Versuchungen heute
Predigt von P. Martin Birk OSB am 1. Fastensonntag.
Versuchungen – lauern auch in unseren Tagen. Ja, liebe Schwestern und Brüder, Satan ist schlau und verlogen genug geblieben, um sich in heutigen Zeiten an uns heranzumachen. Er will dasselbe probieren, was er schon bei Jesus versucht hat: uns von dem steinigen Weg zu Gott abzubringen.
Damals hat er ja großmundige Versprechungen gemacht: "All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben." Natürlich war das schon zu der Zeit gelogen. Jesus ließ sich nicht täuschen. Und wir heute? Die böse Macht versucht es ja auch bei uns mit ihren Verführungskünsten.
Einige davon möchte nennen und als Vorwürfe an Menschen formulieren; ausnahmsweise an Leute, die nicht anwesend sind. Aber vielleicht können Sie darin das eine und andere aus Ihrem eigenen Leben erkennen.
Ihr habt uns hinters Licht geführt! Ihr habt gesagt: "Macht euch frei von allem religiösen Glauben und von dem Zwang, den die Kirche ausübt" – und jetzt wissen wir nicht mehr um den Sinn unseres Lebens.
Ihr habt uns ermutigt: "Laßt alle moralischen Vorschriften hinter euch!" – und jetzt können wir nicht mehr unterscheiden, was gut und was böse ist.
Ihr habt behauptet: "Alle Traditionen sind altmodisch und sollten abgeschafft werden" – und nun können wir keine Kraft mehr schöpfen aus unseren Wurzeln.
Manche Massenmedien haben den Menschen die Ehrfurcht vor dem Heiligen genommen und mit Gift und Galle jeden Respekt zerstört – und nun wundert ihr euch, wenn nur noch das Recht des Stärkeren gilt und viele immer rücksichtsloser und aggressiver werden.
Ihr habt die Riten der Kirche verächtlich und lächerlich gemacht – und jetzt sucht ihr verzweifelt nach einem Halt.
Ihr habt uns grenzenlose Freiheit versprochen – nun sind wir grenzenlos geworden und wissen weder Richtung noch Weg.
Ihr habt uns in dieser Freiheit alle Möglichkeiten verheißen – doch jetzt haben wir Angst, auch nur eine davon zu verpassen.
Ihr habt uns aufgefordert: "Verwirklicht euch selbst!" – und wir sind in Bindungsangst gelandet und in de Unfähigkeit zu lieben.
Ihr habt gelockt: "Führt doch euer eigenes Leben!" - und dabei sind wir unendlich einsam geworden. -
Ihr habt uns eingeredet: "Du mußt vor allem das tun, was dich glücklich macht!" – stattdessen wurden wir zu egoistischen Kindern und todunglücklich.
Ihr habt versprochen: "Alles ist machbar." – so habt ihr unsere Anspruchshaltung ins Unermeßliche wachsen lassen.
Ihr habt uns eingeredet: "Hauptsache gesund! Gesundheit ist alles! Mit den Produkten unserer Industrie bleibt ihr jung und könnt lange leben" – und jetzt erwarten wir (unrealistisch): "Es darf kein Leid und keinen Schmerz mehr geben."
Ihr wolltet uns weismachen: "Mein Bauch gehört mir; ist darin ein Klumpen Fleisch zu viel, kann ich ihn ja wegmachen lassen." - Aber dann wolltet ihr nichts wissen von den Schuldgefühlen und Nöten derjenigen, die später zu anderer Einsicht kamen. -
Die Werbung hat uns verlockt: "Je mehr ihr euch kaufen und leisten könnt, desto glücklicher seid ihr" - doch es geht ja nur darum, unersättliche Gier zu wecken und Profit zu machen.
Manche Politiker säuselten: "Wir planen alles für euch, dann geht es jedem gut" – und verstärkten damit kindliche und kindische Erwartungshaltungen.
Manche forderten: "Freiheit für Wandel und Handel!" – und stürzten damit Zehntausende in Not und Elend.
Ihr habt das wirtschaftliche Leben und das Kräftespiel der Märkte von jeder Rücksicht auf den Menschen befreit – und nun könnt ihr immer mehr an euch raffen und euren Blick davor verschließen, daß eine stets größere Zahl von Mitbürgern zusehends verarmen.
Einige bestanden darauf: "Sicherheit vor Terroristen!" – und wollen den gläsernen Bürger, von dem sie alles wissen und den sie damit manipulieren und ausbeuten können.
Vor den Wahlen habt ihr versprochen: "Wir machen alles besser!" – aber nachher habt ihr nichts Wichtigeres zu tun gehabt als die fetten Posten an eure Parteigenossen zu verschachern.
Ihr habt feierlich gelobt, euch um uns zu kümmern und für uns zu sorgen – doch in Wirklichkeit habt ihr uns an die Hochfinanz und Großindustrie verkauft, uns den Verlockungen der Konzerne überlassen.
"Und führe uns nicht in Versuchung" hat Jesus uns zu beten gelehrt. Er wußte, wovon Er sprach.
Möge in der Stunde der Erprobung Sein Heiliger Geist uns stärken.