Kommt und esst!
Predigt von P. Fidelis Ruppert am 3. Ostersonntag zu Joh 21,1-14
Schwestern und Brüder,
im Mittelpunkt des Evangeliums steht der reiche Fischfang. Heute aber möchte ich den Blick auf ein Nebenthema lenken, nämlich auf das Essen. Im Text ist mehrmals vom Essen die Rede. Nachdem sie die ganze Nacht vergeblich gefischt hatten, stand Jesus – als noch Unbekannter – am Ufer und sagte: „Meine Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Es klingt, als ob er selber Hunger hätte. Dann schickt er sie nochmals hinaus zum Fischen. Diesmal mit Erfolg.
Als sie zurückkommen, sehen sie, dass dieser Fremde ein Feuer angemacht hat und über den Flammen Brot und Fisch zum Rösten liegen. Trotzdem sagt er: „Bringt von den Fischen, die ihr gefangen habt!“ Ihre Fische sind auch wichtig. Dann die Einladung: „Kommt und esst!“ Und er teilt aus: Brot und Fisch vom Kohlenfeuer. Jetzt ist klar: ER ist es.
Ähnlich war es in Emmaus: Beim Essen bricht er Brot auseinander – und es klickt bei den Jüngern: ER ist es! Das Herz hatte schon vorher gebrannt. Ähnlich sagt Petrus in seiner Pfingstpredigt: Wir haben auch nach seiner Auferstehung mit ihm gegessen und getrunken. (Apg. 10,41; auch Mk 16,14)
Es muss nicht verwundern, dass sich der Auferstandene beim Essen offenbart. Während seines öffentlichen Wirkens war er ja oft zum Essen eingeladen, so dass die Gegner sogar spotteten, er sei ein Säufer und Fresser. Diese Gastmähler mit vielen, oft einflussreichen Menschen nützte Jesus als Bühne, als Orte, wo er zentrale Elemente seiner Botschaft verkündet hat.
Als eine Frau mit ihren Tränen seine Füße gewaschen und geküsst hatte, sagte er zur Überraschung der Tischgesellschaft: „Diese Frau, die ihr alle verachtet, hat viel geliebt, drum wird ihr viel vergeben.“ Nicht die Sünde steht im Mittelpunkt, sondern die Liebe. Und es folgt für alle Gäste eine lange Belehrung über Schuld, Vergebung und Liebe. (Luk 7,36-50)
Und als der Zöllner Levi Jesus zum Essen einlädt und die frommen Pharisäer die Nase rümpfen, weil er – wie sie sagen – mit Zöllnern und Sündern isst, sagt er: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte rufen, sondern Sünder. (Luk 5,27-32)
Man könnte noch die Geschichte vom Oberzöllner Zachäus (Luk 19,1-10) anfügen oder Maria und Martha und einige andere Gastmähler. Immer nützt er die Gelegenheit, die Botschaft von Liebe und Barmherzigkeit zu verkünden. Höhepunkt ist dann das Letzte Abendmahl, wo er beim Austeilen von Brot und Wein die äußerste Botschaft verkündet: „Ich gebe mein Leben für euch.“ Beim Essen sagt er so etwas! „Ich gebe mein Leben für euch.“
Und in der Geste der Fußwaschung erteilt er allen, die ihm folgen wollen, den gleichen Auftrag: das Leben zu geben für andere – sich niemals zu gut zu sein, anderen die Füße zu waschen, egal wie schmutzig sie sind.
Man könnte also sagen: Gemeinsames Essen als Ort der Offenbarung von Barmherzigkeit und Liebe, gemeinsames Essen als Ort, wo der Auferstandene persönlich gegenwärtig wird. Kein Wunder, dass das eucharistische Mahl eine so zentrale Rolle spielt; es war anfangs über viele Jahre hin verbunden mit einem richtigen gemeinsamen Essen.
Diese Mahlfeier war in der frühen Kirche nur am Tag des Herrn, unserem Sonntag, damals ein normaler Arbeitstag, aber heiliger Tag der Auferstehung. Eucharistie erinnerte dann nicht nur an den Auferstandenen, sondern der Auferstandene ist jetzt persönlich gegenwärtig, so gegenwärtig wie am Tisch in Emmaus, wie beim Kohlenfeuer am See oder als die Frau ihm die Füße wusch.
Im Laufe der Tradition hat sich dann der Brauch entwickelt, die Gegenwart des Auferstandenen von der Eucharistiefeier wieder an den normalen alltäglichen Tisch zurückzubringen. Jedes Essen, jedes gemeinsame Essen kann Erinnerung sein und die Kraft der Eucharistie gegenwärtig setzen.
An einer Wand in unserem Gästehaus, die vor dem Umbau die Rückwand des Speisesaales war, steht der Spruch: Wer kann da Wein anschaun und es nicht gedenken – wer kann da Korn anschaun, und es nicht gedenken, welch edle Speis es ist! Die Speisen auf dem Tisch sollen die Erinnerung an die Eucharistie wachrufen und an die Gegenwart des Auferstandenen – jetzt hier beim Essen.
In diesem Sinn lautet auch eines der kürzesten Tischgebete: Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Da wird es ganz konkret. „Sei unser Gast, setz dich her zu uns!“
Dazu gab es auch die Tradition, bei Tisch einen Stuhl leer zu lassen, ein leerer Stuhl für den Auferstandenen als Gast. Dann ist Er so konkret und nahe dabei wie damals am Tisch in Emmaus, wie beim Kohlenfeuer am See – wie bei der Frau, die seine Füße küsst.
Diese Gegenwart des Auferstandenen brauchen wir in unseren Tagen ganz besonders, wo sich so viel Tod und gewalttätige Vernichtung vor unseren Augen abspielt und noch lange kein Ende in Sicht ist. Da genügt es nicht, an die Auferstehung zu glauben – damals im Garten –, entscheidend ist, ob wir glauben – und erfahren –, dass der Auferstandene in unserer Mitte ist, dass er jetzt neben mir steht, neben Ihnen sitzt….
Andernfalls nützt uns seine Auferstehung nichts, sie wäre nur Geschichte, nicht Gegenwart, nicht Lebensquell. Roger Schutz sagte einmal zu jungen Menschen: „Seid fest überzeugt, dass der Auferstandene immer neben euch steht und überallhin mitgeht.“
Auch dieser Gottesdienst jetzt hat nur einen Sinn, weil der Auferstandene unter uns ist – ganz nahe bei mir – ganz nahe bei dir raumfüllend und doch jedem und jeder ganz nahe.
Und dass er dann mitgeht in unser Emmaus – überall, wo wir sind, allein oder miteinander – aber immer in Seiner österlichen Gegenwart.