bischöfen 15 Krankheiten vorgeworfen. Eine deftige Ansprache! Man könnte sie teilweise auf die Gesamtkirche ausdehnen.
Aber in der heutigen Lesung da wird uns mit einem noch kräftigeren Vorschlaghammer auf den Kopf gehauen. Im 37. Kap. des Propheten Ezechiel wird dem Volk gesagt: Ihr seid nicht nur krank, ihr seid sogar seelisch tot. Es wird berichtet von einem Gräberfeld. Diese beiden Vergleiche kann man ohne weiteres auf 80 Prozent der westlichen Christenheit anwenden. Und wenn ich ein paar der tödlichen Krankheiten andeuten soll, dann wären es z.B. der galoppierende Glaubens-Abfall und die Gottvergessenheit.
Kann man denn aus einem Lazarett und einem Friedhof wieder blühende Landschaften machen?- Ja, kann man. Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich es nicht mit solcher Zuversicht sagen. Ich habe schon als Ministrant erlebt, wie damals viele der nationalsozialistischen Propaganda gefolgt sind und die Kirche verlassen haben. Aber als die Bombennächte und die Tiefflieger kamen, und vor allem bei und nach Kriegsende, als man nichts zu essen, zum Heizen, zum Anziehen, ja viele nicht einmal mehr eine Wohnung hatten, da kamen viele wieder gekrochen. Nach dem Krieg ist die Kirche wieder aufgelebt.
Oder wer hätte gedacht, dass in ganz Osteuropa der Kommunismus in so kurzer Zeit zusammenbrechen würde und das Glaubensleben wieder neu aufatmen könnte?
Ja selbst in China habe ich bei fünf Besuchen erlebt, dass nach dem Tod von Mao-tse-dong die Kirche wieder neue Kraft und neue Hoffnung schöpfen konnte. Dort gibt es z.B. keinen Priestermangel. Ich konnte selbst mithelfen bei der Erweiterung eines Priesterseminars, weil so viele Kandidaten ein größeres Haus brauchten. Ganz zu schweigen vom Aufblühen der Kirche in Korea nach dem furchtbaren koreanischen Krieg, ein Aufblühen, das ich 21 Jahre lang selbst mitgestalten durfte.
Liebe Zuhörer!
Im Augenblick hat uns der Herrgott eine spezielle Exerzitien-Zeit eingerichtet. Wir leben so halb wie in einem Exerzitien-Haus: kein Ausgang, Abstand halten, kein Geschwätz beim Kaffee-Klatsch, keine rauschenden Feste feiern. Stattdessen Nachdenken und Träumen, wie eine bessere Zukunft zu gestalten sei.
I have a dream. Ich träume, dass es in Zukunft beim nächsten Konzil so gehe, wie beim 2. Apostelkonzil, als die Apostel die Vollversammlung der Gläubigen einberiefen oder beim epochalen 3. Apostelkonzil, das im 15. Kap. der Apostelgeschichte berichtet wird: "Da beschlossen die Apostel und die Presbyter zusammen mit der ganzen Gemeinde…" So träume ich, dass beim nächsten Konzil wenigstens die Hälfte Männer und Frauen aus dem Laienstand sind. - Die Konzilien der letzten Jahrhunderte waren ja nicht einmal klerikalistisch; denn auch der größte Teil des Klerus war nicht eingeladen. Es waren exklusive Aristokraten-Versammlungen, nur die pezzigrossi, wie die Italiener sagten, die dicken Brocken.
I have a dream, dass irgendwann bei der Papstwahl die Hälfte der Kardinäle Männer und Frauen aus den Laien sind. Dagegen gibt es kein theologisches Argument, es ist eine reine Verwaltungsangelegenheit.
I have a dream, dass bald die Hälfte der Domkapitulare Männer und Frauen aus den Laien sind, damit ihre Visionen nicht mehr so klerikalistisch ausfallen. Auch dagegen gibt es kein theologisches Argument. Es ist eine reine Verwaltungsangelegenheit. Und ich träume auch, dass es bei der Einsetzung eines Bischofs so gehen könnte wie beim hl. Ambrosius. Der war Oberbürgermeister von Mailand und noch nicht einmal getauft. Er war noch Katechumene. Aber er hatte einen so hervorragenden Charakter und verstand sich so gut auf Menschenführung, dass das ganze Volk ihn zum Bischof postulierte. Und er wurde es. Daraus lernen wir, wer mithelfen könnte die Kirche zu erneuern. Nicht Schreihälse und -hälsinnen werden die Kirche renovieren, sondern hervorragende Charaktere.
I have a dream, dass die Menschen wieder Freude am kirchlichen Leben bekommen, wenn es von allen zusammen gestaltet wird. Die Amazonas-Synode wäre ein gutes Beispiel dafür gewesen und auch der Papst hatte deren Beschlüssen heimlich im Herzen zugestimmt, aber die römische Camarilla hat ihm den Mund verschlossen, so dass er nicht zustimmen durfte. Rom braucht Metanoia, Umkrempeln würde Klemens von Alexandrien sagen.
Ich müsste über noch viel mehr Träume reden, allerdings solche, bei denen die Metanoia schwieriger zu erreichen ist. Ich habe nur über die einfacheren Probleme gesprochen. Die Mentalität der Menschen umzukrempeln, ist eine der ganz schwierigen Aufgaben.
Aber zum Schluss habe ich doch noch eine spezielle Hoffnung, dass - wie in der heutigen Ezechiel-Lesung - der Hl. Geist über die kranken Seelen in den Gräbern herfallen und ihnen sagen wird: "Jetzt langt’s!"Er könnte der ganzen Kirche eine neue Peristroika bescheren. Wenn aber der Hl. Geist eingreift, dann gibt es erfahrungsgemäß einen Sturm. Dabei werden einige angstvoll jammern, eine große Menge Volks aber wird freudig zustimmen und jubeln. Amen.