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Predigten

Der Rest seid ihr!

Predigt von P. Placidus Berger OSB am 6. Sonntag im Jahreskreis

Der Apostel fragt in der heutigen Lesung: „Wie können einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?“ Diese Frage könnte er heute genauso stellen. 

Wenn wir nicht immer wieder einmal so etwas wie ein Auferstehungserlebnis haben oder wenn uns ein Leben nach dem Tod nicht schon von unseren innersten Aspirationen her wie selbstverständlich erscheint, dann müsste der Apostel heute auch viele selbst von den Katholiken fragen,war um sie so leben als ob mit dem Tod alles aus wäre.

Dies gilt für einzelne Gläubige wie für große kirchliche Gruppen insgesamt, zum Beispiel. die Kirche eines ganzen Landes. Es wäre außerordentlich reizvoll, dies für Einzelmenschen darzustellen. Aber in Anbetracht der gegenwärtigen Situation in der westlichen Kirche, werde ich mich auf diesen Aspekt beschränken.

Kardinal Marx von München hat vor kurzem gesagt, die Kirche sei in einem kata­strophalen Zustand und gehe auf einen Nullpunkt zu. Das heißt ja so etwas wie, dass sie im Sterben liegt.

Die Frage ist: Gibt es daraus eine Auferstehung oder geht alles verloren, so wie in der Kirchengeschichte das Byzantinische Reich trotz seiner tausendjährigen christlichen Vergangenheit wegen der skandalösen Uneinigkeit der Christen an die Türkischen Eroberer und damit an den Islam unwiederbringlich verloren ging? Gleiches gilt von Nordafrika, wo einmal 60 Diözesen am Gestade des Mittelmeeres existierten.

Es gibt aber auch Beispiele einer Auferstehung, und zwar schon im Alten Testament, wie etwa bei der Rückkehrt aus der Babylonischen Gefangenschaft. Die Propheten gerade dieser Periode haben aus solchen Erfahrungen ein Prinzip gemacht und nannten es: Aufgepasst! Jetzt kommt ein Schlüsselwort der Heiligen. Schrift:

Der Rest das heißt: „Gott formt aus dem Rest eines dem Untergang nahen Volkes manchmal ein neues Volk.“ Aus dem Rest! Das ist ein Wort! Wir nennen das die Theologie vom Rest.

Das großartigste Beispiel dafür ist die Entstehung des Christenvolkes im Neuen Testament aus dem Rest des alttestamentlichen Volkes. Es gab aber auch Auferstehungs-Erlebnisse später in der Kirchengeschichte. Ich beschränke mich auf die neueren.

Das 17. und 18. Jahrhundert war die Zeit der Aufklärung und des Rationalismus. Die Kirche wurde als altmodisch, nicht reformierbar und hinterwäldlerisch verhöhnt. Der französiche Philosoph Voltaire rief sogar dazu auf, die Kirche auszurotten. Hass und Verachtung der Kirche prägten den Zeitgeist. Die Gläubigen hatten das Gefühl, es würde nur noch ein Rest übrig bleiben.

Aber um das Jahr 1800 geschah so etwas wie ein Wunder. Im Volk entstand eine Nostalgie für die alten überkommenen Werte. Das mittelalterliche Christliche Abendland wurde wieder wie ein Fels in der Brandung empfunden.

Man fing sogar wieder an, Kirchen im gotischen Stil zu bauen, die man heute noch teilweise bewundern kann. Wie die Morgensonne aus dem Nebel erschien der Geist der Romantik und mit ihr lebte die Kirche wieder auf. Es war wie eine Neugeburt und Auferstehung. Sie dauerte dreißig Jahre lang, eine ganze Generation.

Und als zeitnahes Beispiel:

Die Ältesten unter euch haben wohl genau wie ich in der Nazizeit erlebt, wie der Staat und die Partei versucht haben die Kirche zu zerstören. Viele Christen dachten: „Wenn der Hitler noch länger lebt, wird er die Kirche zerstören“ und traten aus der Kirche aus wie heute. Wir waren ja damals Ministranten und haben es aus der Nähe und in direkter Erfahrung miterlebt. Nach dem Krieg hat man dann erfahren, dass auch eine Menge Priester in den KZs umgebracht wurden.

Am Ende und nach dem Krieg, als man nichts zu essen und zum Heizen hatte und häufig in Kellern wohnen musste, weil die Wohnungen durch Bombenangriffe zerstört waren, da kamen wieder eine ganze Menge bekehrt zurück, bekehrt von ihren falschen Illusionen, die sie sich vorher gemacht hatten. Auch das war ein Auferstehungs-Erlebnis.

Ja, uns wo ist denn nun der Rest, mit dem Gott ein neues Volk aufbauen wird? Der Rest seid ihr! Richtiger gesagt, eure Kinder und Enkel. Die Zeit der Auferstehung ist noch nicht gekommen.

Denn auferstehen kann man erst, wenn man vorher gestorben ist. Wenn, wie der Kardinal in München gesagt hat, „der Nullpunkt erreicht“ ist. Erst dann kann das kommen,
was wir in der Oper „Hänsel und Gretel“ im Schlusschor so wunderbar gesungen hören: „Wenn die Not am höchsten steigt - Gott der Herr die Hand uns reicht.“

Unterdessen solltet ihr froh sein, dass ihr jetzt schon an der künftigen Auferstehung mitwirken könnt. So soll eure Freude geboostert sein. Und es zeichnet sich heute schon ab, was das für eine neue Kirche sein wird. Sie wird nicht so sehr von oben organisiert werden, sondern von unten her wachsen und stark werden.

Ich werde es nicht mehr erleben. Aber wenn ich es dann zusammen mit meinen Gleich­altrigen unter euch von einer höheren Warte aus sehen und miterleben kann, dann werde ich mich freuen und mit euch gemeinsam sagen: Siehst es! Wir haben’s doch gewusst!

Amen