Skip to main content

Predigten

Eintauchen in den heiligen Raum der Geborgenheit

Ansprache von Abt Michael Reepen OSB in der 1. Weihnachtsvesper 2015 in der Abteikirche Münsterschwarzach

„Liebe Schwestern und Brüder, 

liebe Mitbrüder,

mit dieser lateinischen Vesper singen wir uns hinein in das Geheimnis des Heiligen Abends.

Es ist gar nicht so wichtig, dass man alles genau versteht auch wenn in den neuen Büchern die Übersetzung zu finden ist.
Unser Hiersein am Beginn der heiligen Nacht vor dem geschmückten Christbaum und der Krippe aus Peru und der schön geschmückten Kirche, ist wie ein zur Ruhe kommen nach dem Vielen, was noch vorzubereiten war, ist wie ein Ankommen am Heiligen Abend, wie das Betreten, das Eintauchen in einen heiligen Raum der Geborgenheit.

Weihnachten hat in unseren Breiten viel mit „daheim sein“ und „zuhause“ zu tun.
Wie kaum an einem anderen Fest gehen unsere Gedanken und Gefühle an Orte wo wir zuhause, daheim waren und sind.

Wo bin ich daheim?

Ich vermute, liebe Brüder und Schwestern, sie alle haben einen Schlüssel dabei, in der Hosentasche oder in der Handtasche oder im Habit. Es ist wohl der Hausschlüssel, neben dem Autoschlüssel und anderen Schlüsseln.
- Sie können gerade mal in die Tasche greifen, ob er auch wirklich da ist.

Einen Haus-, Wohnungs- oder Zimmerschlüssel zu haben meint, da gibt es eine Tür, die ich aufschließen kann und wenn ich eintrete bin ich zuhause.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke an die vielen Flüchtlinge, die keinen Schlüssel auf die Flucht mitgenommen haben. Die ihre Heimat verlassen mussten, deren Häuser zerstört sind, die keinen Ort mehr haben.

Und was muss es für einen Flüchtling für ein Gefühl sein, hier bei uns wieder einen Hausschlüssel zu bekommen, einen Türschlüssel, wo er wieder zu Hause sein darf, wo sein Bett und sein Kühlschrank stehen. - Wo ihnen ein zu Hause bereitet ist, wo Menschen sich ihnen zuwenden, sie willkommen heißen…
 Da wird Weihnachten für Christen und auch für Moslems – weil sie als Mensch angenommen werden.

Andererseits ist natürlich auch die Frage, wie können wir so kuschelig, vertraut, in Sicherheit und Geborgenheit Weihnachten zu Hause feiern, wo wir wissen, dass so viele das eben nicht haben. Sie leben im Krieg, sind auf der Flucht oder sitzen auf der Straße.
Ich bin sicher, dass diese Menschen uns diese Heimat und dieses Feiern gönnen.
Wir brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, solange wir die Menschen in Not nicht vergessen. Die Hilfsbereitschaft der Deutschen besonders bei Katastrophen und auch das Bemühen um die Flüchtlinge ist einmalig in der Welt. – Da dürfen wir nicht nachlassen, das dürfen wir uns auch nicht madig machen lassen, - darauf dürfen wir stolz sein.

Wo war Jesus zuhause?
Auf der Reise nach Jerusalem im Stall von Bethlehem wurde er geboren, dann ist er mit den Eltern nach Ägypten geflohen, dann in Nazareth aufgewachsen.
Später sagt er: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“.
Hatte er keinen Hausschlüssel? In welche Tür passt sein Schlüssel denn?
 Sein Hausschlüssel passt zu den Herzen der Menschen. Dort ist Jesus zuhause.

Manchmal muss er einiges auf sich nehmen, um Einlass zu finden, - oft scheint auch sein Schlüssel nicht zu passen. Wir haben Vorhängeschlösser, Sicherheitsschlösser, Schließanlagen vor unseren Herzen angebracht. Wir sind verschlossen, haben Angst, bekommen Panik, sind innerlich auf der Flucht, erleben Sinnlosigkeit – dann ist in unserer Herberge kein Platz, auch nicht für ein kleines Kind.

Aber Gott sei Dank kann Jesus auch durch verschlossene Türen gehen, um bei uns anzukommen. Wir erschrecken dann, hören die Worte „fürchtet euch nicht“ und brauchen eine Zeit, um es glauben zu können, dass ER bei uns ist.

Und manchmal, vielleicht besonders zur Weihnachtszeit, sind unsere Herzenstüren ja offen und er kann bei uns Wohnung nehmen und wir erfahren: ER ist da!

Entscheidend ist, dass wir uns finden lassen von ihm, dass wir zuhause sind, wenn er kommt.
Der Stall von Bethlehem war offen und die unscheinbare Krippe war bereit, das göttliche Kind aufzunehmen. Der unerwartete Ort wurde zur Heimat.

Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche uns, dass wir offen und bereit sind, IHN
aufzunehmen in allen Menschen.
Dass wir den Schlüssel zum eigenen Herzen und zum Herzen der Menschen finden, dass wir die Tür finden, in die unser Schlüssel passt.
Ich wünsche uns, dass wir daheim ankommen dürfen. Dass wir bei Gott ankommen dürfen, dass ER bei uns ankommen kann.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien eine gesegnete Weihnacht.“

Abt Michael Reepen OSB