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Predigten

Lebendig wie Jesus – in Stille und Trubel

Predigt von Pater Fidelis Ruppert OSB am Sonntag, 4. Februar, in der Abteikirche Münsterschwarzach zu Markus 1,29-39 (5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B)

„Liebe Schwestern und Brüder!

Es war vernünftig, was Jesus da getan hat. Nach einem anstrengenden Tag, der bis tief in die Nacht hineinging, hat er sich zurückgezogen an einen einsamen Ort. Allerdings haben sie ihn dort nicht in Ruhe gelassen und gleich wieder aufgespürt. So was kennen wir ja auch. Aber er ging dann mit ihnen, ohne sich zu beschweren.

Wir lesen öfters, dass sich Jesus in die Stille zurückzog. Meistens nachts, oft auf einen Berg, wo er wirklich allein war. Er brauchte diese Stille zum Gespräch mit dem Vater; besonders eindrucksvoll ist jenes Erlebnis, als auf dem Tabor die Stimme des Vaters ertönte und zu ihm sagte: „Du, mein geliebter Sohn.“

Die Einsamkeit Jesu war aber nicht immer so beschaulich. Als er 40 Tage in der Wüste war, wo ja wirklich sonst nichts zu sein scheint, da hat ihn der Teufel angesprungen. Das war gefährlich und hätte ihn die Berufung kosten können. Es ging gut und er kam stärker aus diesem einsamen Kampf zurück.

Ein anderer einsamer Ort, wohin er sich gerne zurückzog, war der Garten von Gethsemani. Als er das letzte Mal dort war, stand seine Sendung wieder auf Spitze und Knopf. Soll er sich auf das Äußerste einlassen oder nicht?! Vor Angst schwitzt er Blut. Der einsame Ort wird zum Kampfplatz extremer innerer Auseinandersetzung.

Aber auch jetzt wieder kam er mit erneuerter Kraft aus diesem einsamen Kampf heraus und konnte ruhig und unbeirrt den brutalen Weg des Kreuzes gehen.
Die Einsamkeit kann wie ein still fließender Quell neuer Kraft sein, aber auch ein Schauplatz, wo sich in inneren Kämpfen ein neuer Weg auftun will.
Wer sich also im Trubel des Alltags nach einem ruhigen Ort sehnt, muss wissen, dass ihn Beides erwarten kann.

Aber es ist ja auch nicht so, als ob das Tätig-Sein in dieser Welt immer nur ermüdet, so dass man sich ständig nach Ruhe und Erholung sehnen muss. Jesus war offenbar gern unter den Menschen und er lebte auf, wenn er bei ihnen war.
Als einmal während einer Ruhepause Mütter mit ihren Kindern zu ihm kommen möchten, und die Apostel sie wegschicken wollen, ruft sie Jesus zu sich. Vielleicht ist er dann durch die Lebhaftigkeit dieser Kinder, mehr wieder aufgelebt, als durch eine längere Mittagspause.
Oder wenn Jesus merkte, dass bei seinen Wanderpredigten die Menschen wirklich zuhörten, ihnen das Herz aufging, da ging auch ihm das Herz auf, dass er keine Müdigkeit spürte.
Oder während des Festmahls beim Oberzöllner Zachäus war es bestimmt laut und aufregend, aber ich stelle mir vor, dass Jesus auflebte, als er sah, wie da bei so vielen schrägen Typen, die abfällig als Zöllner und Sünder bezeichnet werden, das Herz aufgeht für seine Botschaft, und diese Außenseiter auf den Weg der Umkehr kommen.

Die göttliche Kraft, die im stillen Gespräch Jesu mit seinem Vater aufsprudelte, fließt jetzt über auf seine Zuhörer – als eine Kraft, die sie aufweckt und verwandelt. Und darum ist es nicht verwunderlich, was am Ende des heutigen Evangelientextes steht, dass Jesus sich gedrängt fühlte, sofort an andere Orte und zu anderen Menschen weiterzugehen, nicht irgendwo hängen zu bleiben.
Und wir kennen das ja auch aus unserer eigenen Erfahrung, dass Aktivität nicht einfach nur Stress ist und müde macht, sondern dass wir bei manchen Aufgaben regelrecht aufleben und ungeahnte Kräfte aufbrechen.

Das meint auch ein neuer Buchtitel von Pater Anselm, Leben – nicht nur am Wochenende. Wie Arbeit lebendig macht. Das ist jetzt keine Reklame für Pater Anselm, aber es passt einfach gut: Arbeit kann uns nicht nur müde, sondern auch lebendiger machen.

Das gilt auch für den Umgang mit Menschen; der kann aufreibend und zermürbend sein, aber wie oft sind wir auch schon aufgelebt beim Zusammensein mit anderen Menschen! Oft leben wir geradezu davon.
Es gibt ein Wort von Dietrich Bonhoeffer, das diese Wahrheit noch mehr auf den Punkt bringt: „Der Christus im Anderen ist immer stärker als der in der eigenen Seele.“ Er hat offensichtlich in der Begegnung mit anderen Menschen stärkere Momente der Gottesgegenwart erlebt, als beim frommen Allein-Sein.

Es ist also bei Jesus so, und wir kennen das auch: dass wir sowohl in unseren vielen Aktivitäten, aber auch in stiller Zurückgezogenheit in allerhand Probleme geraten können,
dass wir aber auch überall dort zu unserer inneren Mitte, zur Quelle unseres Lebens finden können.
Jeder Ort und jede nur denkbare Situation hat eine geistliche Chance,
in jeder nur denkbaren Situation ist Berührung mit Gott möglich ist, Berührung mit Jesus, Berührung mit der inneren Quelle unserer Kraft.

Wer will, kann das jetzt mal ganz konkret ausprobieren.
Wir könnten uns z.B. vornehmen, heute mal richtig neugierig zu sein,
einfach mal ganz neugierig zu uns selber sagen:
Ich bin mal gespannt, wo ER mir heute überall begegnet –
wenn ich so ganz bei mir und allein bin
oder bei irgendeiner Aktivität mit anderen
oder gar mitten in einem Durcheinander…..

Überall könnte ich IHM begegnen. – Will ich das auch? – Bin ich wach genug?
Dann wird jedes Mal wirklich Sonntag
wirklich Tag des Herrn – Tag der Auferstehung – hier und jetzt! Amen.“

Pater Fidelis Ruppert OSB