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Predigten

Gerufen für unseren Königsweg

Predigt von P. Zacharias Heyes OSB am Christkönigsfest.

Liebe Schwestern und Brüder!

Erinnern Sie sich noch an den 19. Mai 2018? An diesem Tag heirateten Prinz Harry und Herzogin Meghan in Windsor. Und 3 Milliarden Zuschauer weltweit  saßen vor ihren Bildschirmen und sahen zu. Als 7 Jahre zuvor - am 29.April 2011- in London Prinz William Herzogin Kate heiratete, verfolgten 2 Milliarden Menschen dieses royale Großereignis. Und immerhin damals beeindruckende 750 Millionen Zuschauer weltweit sahen zu als am 29. Juli 1981 in London Prinz Charles und Prinzessin Diana sich das Jawort gaben. 

Was ist das Faszinierende am britischen Königshaus; was ist es, das Menschen bei royalen hochzeiten so zahlreich vor die Fernseher und Bildschirme lockt? Es hat wohl damit zu tun, dass der „König“, die „Königin“ ein Archetyp ist. Diesen Begriff, den der Tiefenpsychologe Carl G. Jung geprägt hat, kann man mit „Ur-Bild“ übersetzen.

Ein solches Urbild bringt eine Qualität zum Ausdruck, die wesentlich zum Menschsein  gehört; die sozusagen jedem Menschen in seine „seelische DNA“ hinein geschrieben ist und die es zu entfalten gilt. Was ist diese Qualität des Königs / der Königin?

Schauen wir in Märchen hinein, so steht der König dort für das Gute. Das Böse wird besiegt und – so heißt es oft am Ende eines Märchens - wenn sie (die Königin und der König) nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Dies ist Ursehnsucht des Menschen: dass das Gute siegt und dass es bleibt. Der Mensch sehnt sich, in Frieden und Gerechtigkeit gut zusammen leben - mit seiner Familie, seinen Nachbarn und Freunden, gemeinsam mit den Mitbürgern im eigenen Land und auf der ganzen Welt.

Wir spüren es in diesen Coronatagen und -wochen, in denen wir eben dieses nicht leben können, keine Gemeinschaft erfahren, nicht mit den Liebsten beieinander sein können. Ich erlebe es hier im Gästehaus, dass gerade geschlossen ist. Wenn ich durch seine leeren Gänge und Räume gehe und in ihm ob der Leere fast schon eine deprimierende Stimmung ist.

Stattdessen erleben wir beunruhigende Bilder des Unfriedens: eine Demonstration in Berlin, in denen Kinder dabei sind und die von der Polizei mit Wasserwerfern aufgelöst wird; Politiker, die im Bundestag von Gästen von Bundestagsabgeordneten hart angegangen werden, weil sie ihr politisches Mandat ausüben – wie in der vergangenen Woche bei der Abstimmung über die Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes geschehen.

Als 1925 das Fest Christkönig in der Kirche eingeführt wurde, da war dies eine Reaktion auf den Unfrieden des 1 Weltkrieges und auf den Zusammenbruch der Königs- und Kaiserhäuser infolge dieses Krieges; wie z.B. in Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland.

Papst Pius XI. wollte den Menschen mit diesem Fest einen Anker der Stabilität geben und ein Gegenbild zu den zerstörerischen Erfahrungen des Krieges: Christus ist der König, der lebt und in Ewigkeit bleibt; und der die Welt in seinen Händen hält.

Wie dieser Christus sein Königtum versteht, hörten wir in der Lesung. Dort hieß es:

"…ich will nach meinen Schafen fragen
und mich um sie kümmern…, die verletzten verbinden,
die schwachen kräftigen,
die fetten und starken behüten.
Ich will ihr Hirt sein…." (EZ 34,11;16)

Im Evangelium wurde uns Ähnliches gesagt: Hungernde sollen gespeist werden, Durstige sollen zu trinken bekommen, Fremde beherbergt werden, Nackte bekleidet und Kranke und Gefangene soll man besuchen. (vgl. Mt 25,31-46) Das zu tun und damit für das Wohlergehen dieser Menschen Sorge zu tragen, ist Auftrag an uns - von IHM, dem ewigen König.

Dazu sind wir Getauften alle gesalbt worden. Taufe ist nicht nur die Taufe auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, sondern auch die Salbung zum König, zur Königin. Bis heute ist dies katholische Tauftheologie. Wenn in der Taufe nach dem Übergießen mit geweihtem Wasser der Täufling mit Chrisam-Öl gesalbt wird, wird er zum König gesalbt. Mit diesem Öl sind bereits im Alten Testament die israelitischen Könige gesalbt worden – zum Zeichen ihrer Erwählung durch Gott und damit ihrer Würde.

Mit der Salbung durch Chrisam-Öl wurde uns ein unauslöschbares Prägemerkmal in die Seele hinein gelegt:

Das Prägemerkmal der königliche Würde, die ausgedrückt wird in der  biblischen Zusage:

"Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!"

Als ich noch an unserer Schule Schulseelsorger und Religionslehrer gewesen bin, bin ich immer wieder mit Schülern in die Schulkapelle gegangen – wenn wir das Thema „Taufe“ im Unterricht besprachen. In diesem Raum habe ich die Schüler in unterschiedlichen Haltungen gehen lassen. Zunächst sollten sie so gehen als wären sie ganz entspannt; dann so als ob sie gehetzt und gestresst sind; und dann bat ich sie, so zu gehen wie ein König oder eine Königin. Ich war jedes Mal aufs Neue überrascht, dass jeder Schüler sofort wusste, was gemeint ist. Alle nahmen einen aufrechten, würdevollen Gang ein. Sie schritten durch den Raum – statt durch ihn zu eilen oder einfach nur zu gehen.

Ein königlicher Mensch geht aufrecht. Er ruht in sich, er muss sich nichts beweisen, nicht um seine Macht kämpfen, nicht mit Anderen in Zwist geraten. Er ist unabhängig von äußerer Anerkennung und damit frei in seinen Entscheidungen und in seinem Handeln - ob es anderen gefällt oder nicht. Wer von anderen abhängig ist, der entscheidet nicht frei.

Jesus hat uns diese Freiheit vorgelebt. Als er in seiner Heimat in Nazareth predigt, da benennt er sein "Programm". Er liest aus dem Buch des Propheten Jesaja, in dem es heißt: " Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe." (Jes  61,1-2)

Mit seinen anschließenden Worten "Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt", bezieht er die Worte des Propheten Jesaja auf sich. Zugleich wirft er seinen eigenen Landsleuten Unglauben vor, weil ein Prophet in seiner eigenen Heimat doch nichts gelte und unterstellt ihnen, dass sie ihm nicht glauben werden.

Die Reaktion der Menschen? -  Sie wollen ihn töten und treiben ihn zum Abhang der Stadt hinaus. Und er? Er – so heißt es - "er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg." (vgl. Lk 4, 16-30)

Ich frage mich: Wie geht jemand und was strahlt einer aus, dass Menschen ihm Platz machen? Eben noch wollten sie ihn töten und eigentlich hatte er keine Chance und jetzt machen sie ihm Platz.

Jesus wird aufrichtig gewesen sein, in sich ruhend und sich seiner Würde und seines Auftrages bewusst – und dieses auch in seiner Körperhaltung zum Ausdruck gebracht haben. 

Wir sind eingeladen, unser Handeln an ihm zu orientieren! Nichts braucht unsere Zeit dringender als königliche Menschen. Menschen, die die zum Wohlergehen aller beitragen, die für den Frieden eintreten und für die Solidarität; die Menschen unabhängig von ihrer Würde achten und respektieren und kein „Wir zuerst“ schreien.

Und um noch mal ihre Erinnerung zu bemühen:

In seiner Predigt bei der Hochzeit von Prinz Harry und Herzogin Meghan nahm der schwarze US-amerikanische Bischof der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten  Michael Curry Bezug auf die schwarzen Sklaven, von denen Meghans Mutter abstammt.

Sie – so sagte er – haben in ihrer Gefangenschaft ein geistliches Lied gesungen. Darin heißt es:

"Es gibt ein Balsam die Verwundeten ganz zu machen.“ Dieses Balsam  so der Bischof war für die Sklaven  die Liebe Jesu. In dem geistlichen Lied heißt es weiter: „Kannst Du nicht predigen wie Petrus und nicht beten wie Paul(us), dann erzählst Du einfach von der Liebe Jesu, wie er starb, um uns alle zu retten. Oh, das ist das Balsam."

Für diesen Liebesweg, der der Lebensweg ist, starb Jesus - so der Bischof. Er opferte sein Leben für das Wohlergehen der anderen, für das Wohlergehen der Welt, für uns.

Michael Curry ist ein schwarzer Bischof, der den Mut hatte, vor Königen, Prinzen und  Prinzessinnen von Sklaven zu sprechen, die königliche Menschen im Herzen waren; die sich selbst ermächtigen, die sich nicht fügen den Sklaventreibern, die lieben wollen, die aufrecht bleiben und sich nicht geschlagen geben, die heilen wollen statt noch mehr Wunden zu schlagen.

Und wer von ihnen damals vor dem Fernseher saß, der erinnert sich vielleicht an manch irritiertes Gesicht unter den versammelten Hoheiten. Wir als versammelte Königinnen und Könige dürfen jetzt das festliche Mahl halten - zur Stärkung für unseren Königsweg, auf den wir gerufen sind!

Amen!