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Mission: Im Einsatz für Hilfesuchende

Zwei Jahre war Br. Remigius Ziemba auf den Philippinen als Missionar auf Zeit. Nun erzählt er, was er erlebt hat - und wie die Benediktiner dort helfen.

Frage: Mit welchen Gefühlen und Erwartungen sind Sie vor zwei Jahren von Münsterschwarzach auf die Philippinen aufgebrochen?

Br. Remigius: Als Abt Michael mich gefragt habe, ob ich mir das vorstellen kann, war ich positiv überrascht und hab gesagt, dass ich das sehr gerne mache. Erwartungen hatte ich vorher tatsächlich keine, ich wollte einfach offen für alles Neue sein – es kommt nämlich oft anders, als man denkt. Ich hatte nur Bedenken wegen der Sprache. Deshalb war ich auch vorher für fünf Monate in unserem Priorat in Schuyler, um mein Englisch zu verbessern. Gerade auch, weil ich ja auf den Philippinen eine Zusatzqualifikation in der Krankenpflege machen sollte.

Frage: Wie sah das aus?

Br. Remigius: Ich habe eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer gemacht, eine staatliche Ausbildung über ein Jahr, die vergleichbar mit einer Ausbildung in Deutschland ist. Die habe ich am San Pedro College in Davao absolviert.

Frage: Wie sind Sie vor Ort von Ihren Mitbrüdern aufgenommen worden?

Br. Remigius: Ich bin in Davao gelandet, das ist eine Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern. Dort haben die Missionsbenediktiner das Studienhaus "Saint Anselm", wo auch Mitbrüder am Priesterseminar studieren. In Digos in unserem Priorat leben 16 Mitbrüder – und ich wurde von allen sehr, sehr herzlich empfangen. Auch insgesamt ist dort eine ganz andere Mentalität, eine Kultur der Freundlichkeit, die über die typische "Anfangsfreundlichkeit" hinausgeht. Das habe ich auch bei meinen Kommilitonen so erlebt.

Frage: Wer hat dort mit Ihnen studiert?

Br. Remigius: Wir waren sehr international. Ich war aber der einzige Europäer. Es gab noch zwei Leute aus den USA, viele aus Vietnam und Indien.

Frage: Und, hat das Englisch gereicht?

Br. Remigius (lacht): Ja, hat es. Ich bin sogar mit der Regionalsprache zurechtgekommen. Nach den ersten Prüfungen haben die Lehrer von Englisch auf die Regionalsprache Cebunao gewechselt und ich musste mich umstellen. Aber ich konnte mich ganz gut an den Fachwörtern orientieren.

Frage: Nachdem Sie ein dreiviertel Jahr auf den Philippinen waren kam Corona …

Br. Remigius: Ich kann mich noch genau daran erinnern. Es war am Donnerstag den 12. März 2020. Wir hatten nachmittags Unterricht und plötzlich hieß es, dass wir "Break" haben. Und ich dachte zunächst, dass es eine längere Pause sei. Dann sind einige heimgegangen und ich habe dann gefragt, was nun los sei. Break hieß dann Cut. Unterbrechung der Ausbildung. Alle Bildungseinrichtungen wurden geschlossen. Eine Woche später wurde der Lockdown verhängt. Bis auf Lebensmittelgeschäfte, Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser war alles geschlossen.

Frage: Also ähnlich wie in Deutschland.

Br. Remigius: Ja, genau. Auch die Straßen waren komplett leer. Das war schon sehr anders. Ich persönlich konnte diese erste Zeit aber bewusster und teilweise schöner erleben. In Saint Anselm waren wir nur zu zweit und haben quasi als Halberemiten gewohnt. Und wir haben natürlich auch mit der Knappheit zu kämpfen gehabt. I m 2. Semester hatten wir ein Krankenhauspraktikum, das begann Ende Januar. Zu diesem Zeitpunkt haben wir schon gemerkt, dass Schutzkleidung knapp wurde. Wir konnten nichts mehr nachkaufen, es war ausverkauft.

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Frage: Sie waren aber auch aktiv und haben vor Ort Coronahilfe organisiert. Wie kam es dazu?

Br. Remigius: Ich habe über Facebook mitbekommen, dass zwei meiner Kommilitonen, Angela und Ramil, am San Pedro College Lebensmittelpakete bekommen hatten. Ich habe ihnen dann geschrieben und nachgefragt, woraufhin sie erzählten, dass sie kein Geld hatten, um sich Essen zu kaufen. So ging es ganz vielen. Es gibt auf den Philippinen keine Kurzarbeit, kein Kurzarbeitergeld oder andere staatliche Hilfen. Viele Menschen standen vor dem Nichts, hatten keine Arbeit, kein Geld. Das war etwa einen Monat nach dem Lockdown, wo ich auch gemerkt habe: Jetzt gibt es Probleme. Das habe ich dann auch in einem Brief an meine Mitbrüder in Münsterschwarzach geschrieben. Daraufhin hat sich P. Noach bei mir gemeldet und gesagt, dass über die Prokura Spenden gesammelt werden können.

Frage: Aber die Spenden müssen ja auch in Hilfe umgesetzt und alles organisiert werden…?

Br. Remigius: Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine Vernetzungsgruppe gebildet, die Hilfesuchende mit Menschen, die helfen können, zusammenbringen wollte. Die wurde von einem meiner ehemaligen Lehrer, Emerson, organisiert, den ich dann auch kontaktiert habe. Damit das Geld auch wirklich denen Zugute kommt, die es brauchen. Die Gruppe bestand schon länger, um Obdachlosen zu helfen. Er meinte dann, dass ich mit dem Geld Reis und Soßen kaufen sollte. Aber die erste Spendensumme waren 2.000 Euro. Das war viel mehr, als er dachte. So viele Lebensmittel konnte ich gar nicht kaufen. So hat dann mein Einsatz in diese Gruppe begonnen.

Frage: Wie ging es dann weiter?

Br. Remigius: Wir sind dann in Lebensmittelgeschäfte gefahren und haben Preise verglichen, um dann ein Lebensmittelpaket zusammenzustellen. Auch, damit wir wussten, wie viele Pakete wir machen können. Wir hatten dann an einem halben Tag im Lager die Sachen zusammengestellt und wollten an der Kasse bezahlen. Das Problem: Die Einkaufsmenge war limitiert. Wie überall. Zum Glück hatten wir jemanden in der Gruppe, der von der Gemeinde ein Zertifikat hatte, dass wir auch mehr kaufen konnten. Mit der ersten Rate haben wir dann 200 Lebensmittelpakete zusammengestellt. Darin enthalten waren 5 Kilogramm Reis, 15 Eier, vier Konservendosen, Zucker, Kaffee und Nudeln.

Frage: Und dann wurden die Pakete verteilt?

Br. Remigius: Natürlich mussten sie zunächst gepackt werden. Wir waren in der Organisationsgruppe dann etwa 30 Leute. Die Verteilung selbst lief über Mundpropaganda. Überall dort, wo wir verteilt haben, also in den Stadtteilen, hatten wir Kontaktpersonen, die dort wohnen. Diese wussten dann auch, wer wirklich in Not ist und dann ein Paket bekommt. Da wurden dann Namenslisten erstellt und die Lebensmittel verteilt. Natürlich mussten auch entsprechend die Routen geplant werden. Pro Tag sind wir drei bis vier Stadtteile angefahren. Das Verteilen als Solches ging dann schnell. Aber die Vorbereitung und Organisation war aufwändig.

Frage: Wie ging es Ihnen dabei?

Br. Remigius: Ich habe von Anfang an eine sehr große Dankbarkeit erlebt, die mich wirklich berührt hat. Das ist unbeschreiblich. Für uns aus Europa ist es selbstverständlich, dreimal am Tag zu Essen. Frühstück, Mittag- und Abendessen. Teilweise sogar dann noch Kaffee und Kuchen am Nachmittag. Auf den Philippinen ist das nicht so. Gerade in Großfamilien, in denen teilweise zehn Personen leben. Die essen teilweise nur eine Mahlzeit am Tag. Das lässt einen nicht kalt. Die Not zu sehen, auch die dauerhafte Not der Menschen. Und gleichzeitig aber auch die Dankbarkeit zu sehen und zu wissen, dass man diesen Menschen wirklich helfen kann. Das war eine Spannung, die man auch erst einmal auszuhalten lernen muss. Diese Hilfe haben wir dann Dank weiterer Spenden fortsetzen können.

Frage: Irgendwann wurde aber auch auf den Philippinnen der Lockdown gelockert?

Br. Remigius: Genau. Richtung Juni, Juli öffneten die Geschäfte langsam wieder. Allerdings bestand nach wie vor ein Ausgangsverbot für alle unter 18 und über 65 – also die durften das Haus nicht verlassen – und die Bildungseinrichtungen waren geschlossen. Wenn man sich dann vorstellt, dass da große Familie, teilweise in mehreren Generationen, Zwei- oder Dreizimmerwohnungen leben … Und dennoch habe ich die Menschen dort immer als entspannt erlebt. Auf den Philippinen heißt es dann: „Bahala na!“. Was auch immer geschieht, das geschieht. Ich selbst konnte meine Ausbildung durch Online-Unterricht abschließen und bin im Juli nach Digos zu unserer dortigen Gemeinschaft gegangen und habe dort mein zweites Jahr verbracht.

Frage: Da kam dann zu Corona noch die Überflutung hinzu …

Br. Remigius: Am 27. Juli 2020 traf Digos eine schlimme Überflutung. Bereits im Dezember 2019 gab es dort ein schweres Erdbeben – die Menschen sind dort, so schlimm es klingt, Naturkatastrophen "gewohnt". P. Noach hat auch dafür einen Spendenaufruf organisiert und wir haben mit den Geldern vor Ort Menschen in Not geholfen. Das ist auch unvorstellbar, wie da die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wurde. Da musste ich jetzt am Wochenende mit unserem Hochwasser hier wieder dran denken.

Frage: Wie war es für Sie, wieder nach Münsterschwarzach zurückzukommen?

Br. Remigius: Ich hatte trotz allem eine gesegnete Zeit auf den Philippinen. Deshalb fiel es mir einerseits schon schwer, nach Deutschland zurückzukommen. Ich wäre auch noch länger geblieben. Man kann wirklich sagen, dass ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge gegangen bin. Und es ist kalt hier (lacht). Aber es ist natürlich auch schön, wieder hier in der Gemeinschaft zu sein und meine Familie wieder zu sehen. Ich merke aber auch, dass ich mich verändert habe durch die Erfahrungen. Manche Themen, die hier meine Mitmenschen beschäftigen, kann ich vor dem Hintergrund, was ich gesehen und erlebt habe, nicht als wirkliche Probleme erkennen. Ich will das nicht kleinreden, aber die Relation ist einfach anders. Aber ich merke auch, dass ich direkt ankommen kann in meine bisherigen Strukturen – auch, weil ich bald wieder komplett auf der Infirmerie arbeite und mich weiter in der Flüchtlingsarbeit engagiere.

Information: Die Gemeinschaft in Digos wurde 1983 gegründet. 1982 wurde Abt Odo Haas aus Münsterschwarzach, zu diesem Zeitpunkt Abt der Abtei Waegwan, auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. mit dem Wiederaufbau eines Klosters in Digos in der philippinischen Provinz Davao del Sur auf der Insel Mindanao ausgesandt. Dort war er als Superior des Konventualpriorats Digos tätig. Aus Münsterschwarzach unterstützte ihn P. Edgar Friedmann ab 1983, der sich um die klösterliche Ausbildung der Gemeinschaft kümmerte und als Professor für Theologie am Priesterseminar in Davao wirkte. Heute zählt die Gemeinschaft 20 Mönche, von denen 15 vor Ort leben und fünf als Missionare im Ausland eingesetzt sind.

Die Corona-Lage auf den Philippinen ist kritisch. Präsident Rodrigo Duterte ergriff von Beginn an drastische Maßnahmen und Beschränkungen, die Presse spricht vom wohl härtesten Lockdown. Das Militär geht gegen Menschen vor, die sich nicht an Maßnahmen halten. So soll es bei Verstoß gegen Ausgangssperren zu Erschießungen gekommen sein. Krankenhäuser mussten teilweise wegen Überlastung geschlossen werden – offizielle Zahlen sind zu hinterfragen. Viele Menschen auf den Philippinen können sich nämlich nicht mal eine Krankenversicherung leisten. Getestet wurde wenig.

Die Corona-Impfungen auf den Philippinen begannen Anfang März. Die Impfkampagne läuft ähnlich wie in Deutschland nach Priorisierungsgruppen. Jedoch sind bis heute erst 3 Prozent der Bevölkerung vollständig und knapp 9 Prozent einfach geimpft. Das hat zum einen mit der Impfstoffknappheit zu tun, zum anderen mit Vertrauen in den Impfstoff. Präsident Duterte verkündete vor knapp drei Wochen im Staatsfernsehen die Konsequenz aus Impfverweigerung: Gefängnis. Denn auch dort steigen durch die Delta-Variante die Zahlen.