Gerechter Ausgleich im Himmel
Predigt von P. Dominikus Trautner OSB am Sonntag der 21. Woche im Jahreskreis zu Lk 13, 22–30
In der Weltgeschichte und auch in unserem eigenen Leben kann man feststellen, dass sich das Oberste zum Untersten und das Unterste zum Obersten wenden können. Nehmen wir etwa das Dritte Reich, unter der Tyrannei eines Wahnsinnigen ist es aufgeblüht zur Weltmacht und 1945 wurde es total zerstört.
Weltstars, Reiche und Mächtige, Weltfirmen, Banken und Geschäfte können heute die Ersten und morgen schon die Letzten sein.
Oder nehmen wir das kleine Baby, das Frühchen, dem die Ärzte kein Chance geben, es kann gesunden und gedeihen und wachsen und ein tüchtiger Mensch werden. Dagegen der kleine Junge, kräftig und gesund, ausgestattet mit vielen Talenten, alle Erwartungen ruhen auf ihm, er macht nichts aus seinem Leben, gerät auf die schiefe Bahn und zerstört sein Leben. Wie viele Väter und Erzieher haben schon zu ihren Kindern gesagt: "Du taugst nichts, du bist nichts wert, aus dir wird nichts" und haben sie manchmal halb tot geschlagen.
Aber es gibt im Leben auch immer wieder Spätentwickler, Spätzünder, Spätberufene, die ihren gewählten Weg erfolgreich gehen, obwohl man es ihnen vielleicht nicht zugetraut hätte.
Die einen fangen mit viel Schwung und Elan, mit großer Begeisterung an und ermüden später. Andere wiederum beginnen langsam, zweifelnd, und mühevoll und holen später auf, nach dem Prinzip "ein guter Ochs zieht langsam an".
Von den Letzten ist heute im Evangelium die Rede. Zu den Letzten auf dieser Erde gehören auch all jene, die am Rand des Existenzminimums leben, arbeitslos sind, krank oder behindert, ausgestoßen sind von der Gesellschaft, benachteiligt auf welche Weise auch immer, alle, denen Unrecht geschieht und unter Verfolgung leiden.
Alle, die Opfer wurden von physischer und psychischer Gewalt wurden und denen man nicht glaubt, weil man zu den Tätern hält, leider auch in der Kirche.
Ich denke auch an die Millionen hungernden Kinder. Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren. Ein himmelschreiender Skandal, denn die Verantwortlichen wissen das und tun zu wenig für ihre Rettung. Es wäre genug Geld da, um ihren Hunger zu stillen. Es gibt so viele Menschen, die von Katastrophen und Schicksalsschlägen heimgesucht werden, die unendliches Leid ertragen müssen, Menschen, die schuldlos Opfer von Massakern oder brutal ermordet werden. Denken wir nur an den 8-jährigen Buben, der im Frankfurter Hauptbahnhof vor den Zug gestoßen wurde. Es muss doch für ihn im Himmel eine Gerechtigkeit geben, er muss doch ein Engel werden, sonst wäre dieses sinnlose Leid unerträglich.
Eine letzte Antwort werden wir auf Erden nie erhalten, nur aus der Perspektive Gottes und aus dem Kreuzestod Jesu heraus können wir Hoffnung schöpfen, dass es für diese eine Belohnung und einen gerechten Ausgleich im Himmel gibt.
Würde alles Leben im Tod endgültig untergehen, so blieben die Rätsel von Schmerz und leid, Krankheit und Tod, ja auch von Schuld und Versagen ohne Antwort. Wenn wir auf Jesus Christus schauen, dann erkennen wir: Nicht Tod und Sinnlosigkeit haben das letzte Wort, sondern Gott, der durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes unserem Leben ein endgültiges Ziel gegeben hat.
Wir alle möchten dieses Ziel erreichen.
Aber dieses Ziel befindet sich hinter einer engen Tür. Jesus ruft uns auf: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen". Und diese Türe ist Jesus selbst. Er sagt ich bin die Türe, nur durch ihn, durch seine Person, durch das sich Festklammern an ihm selbst, können wir das himmlische, wunderbare Ziel erreichen. Ohne beständiges Mühen, Ringen und Kämpfen geht es nicht.
Wir kennen das aus unserem persönlichen Leben. Es ist oft der Anfang, der Einstieg, der uns am schwersten fällt. Sei es im Sport, in der Einstudierung eines neuen Musikstückes, in der geistlichen Übung, oder im Handwerk. "Lehrjahre sind nicht Herrenjahre" hat man früher gerne gesagt. Ein Lehrmeister hat manchmal auch seinen Lehrling unnötig schikaniert. Heute wäre man froh, wenn man überhaupt noch einen Lehrling für ein Handwerk finden könnte.
Wenn wir den Gipfel eines Berges erklimmen wollen, brauchen wir Disziplin, Durchhaltevermögen und Ausdauer. Aber wenn wir das Ziel erreicht haben werden wir mit einer herrlichen Aussicht und einem wunderbaren Glücksgefühl beschenkt, das alle Strapazen vergessen lässt.
So verheißt auch Jesus uns allen den Platz zu seiner Rechten im Himmel, die Teilnahme an seinem ewigen Gastmahl, wenn wir auf dem Weg der Nachfolge Christi kämpfen und mutig ausharren.
Dann dürfen wir einstimmen in die Antiphon "Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2,9).