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Predigten

Sich anrühren lassen vom Geist Gottes

Predigt von P. Andreas Schugt OSB an Pfingsten.

Liebe Schwestern und Brüder!

Gerne möchte ich die Predigt  mit einem Zitat beginnen. Es lautet:

"Der Heilige Geist ist der Atem der Schöpfung.
Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte,
so und noch viel intensiver und dichter und näher
rührt der Geist Gottes den Menschen an
und bringt ihn zu sich selbst und über sich hinaus."

So beginnt der Jesuit Alfred Delp seine Betrachtung über die Pfingstsequenz, dem "Veni Sancte Spiritus", dem "Komm, Heiliger Geist". Unsere Gemeinschaft hörte in den letzten Tagen vor Pfingsten in der morgendlichen Vigil-Lesung jeweils einen kleinen Abschnitt aus dieser Betrachtung.

Wenn wir einen solchen Text lesen oder hören, können wir ihn nicht wie irgendeinen beliebigen frommen theologischen Text zur Kenntnis nehmen.

Alfred Delp schrieb diesen Text nämlich mit gefesselten Händen in seiner Berliner Gefängniszelle im Januar 1945, nach seiner Verurteilung durch die Nazis wegen angeblichen Hochverrats. Der Schuldspruch erfolgte am 11. Januar. Üblicherweise wurde die Hinrichtung am gleichen Tag vollzogen. Delps Hinrichtung erfolgte aus unbekannten Gründen erst am 2. Februar, dem Fest Darstellung des Herrn, damals dem Ende des Weihnachtsfestkreises.

Wir lesen also diese Pfingstbetrachtung, wie auch die übrigen Texte aus Delps Gefangenschaft, Texte, die also seit Ende Juli `44 entstanden, vor diesem Hintergrund. Das, was dort ins Wort kommt, ist ganz und gar durchlebter Glaube, ist Zeugnis einer existenziellen Erfahrung:

"Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte,
so und noch viel intensiver und dichter und näher
rührt der Geist Gottes den Menschen an
und bringt ihn zu sich selbst und über sich hinaus."

Alfred Delps Schicksal, und das so vieler anderer aus diesen Jahren, kann uns betroffen machen. Aber bleiben wir bei dieser Betroffenheit nicht stehen. Delp erfährt in der äußersten Notzeit seines Lebens, dort, wo alle menschliche Hoffnung zerbricht, das Gnadenwirken Gottes. Delp schreibt:

"In uns selbst strömen die Quellen des Heiles und der Heilung. Gott ist als ein Brunnen in uns, zu dem wir zu Gast und Einkehr geladen sind. Diese inneren Quellen müssen wir finden und immer wieder strömen lassen in das Land unseres Lebens. ... Von innen her wird uns die Kraft und die geistige Sicherheit und Überlegenheit kommen. Wie oft habe ich das erfahren und Hetze und Gejagtheit dieser Monate, unter der Last und Übermacht: dass auf einmal die Frische und die Kraft von innen her aufgehen als morgendliche Sonne und die Ruhe des gebändigten Sturmes und der gemeisterten Mühe die Landschaft der Seele erfüllt."

Liebe Schwestern und Brüder! Die Corona-Krise hat, wie wir wissen, viele Menschen, von heute auf morgen, an kaum aushaltbare Grenzen gebracht. Auch wenn wir hier in Deutschland, im Vergleich zu anderen Ländern, dankbar für den bisherigen Verlauf der Pandemie sein müssen, so sind doch nicht wenige Menschen in große Notlagen geraten. Und nicht alles, was in der Folge aus dem Lot geriet, wird man mit Geld und Konjunkturpaketen wieder gut machen können. Wir erfahren eine große Unsicherheit, ein Tasten und Fragen nach den jetzt richtigen und angemessenen Maßnahmen. Unser Lebensgefühl, alles im Griff haben zu können, ist ins Wanken gekommen.

Und vielleicht ist das gar nicht mal so schlecht. Vielleicht hilft uns diese Krise nach neuen Antworten für die großen Fragen unserer Zeit zu suchen. Und, vielleicht macht sie uns auch wieder ein wenig demütiger und hellsichtiger im Umgang mit anderen Menschen und mit  unserer Schöpfung. Dieser kleine Virus führt uns vor Augen, dass wir alle in einem Boot sitzen.

Es ist auch interessant und geradezu erschütternd zu sehen, wie verschieden die führenden Politiker, und auch Einzelne in unserer Umgebung, auf die entstandene Herausforderung reagieren. Wenn wir auf die vielen Menschen sehen, die sich in dieser Krise selbstlos für die Kranken und Bedürftigen eingesetzt haben, ist das doch wie eine Illustration von Alfred Delps einleitenden Satz seiner Pfingstbetrachtung:

"Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte, so und noch viel intensiver und dichter und näher rührt der Geist Gottes den Menschen an und bringt ihn zu sich selbst und über sich hinaus."

Der Mensch ist zu vielem fähig, er kann über sich hinauswachsen, weil Gottes Geist in ihm und mit ihm zusammen im Guten fruchtbar wird. Freilich gilt es immer wieder, dass wir uns für das Wirken dieses Geistes öffnen, sonst laufen wir Gefahr, in unserer Schwäche und Verführbarkeit zu versagen.

Der Glaube sagt uns, und die eigene religiöse Erfahrung bestätigt es, dass Gott immer und überall gegenwärtig ist. Dieses Wissen ist das Pfund, mit dem wir wuchern müssen. Es ist der Schatz, der uns hilft, nicht am Vordergründigen hängen zu bleiben und tiefer zu schauen.

Schließen möchte ich nochmals mit einem längeren Zitat aus der Pfingstbetrachtung Delps.

Zum Vers der Sequenz "Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund, schreibt er, dass damit gemeint sei: "Dass Gott sich zu spüren gibt als lebendige Wirklichkeit, die beglückend überfließt und einströmt. Es gibt Tage im Sommer, in denen das Licht uns als spürbarer Segen umgibt. Etwa auf einer Waldwiese oder mitten in einem reifenden Kornfeld oder auf einem See. Das Empfinden des Menschen öffnet und weitet sich, er weiß sich eins mit der Kreatur um ihn herum und erfährt eine beglückende Ahnung, von den reifenden und heilenden und segnenden Kräften, die im Kosmos geborgen sind. Und die nur der offene und ehrfürchtige und behutsame Mensch erfährt. Das ist Ahnung und schwaches Abbild der Gotteserfahrung der lux beatissima (dem seligen Licht). Dass es Stunden gibt, in denen der Herrgott wie zärtliche Wogen des Glücks seinen Menschen umgibt, umströmt, in ihn einströmt und ihn durchfließt, in denen der Mensch sich wirklich einbezogen weiß in den seligen Lebensstrom der Gottheit. ... Und von diesen Stunden kann man leben, viele Wüstentage hindurch und viele Wüstennächte, weil das Dasein, dem dieses geschenkt wurde, das stille Lächeln Gottes in allen Dingen und Zuständen und Verhältnissen sieht."

Möge der Geist Gottes uns dies immer wieder schenken!

Amen.