Die Katakomben von heute ...
Predigt von P. Placidus Berger OSB am Christkönigssonntag.
Da man schon in der Zeit der Apostel, also in der Zeit in der die Schriften abgefasst wurden, die wir heute als das NT bezeichnen, da man also damals schon das Gefühl hatte, Jesus sei doch nicht nur der große Religionsgründer gewesen, sondern auch der Herr der ganzen Welt, hat man angefangen ihn auch als König zu bezeichnen. Wohlgemerkt! Um den Römischen Kaiser nicht zu ärgern, hat man ihn nur als König bezeichnet, nicht als Kaiser.
Vorher schon hat Jesus selbst einen Beweis für sein Königsein gebracht, als er auf die Frage des Pilatus ob er ein König sei antwortete: Du sagst es. Er hat dieses Ja-Wort aber gleich darauf in eine höhere spirituelle Dimension gehoben, indem er hinzufügte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
Und dann ist etwas höchst Eigenartiges passiert. Pilatus ließ über dem Kreuz eine Schrifttafel anbringen mit den Worten: „JESUS von Nazareth, König der Juden.“ Niemand weiß, ob er vielleicht gar etwas gespürt hat oder ob er nur den Juden sarkastisch seine Verachtung zeigen wollte.
Jedenfalls muss ich sagen: „Bravo Pilatus, wenigstens einmal im Leben hast du eine Inschrift verfasst, die geschichtsträchtig wurde.“
Und gleich drauf hat er noch ein Bravour-Stückchen präsentiert. Die Juden wollten ja haben, dass er das Wort „König“ abändere. Worauf Pilatus in klassisch-römischer Kürze und Eleganz antwortete: „Quod scripsi, scripsi - Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“
Liebe Zuhörer, ich glaube der Hl. Geist hat mit der Figur des Pilatus dem Teufel ein Schnippchen geschlagen. Denn Pilatus wäre doch der letzte gewesen, bei dem der Teufel eine solche Aussage erwartet hätte. Jedenfalls hat der römische Militär-Gouverneur Pilatus für unsere Geschichtsbücher ein brauchbares Argument geliefert.
Später haben dann die biblischen Schriftsteller ihren Blick auf Jesus noch weiter in unvorstellbare Höhen gerückt. Paulus im Kolosserbrief (1,15ff.), der Prolog des Johannes-Evangeliums und die Apokalypse sprachen von einer Wirklichkeit, welche die Theologen heute nennen: Der kosmische Christus. Ihm sei vom Allerhöchsten die Schöpfung der Welt aufgetragen worden und er halte sie fest in seinen Händen, damit sie nicht in sich selbst zusammenbricht oder auseinanderfliegt, wozu ihm ein unvorstellbares Heer von Milliarden von Engeln zur Verfügung steht.
Hier genügt selbst der Ausdruck „König“ nicht mehr, hier spricht die Theologie von „Pantokrator“ - der Allherrscher im gesamten Universum - über allen Königen und Staatspräsidenten dieser Welt. Mit solchen Vorgaben haben wir in meiner Jugend mit Fahnen und Trompeten zum Christkönigstag rauschende Feste gefeiert. Und ich kann euch sagen, das war phänomenal, wenn hier im Münster fast Tausend Jugendliche in den besten Jahren von 15 bis 25 die glanzvollen Christkönigslieder sangen, dann hatte man das Gefühl, dass dieser ganze Raum mit vibriert und sogar die Kirchenfenster noch mit klirren.
Aber auch diese „Pomp and Circumstance“-Periode dauerte nicht einmal so lang wie die königliche Dynastie des Hauses Davids. Danach hat sich der König Christus mehr und mehr zurückgezogen, und wo findet man ihn dann heute?
Wenn ich als Missionar im Fernen Osten mich in einen vollbesetzten Bus hineinzwängte, um über gefährliche Straßen in einem abgelegenen Bergdorf mit einer kleinen Pfarrgemeinde Gottesdienst zu feiern, dann habe ich mich gefühlt wie ein Vorkämpfer, ein Protagonist des Königs Christus an der vordersten Front. Und wenn bei uns in Deutschland ein Schüler von den Mitschülern gemobbt wird, weil er Ministrant ist und trotzdem dabeibleibt, dann ist auch er ein Vorkämpfer Christi.
Und wenn christliche „Ärzte ohne Grenzen“ sich in gefährliche Gebiete wagen, um dort den Menschen in ihrem Elend zu helfen, dann sind auch sie Vorkämpfer Christi. Und wenn in Südamerika Priester und Laien für die Ausgebeuteten und Geschundenen unter Lebensgefahr für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde kämpfen, dann sind auch sie Elite-Soldaten an der vordersten Front des Königreichs Christ.
Der König Christus versteckt sich heute häufig in Katakomben-Situationen. Wer weiß wie lang? Vielleicht sogar zweihundert Jahre lang - wie schon einmal. Aber wir wissen ja aus der Kirchengeschichte, dass die Kämpfer in den Katakomben - im Untergrund - fast konspirativ - schon einmal ein erstaunliches Reich Christi aufgebaut haben. Und auch heute überzeugen die Kämpfer in den Katakomben und an der vordersten Front mehr als die in den Chef-Etagen und im Kommando-Zentrum in Rom.
Diese alle, die ich erwähnt habe und noch viele, viele andere, die sind heute unsere Hoffnungsträger für eine neue Zukunft der Kirche, wenn Gott selbst sein Haus samt dieser Dynastie renoviert.
Für mich ist es eine absolute Freude, dass wir solche Menschen in der Kirche haben. Wir können stolz auf sie sein - in dem Wissen, dass auch in den Katakomben von heute an einer kraftvolleren Zukunft des Königreichs Christi gebaut wird.
Amen