Wir sind eins
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir tragen alle die tiefe Sehnsucht nach Ruhe und Frieden in uns.
Doch unsere Realität ist oft – oder meistens eine ganz andere. Wenn wir äußerlich in die Welt schauen, dann scheint doch alles aus den Fugen zu geraten: angefangen vom G20-Gipfel in Hamburg – die Mächtigen, die sich schwer tun, gemeinsame Lösungen für die Herausforderungen der Welt zu finden, Gewalttäter, die an der bloßen Zerstörung ihre Lust zu finden scheinen. Oder schauen wir auf unsere Herzen und unsere Beziehungen: wie oft finden wir uns wieder in Unruhe und im Unfrieden – mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen. Welche alten Lasten tragen wir noch um uns herum?
Natürlich sind wir nicht nur den äußeren Umständen und unseren Stimmungen ausgeliefert. Wir alle haben schon Orte der Ruhe und des Friedens für uns entdeckt: im eigenen Haus oder Zimmer, in der Familie, im Urlaub am Strand, am Meer, in den Bergen, in einer Kirche im Wald oder auf einer Wiese, wo ich aufblühe.
Welche Werkzeuge kenne ich schon, um in die Ruhe und den eigenen Frieden zu kommen?
Halte ich einfach im Alltag mal inne, egal wo ich bin, höre ich eine schöne Musik, mache einen Spaziergang, treibe Sport, nehme ich ein beruhigendes Bad, bete ich, besuche ich einen Gottesdienst, treffe ich mich mit einem Menschen, bei dem ich mich wirklich verstanden fühle? Oder spiele ich mal ganz absichtslos mit Kindern? Vielleicht kennen Sie auch das Werkzeug des Vergebens und Verzeihens: liege ich im Streit und Unfrieden, dann lassen mich Gedanken und Gefühle nicht mehr los. Ruhe und Frieden können sich dann einstellen, wenn ich dem anderen verzeihe und wieder neu anfange.
Auch ein ständiges Urteilen und Verurteilen kann uns den Frieden rauben. Katie Byron hat es einmal so ausgedrückt „Willst Du Recht haben oder glücklich sein?“
Wenn Jesus im Evangelium immer wieder die Pharisäer und Schriftgelehrten kritisiert, dann meint er, dass sie in ihrem Urteilen, Verurteilen und Recht haben wollen, nicht den freien Blick der Liebe haben. Sie sind in ihren Schubladen gefangen. Dieses Denken in Schubladen hindert sie dann auch, den anderen als Ganzes wahrzunehmen, warum er z.B. so geworden ist, wie er ist. Unmündige wie sie heute im Evangelium genannt werden – oder einfach die Kinder – leben nicht in bestimmten Gedankenmustern, sind noch frei und schauen die jeweiligen Situationen absichtslos an. So kommen sie der Wirklichkeit näher.
Unmündige, Kinder – bzw. Menschen in solch einer Haltung der Offenheit und Urteils-Freiheit nehmen die Dinge, Situationen und Personen erst einmal so an, wie sie sind.
Jesus sagt uns im Evangelium, wie wir in eine solche Haltung der Güte, Offenheit und Demut finden können: wir sollen sein Joch, seine Lebensweise auf uns nehmen. Wir sind eingeladen, das Joch, die Last der Liebe zu tragen. D.h. es geht darum, den anderen nicht gleich „aus einer höheren Warte“ oder einem „gelehrten Wissen“ heraus zu verurteilen, sondern ihn mit einem liebevollen und wertschätzenden Blick und Herzen zu sehen und ihn von ihm selbst, seiner Lebensgeschichte, seiner Not und seinen Grenzen her zu verstehen. Wir sind eingeladen, den Blick und das Herz Jesu uns zu eigen zu machen – und nicht den leichten Weg des schnellen Verurteilens einzunehmen. Die Liebe denkt mitfühlend vom anderen her – ohne Urteil – so wie ich ihn im Augenblick wahrnehme. Manchmal ist das vielleicht anstrengend, aber letztendlich ist es leicht.
Ich möchte Sie jetzt einladen, das Folgende, was sie hören, mit dem Herzen eines vertrauenden Kindes zu hören und sich auf zwei Bilder einzulassen. Gehen wir mit diesen Bildern um wie ein Kind, das symbolisch seine Welt spielt und dabei neue Wirklichkeiten schafft. Greifen wir für das Joch, von dem Jesus spricht, das Bild aus der Lesung noch einmal auf. Wir sind eingeladen, das Fohlen zu sein, das den Friedensfürsten trägt (in anderen Zusammenhängen wurden wir von Jesus ja auch schon einmal als Schafe bezeichnet ). Wir tragen als Joch, von dem Jesus spricht, Jesus selbst als den Friedensfürst auf unserem Rücken. Dabei können wir lernen, wie wir in eine dienende Haltung hineinfinden. Wir können uns in allen Lebensfragen direkt an Jesus wenden, der als Friedensfürst und Lebensberater sozusagen immer auf unserem Rücken sitzt. Wir werden dann quasi zu „Christus-Trägern“ und Friedensträgern. Seine Kraft und Lebenshaltung wird so nach und nach auf uns übergehen. Letztendlich will uns Jesus immer mehr seine Liebe schenken und damit in die Nähe des Vaters führen, seines und unseres Abbas, Papas – in die Arme und das Herz unseres Papas, der uns bedingungslos lieb hat! Wenn wir Gott als unseren Papa erfahren, wenn wir uns ganz in seinem liebevoll-mütterlichen Herzen geborgen und angenommen fühlen, dann stellt sich der wahre und eigentliche Friede ein.
Ich möchte Ihnen/Euch noch ein zweites Bild anbieten und dies auch mit dem Herzen eines Kindes zu hören, das noch in allen von uns lebendig ist: Wir lassen Jesus als König des Friedens in unseren Tempel des Herzens hineinreiten und darin Wohnung nehmen. Lassen wir mit ihm Gott in unseren Herzen wohnen. Und sprechen wir in der Tradition der Wüstenväter in einem wiederholenden Gebet, wie aus einem kindlichen Herzen, immer wieder: „Komm in mich. Wirk durch mich. Lass mich Dich erkennen – und selbst zum Friedensbringer werden. Ich bin Dein Kind. Du bist mein Papa. Wir sind eins.“ Wiederholen wir dies mit einem kindlichen Herzen: „Ich bin Dein Kind. Du bist mein Papa. Wir sind eins. Danke!“ Amen.
Pater Jesaja Langenbacher OSB