Skip to main content

Predigten

"Kirche sind wir Gläubige"

Predigt von P. Dominikus Trautner OSB am Kirchweihfest der Abtei Münsterschwarzach

Liebe Jubilare, liebe Festgemeinde!

Wenn Gäste unsere Kirche, betreten, sind sie zunächst einmal überwältigt von der Größe und von den Ausmaßen unseres Münsters. Gleichzeitig laden die klaren und einfachen Strukturen zur inneren Ruhe und Stille ein. Bei schönem Sonnenwetter spielen auch die Lichteinwirkungen eine große Rolle. Das Licht der Sonne wird durch die goldbraunen Farbfenster durch den ganzen Altarraum geworfen und wandert von Stunde zu Stunde zu einem anderen Ort. Jetzt im Herbst steht das Licht um 15 Uhr genau über dem Kreuz und taucht den auferstandenen, erhöhten Herrn, wie ihn die Romanik darstellt, in ein geheimnisvolles, mystisches Licht, das die Seele des Betrachters zu tiefst ergreift und zur Andacht und Anbetung bewegt.

Am 11. September 1938 wurde diese gewaltige Gottesburg gleichsam als Trutzburg und Dokumentation christlichen Glaubens gegen ein gottloses Nazi-Regime, das sich selbst zum Gott machte, eingeweiht.

Im streng neo-romanischen Stil entworfen, hat sie ihre berühmten Vorbilder in den romanischen Kirchen und Kathedralen vom 5. bis zum 11. Jahrhundert. Angefangen von der Grabeskirche in Jerusalem, der Sancta Sabina in Rom, der Hagia Sophia in Konstantinopel, die dann später zum Vorbild der Moscheen wurde, von Monreale und Cefalu auf Sizilien, über Apulien bis Ravenna und Venedig, Coimbra und Salamanca, von Burgund über Speyer, Worms und Mainz, nach Köln, Trier und Corvey, über England bis hinauf in den hohen Norden zum Dom von Lund. Diese und viele andere Kirchen sind bedeutende Dokumente christlichen Glaubens in Europa. Jede Kirche ist als Wohnung Gottes ein Abbild und Abglanz des himmlischen Jerusalems.

Im Alten Testament ist zunächst die Rede vom Zelt Gottes, wo die Bundeslade aufbewahrt wird, später ist es der Tempel auf dem Zionsberg als zentraler Ort der Wohnung Gottes und seines heilvollen Handelns an seinem Volk Israel. In vielen Texten des AT, wie zum Beispiel in den Psalmen, kommt die tiefe Sehnsucht des Menschen zum Ausdruck bei Gott wohnen zu dürfen: "Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach den Höfen des Herrn", "Selig, die in deinem Hause wohnen dürfen" "ein einziger Tag in deinen Höfen ist besser als tausend andere" (Ps84) oder im Psalm 27 heißt es "eines erbat ich vom Herrn, danach verlangt mich: im Haus des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens" "er birgt mich unter seinem Dach am Tag des Unheils, er beschirmt mich im Schutz seines Zeltes".

Der Gläubige findet also Zuflucht und Schutz im Zelte Gottes. Aber nicht jeder darf hinein. Im Psalm 15 werden Einlassbedingungen genannt: "Herr, wer darf in deinem Zelt Gast sein? Der makellos lebt und das Rechte tut, der im Herzen auf Wahrheit sinnt."

Wie wir schon im Alten Testament sehen, bindet sich der Glaube des Menschen gerne an einen bestimmten Ort, wo Gott wohnt und spürbar erfahrbar wird. Jeder von uns kennt solche heilige Orte, Kirchen und Kapellen, wo es ihn hinzieht. Wenn ich in Würzburg bin, gehe ich z.B. gerne in die Rita-Kapelle in der Augustinerkirche, dort trage ich meine Sorgen und Anliegen hin, dort spüre ich Trost und fühle mich geborgen. Ein anderer steigt gerne auf die Berge oder wandert im Wald und macht dort die gleichen Erfahrungen. Letztlich bindet sich Gott nicht an einen ganz bestimmten Ort. Er ist allgegenwärtig und Jesus sagt sogar: "Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen".

Und auch Paulus ermahnt uns: "Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und der Geist in euch wohnt." Ja, wir selbst werden zur Wohnung Gottes, wenn wir unser Herz für ihn öffnen.

Kirche bedeutet also vielmehr als nur ein grandioser Bau aus Stein in romanischer, gotischer oder barocker Ausführung. Kirche, das sind wir als Gläubige, als Weggemeinschaft auf der Pilgerschaft zum ewigen Ziel, zum himmlischen Jerusalem.

Gerade in der Gemeinschaft der Gläubigen erfahren wir Stärkung im Glauben. Denn unsere Brüder und Schwestern kommen mit den gleichen Erfahrungen an Freud und Leid, mit den gleichen Zweifeln und Fragen aber auch mit den gleichen Gotteserfahrungen. Und so können wir uns gegenseitig ermutigen und aufrichten, trösten und stärken. Gott hat uns nicht als Einzelne erschaffen, sondern in Gemeinschaft, als Mann und Frau. Das ist begründet in ihm selbst, denn Gott ist in sich Beziehung, er kreist nicht um sich selbst und genügt sich selbst, sondern er spricht zum Menschen und der Mensch spricht zu Gott. Gott ist vielmehr als ein abstraktes Neutrum, vielmehr als ein absolutes Prinzip, vielmehr als eine gefühllose Geometrie des Weltalls, nein er ist ein höchst menschlicher Gott, ein Gott der Leidenschaften hat, ein Gott der liebt, weil er selbst die Liebe ist, ein Gott, der den Menschen sucht, wie der Hirte das verlorene Schaf sucht.

Und so sind auch wir Menschen, speziell als Gläubige Menschen auf einander angewiesen. Die Existenz des Menschen ist ein einziger Schrei nach dem Du, ja ich möchte sagen, ein Schrei nach Liebe. Aber oftmals sind wir zu stolz, das zuzugeben, denn es klingt nach Schwachheit und Hilfsbedürftigkeit und das will man sich doch nicht anmerken lassen.

Schauen wir nochmals auf den auferstandenen Herrn am Kreuz: Er breitet seine Arme aus, er will uns umarmen, er will uns annehmen und aufnehmen. Und wenn er uns annimmt, dann sollen auch wir einander annehmen, dann sollen auch wir uns auf dem gemeinsamen Weg unterstützen und tragen. Diese geöffneten Arme sind aber auch Ausdruck von Anbetung. Das heißt: Anbetung und Brüderlichkeit gehören untrennbar zusammen, so wie die Gottes und Nächstenliebe. Ein Spruch bringt das in beeindruckender Weise zum Ausdruck: "Ich habe meine Seele gesucht, ich habe sie nicht entdecken können. Ich habe meinen Gott gesucht, er hat sich mir entzogen. Und ich habe meinen Bruder gesucht und ich habe alle drei gefunden."

Auch unser Beten und singen, unsere tägliche Feier der Liturgie muss übereinstimmen mit unserer Liebe zu Gott und zum Nächsten. Schon die Propheten des AT kannten eine Kultkritik: Denn was nützte die schönste Tempelmusik, wenn das Volk Israel seinem Gott nicht treu war und seine Gebote nicht befolgte. So heißt es beim Propheten Amos: "Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören."

Christus hat seine Kirche auf sündige Menschen gegründet, das fängt schon beim Petrus an, der ihn dreimal verleugnet hat.

Die Kirche als solche ist heilig und wir sprechen im Credo: "ich glaube an die heilige, katholische Kirche", sie ist heilig, weil sie der Leib Christi ist. Ihre Glieder und das sind wir, sind sündig. Aber wir dürfen auch nicht vergessen bei aller scharfen und (teils) berechtigten Kritik der letzten Jahre, dass die Kirche eine Gemeinschaft von Heiligen und Märtyrern ist. Nicht nur in den ersten christlichen Jahrhunderten, zur Zeit der Christenverfolgung, sondern auch heute: Keine Religion der Erde wird aktuell so verfolgt wie die Christliche. In arabisch-muslimischen geprägten Ländern stehen Ermordungen von Christen auf dem Tagesplan.

Wir als Institution der Kirche und als Glaubensgemeinschaft sind ständig dazu aufgerufen, uns zu reformieren, uns zu erneuern und glaubwürdig zu leben. Ob der sogenannte "Synodale Weg" Erfolg haben wird, wird sich noch zeigen. Denn es gab schon mal eine Synode in Deutschland mit ähnlichen Themen, die man in Rom gar nicht ernstgenommen hat.

Die Ehefrau eines evangelischen Pfarrers sagte mir einmal: "Mein Mann kann so schön über die Liebe predigen, aber daheim merke ich nichts davon."

Ich glaube, meine lieben Brüder und Schwestern, uns allen geht es so; mehr oder weniger. Wir bleiben hinter unseren Worten, hinter unseren Idealen, hinter unseren gesteckten Zielen zurück. Das ist auch ein Schmerz, den wir und auch die anderen, die vielleicht enttäuscht sind von uns, aushalten und ertragen müssen und die wir (vielleicht) auch um Verzeihung bitten müssen.

Am Kirchweihfest danken wir Gott für unser Münster, in dem wir fünf Mal am Tag das Lob Gottes singen. Und wir Jubilare danken Gott, dass er uns vor 70, 60, 50 und 40 Jahren in diese Klostergemeinschaft von Münsterschwarzach gerufen hat. Hier in der Abtei, in Damme, in Amerika, Afrika und in Korea konnten wir unsere Talente und Begabungen in vielfältiger Weise entfalten und ein klein wenig am Aufbau der Kirche mitarbeiten. Wir danken unseren Eltern, Lehrern, Erziehern, Ausbildern, unseren Oberen und Mitbrüdern, allen Wegbegleitern, Freunden und Wohltätern, die uns unterstützt und in mancher Not und Enttäuschung ermutigt haben. Mir persönlich sind gerade diese älteren Jubilare ein großes Vorbild in ihrer fachlichen Kompetenz, in ihrem Pflichtbewusstsein, in ihrer Gewissenhaftigkeit und Treue, aber auch in Ihrer Frömmigkeit.

Aber wir feiern heute nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, der uns in seine Nachfolge gerufen hat. Ohne diese Freundschaft zu ihm und ohne seine Liebe zu uns hätten diesen Weg nicht gehen können.

Es verbleibt uns nur, unser zukünftiges Leben vertrauensvoll in seine Hände zu legen und in ein Gedicht von Jochen Klepper einzustimmen: "Ja ich will euch tragen bis zum Alter hin und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin."