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Predigten

„…dass Er in mich hineinwächst“

Predigt von Pater Fidelis Ruppert OSB beim Gottesdienst am Fest der Taufe des Herrn, 8. Januar 2017, in der Abteikirche Münsterschwarzach

Liebe Schwestern und Brüder,

vorgestern haben wir Erscheinung des Herrn gefeiert, das Aufscheinen seiner Gegenwart im Angesicht der drei Weisen, die die weite Welt repräsentieren.
In der Vesper wurden vorgestern noch zwei weitere Ereignisse erwähnt, bei denen das göttliche Geheimnis des Menschgewordenen aufstrahlte: Die Taufe Jesu im Jordan und das erste Wunder bei der Hochzeit zu Kana.
Im Mittelpunkt des heutigen Sonntags steht deshalb die Taufe Jesu, die auch uns ganz persönlich betrifft.
Wir sind ja auch getauft, ganz persönlich. Deshalb gilt auch uns die Zusage der himmlischen Stimme:
„Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.“
Wir sind also Gotteskinder. Ich bin ein Gotteskind, Sie sind ein Gotteskind.
Bedeutet Ihnen das etwas? Berührt mich das?
Im 1. Johannesbrief 3,1 heißt es: „Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“
D.h. man sagt das nicht nur so, das sind nicht nur Worte, sondern es ist eine Wirklichkeit, eine göttliche Wirklichkeit, die uns ganz durchdringt.
Und Paulus sagt dazu, dass durch die Taufe Christus in mir lebt, dass mein Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Wir sind zuinnerst geprägt von göttlicher Gegenwart. ER selber lebt in uns. Eigentlich eine umwerfende Botschaft, die uns aber meistens gar nicht so bewusst ist.

Mir ist das erst aufgegangen, als ich schon im Kloster war und ich bin immer noch dabei, es immer tiefer zu verstehen. Weil wir als Kinder getauft werden und gar nicht mitbekommen, was da geschieht, müssen wir diese Erfahrung später lebendig werden lassen – durch Erinnerung, am besten eine Erinnerung, die auch konkret wird, leibhaft konkret.
Dazu eine persönliche Erfahrung. Vor einigen Jahren war ich am Fest der Taufe Jesu bei unseren Mitbrüdern in Togo. Sie lieben es, wenn man nicht nur was erzählt, sondern auch eine konkrete Erfahrung damit verbindet. In der Predigt hatte ich darüber gesprochen, dass wir in der Taufe Kinder Gottes werden und dass wir jetzt den Taufritus wiederholen, um uns an unsere göttliche Würde zu erinnern.
Nach der Predigt wurden Schüsseln mit geweihtem Wasser herumgereicht und jeder und jede konnte eine Hand voll Wasser nehmen und sich über den Kopf laufen lassen mit den Worten: Ich bin dein geliebter Sohn, deine geliebte Tochter. Manche ließen auch mehrmals eine Handvoll Wasser über sich laufen, um intensiver spüren zu können.
Es war eine ruhige und sehr gesammelte Atmosphäre. Ich erinnere mich noch an einen kleinen Jungen, der vor mir stand. Ich weiß nicht, was er wirklich verstanden hatte, aber irgendwas muss ihn innerlich bewegt haben, denn plötzlich strahlte er und war ganz bei sich, während das Wasser über sein Gesicht herunter perlte.
Ich sehe ihn noch heute, wie er strahlte.
In den letzten Jahren haben wir öfters mal hier im Gästehaus längere Kurse mit so einer Tauferneuerung abgeschlossen. Es waren immer eindrucksvolle Momente, weil sich die Teilnehmer intensiv mit ihrem Glaubensweg beschäftigt hatten und mit dem Gott, der uns so nahe und so innerlich ist.
Wenn dann ein konkreter Ritus hinzukommt, wenn man sich eine Handvoll Wasser über den Kopf laufen lässt oder auch mehrmals und sich dabei seiner Taufe erinnert, dann kann innen eine Ahnung davon aufgehen, was es heißt:
Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter – weil Christus der Gottessohn selbst in dir lebt.
Wir hatten vorhin zu Beginn des Gottesdienstes auch eine Tauferneuerung. Manchmal trifft uns solch ein Ritus etwas überraschend und unvorbereitet, obwohl in der Einleitung gut darauf hingeführt wurde. Vielleicht bekommen wir auch kaum einen Tropfen Weihwasser ab.
Wem das zu schnell ging oder zu wenig war, der kann sich ja zuhause in aller Ruhe eine Handvoll Wasser über den Kopf laufen lassen, vielleicht auch mehrmals, und sich dabei seiner Gotteskindschaft bewusst werden.
Oder einfach mit Weihwasser langsam ein Kreuzzeichen machen und sich erinnern, dass der Gott, mit dessen Namen ich mich bezeichne, wahrhaftig in mir wohnt.
Je häufiger ich es tue, desto mehr prägt es mich.
Je konkreter, desto besser….
Romano Guardini hat in einem Text zur Adventszeit über das Kommen des Herrn reflektiert. Am Ende sagt er, es sei nicht nur wichtig, dass Gott irgendwie kommt und vor mir stehen bleibt, sondern – so wörtlich –
„dass Gott den letzten Schritt tue, in mich hinein.
Dass er in meinem Geiste, in meinem Herzen ankomme.
Dass Christus in mich eingehe, und ich seiner innewerde.“
Mir kommt dazu der Psalmvers in den Sinn: „Du hast mir in der Seele Kraft geweckt.“ (Ps 138,3) Christus ist diese „Kraft Gottes“, wie Paulus einmal sagt.
Und diese Kraft seiner Gegenwart brauchen wir, um unser Leben zu bestehen.
Im Evangelium heißt es unmittelbar nach der Taufe Jesu:
„Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden.“
Die Erfahrung der Gottessohnschaft, die Erfahrung, dass er engstens mit seinem Vater verbunden ist, hat Jesus die Kraft gegeben, die 40 Tage Wüste und die Attacken des Teufels zu überstehen und all die Kämpfe der folgenden Jahre.

Das ist die Botschaft des heutigen Tages auch an uns:
Durch die Taufe sind wir zuinnerst mit Christus verbunden, damit wir in Seiner Kraft wach und zuversichtlich durchs Leben gehen können.
„Du hast mir in der Seele Kraft geweckt.“

Zum Abschluss noch ein Bild. Der evangelische Theologe Jörg Zink, hat in einem seiner Bücher ein Foto veröffentlicht, das zeigt, wie eine steinerne Christusfigur, die an einer Buche hing, von dieser Buche umwachsen und nach innen genommen wurde, so dass nur noch der Kopf Jesu ein wenig aus der Rinde herausschaut, und eines Tages wird die ganze Figur im Innern des Baumes sein. Man sieht dann den Christus nicht mehr, aber er ist ganz drinnen. Dazu sagt Jörg Zink:
Darf ich mir so das Ziel meines Lebens vorstellen?
Dass Christus in mich einwächst
und nun in mir ist,
und dass dies den Menschen ausmacht,
der ich am Ende bin? – soweit Jörg Zink.
Das Ziel des Lebens also, dass ER immer mehr in mich hineinwächst bzw.
dass mir sein Innesein – sein In-mir-Sein immer mehr bewusst wird,
dass man da äußerlich gar nichts sieht, ich aber innerlich erfüllt und geprägt bin von seiner Gegenwart.
Nochmals Jörg Zink:
Darf ich mir so das Ziel meines Lebens vorstellen?
Dass Christus in mich einwächst
und nun in mir ist,
und dass dies den Menschen ausmacht,
der ich am Ende bin?

P. Fidelis Ruppert OSB