Der Weg mit Jesus beginnt jetzt
Liebe Brüder und Schwestern!
Das eben gehörte Evangelium führte uns nochmals in den Abendsmahlssaal.
Jesus spricht ganz offen von seinem bevorstehenden Leiden und Sterben. Er weiß, was ihn erwartet und er weiß, wie es um seine Jünger steht. Er kennt ihre Fragen und Zweifel, ihre Angst vor der Zukunft. Er weiß, dass sie ihn noch nicht wirklich verstanden haben, dass sie den Ernst der Stunde vielleicht ahnen, aber „das Warum“ dieser Stunde und ihre Tragweite nicht ermessen können.
Darum tröstet er sie mit den Worten: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren.“
Und wie steht es mit uns selbst?
– Kennen wir das nicht auch: ein verwirrtes Herz?
Es gibt Momente im Leben, da scheint die Welt still zu stehen.
Etwa, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Da gibt es Stunden, in denen wir uns nicht vorzustellen vermögen, wie wir ohne ihn oder sie weiterleben können.
Aber wir kennen noch manch andere Ereignisse in unserem Leben, die unser Herz verwirren. Tiefe Enttäuschungen bleiben wohl keinem von uns erspart. Es gibt das Schicksalhafte, das Unerklärliche in unserem Leben.
Auch da sagt Jesus: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“
Ich lade Sie ein, einen Moment lang die Augen zu schließen und die folgenden Worte vom Kopf ins Herz sinken zu lassen: Jesus spricht Sie ganz persönlich jedem von uns zu:
- Lass dich nicht verwirren.
- Glaub an Gott und glaub an mich.
- Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.
- Ich, Jesus, bereite einen Platz für dich vor.
- Ich werde dich zu mir holen, damit du da bist, wo ich bin.
Es ist das Höchste nachdem wir uns sehnen: Auf ewig bei Gott zu sein. Am Ziel all unserer Sehnsucht und Träume. Aber wie konnten die Jünger das glauben? Können wir es glauben?
Kann Jesus den Weg über den Abgrund hinweg finden, der uns Menschen von Gott trennt? Der baldige Abschied von Jesus hat den Sinn, dass er einen neuen Weg bahnt, auf dem wir mit seiner Hilfe zu Gott gelangen.
Und dieser Weg beginnt jetzt in meiner Gegenwart, nicht erst am Ende meines Lebens. Das Verwirrende für die Jünger ist, dass Jesus zu ihnen sagt: „Und wohin ich gehe, - den Weg dorthin kennt ihr.“
Thomas ist es, der sich zum Wortführer macht, indem er Jesus antwortet: „Herr wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“
Ja, wohin geht ein Sterbender?
Wohin geht dieser Jesus, dessen Leben offensichtlich gescheitert ist?
In die Unterwelt? Ins Nirwana? Ins Nichts?
Man sieht nur einen dunklen Abgrund, wie sollte man etwas von einer Überquerung, einer Brücke wissen?
Jesus antwortet auf die Zweifel seiner Jünger mit dem uns so bekannten Wort: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“
Weg, Wahrheit, Leben – diese drei Worte gehören zusammen.
Jesus selbst ist der Weg zum Vater.
Durch sein Sterben bahnt Jesus einen neuen Weg für alle Menschen, die an ihn glauben. Jesu Sterben ist kein Versinken ins Bodenlose, sondern sein Sterben ist höchste Form des Lebens: „Ich bin das Leben.“
Jesu Sterben bahnt also den Weg zum Vater.
Das alles ist nicht ein Hirngespinst, sondern höchste Wahrheit: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, so sagt Jesus.
Er sagt es uns zum Trost, die wir noch auf dem Weg zum Vater sind.
Woher aber kennt Jesus den Weg zum Vater?
Wie anders kann er sich selbst als Weg bezeichnen, als dass er sich als der Sohn, der vom Vater ausgegangen ist, weiß. Er ist es, der am Herzen des Vaters ruhte und Kunde gebracht hat.
Früher im Johannesevangelium bekräftigt der Evangelist einmal: „Wahrlich, wir reden, was wir wissen und bezeugen, was wir gesehen haben. Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem Menschensohn, der vom Himmel herabgestiegen ist.“ (Joh 3,11.13)
Jesus weiß also, dass er durch sein Leiden und Sterben zu seinem Ursprung, dem himmlischen Vater zurückkehrt. Und so sagt er seinen Jüngern: „Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“ Darauf bittet Philippus: „Herr zeig uns den Vater; das genügt uns.“ Auf diese Bitte antwortet Jesus fast etwas traurig: „So lange bin ich schon bei euch, und du hat mich nicht erkannt Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
Liebe Brüder und Schwestern! Hier rühren wir an Gottes unbegreifliche Größe und an sein innerstes Geheimnis. Jesus, der Sohn, offenbart in seinem Wirken den Vater so sehr, dass er, obwohl er Mensch ist, Gott offenbart. Er offenbart Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Denken wir an die Gleichnisse, die Krankenheilungen, die Fußwaschung im Abendmahlsaal. Jesus sagt also: An mir und meinen Werken könnt ihr ablesen, wie sehr Gott, der Vater, die Menschen liebt.
In dieser Weise ist Jesus der Weg. Wer einen Weg geht, der will zunächst einmal von einem Ort zu einem anderen, von A nach B.
Es gibt aber auch die Erfahrung, dass wenn einer sich auf den Weg macht, im Fortschreiten, im Erfahren des Weges, er selbst ein anderer wird. Viele haben das schon auf einem Pilgerweg, etwa dem nach Santiago de Compostela, erfahren.
Das gleiche gilt im Gehen des eigenen Lebensweges, wenn es nur wach geschieht, in einer Offenheit, die zu lernen bereit ist, hinter dem Vordergründigen des Alltäglichen, dem Schönen und Guten, wie auch dem Schwerem und Mühseligen, Gottes Werben um mein Ja zu ihm, zu erkennen. Immer gilt Jesu Einladung, die er einst den beiden Johannesjüngern aussprach: „Kommt und seht!“ Je mehr und länger ich das Evangelium, das Wort Gottes, meditiere, desto mehr werde ich gewandelt und erkenne Jesus als meinen Weg.
Und vielleicht kann Jesus dann dich und mich auch als lebendigen Stein in das geistige Haus einbauen, das er zum Lobe Gottes errichten will, wie wir es in der Lesung aus dem Petrusbrief (1Petr 2,4-9) gehört haben.
Amen.
Pater Andreas Schugt OSB