Der Weg zum Himmel
Predigt von P. Maurus Schniertshauer zum Hochfest der Himmelfahrt Christi.
„Steige ich, wie du, in das Leben derer hinab, die meiner bedürfen und nach mir rufen, dann steige ich mit dir zum Himmel empor und erblicke das Licht der Ewigkeit“
Liebe Brüder und Schwestern,
es war für mich ein wenig irritierend, als ich vor einem Jahr das erste Mal Christi Himmelfahrt hier in Münsterschwarzach mitgefeiert habe. Nicht einmal eine Himmelfahrtsprozession gibt´s hier, musste ich mir denken. In meiner schwäbischen Heimat da kann man sich Christi Himmelfahrt ohne die dazugehörige Öschprozession durch die Fluren und den Gottesdienst unter freiem Himmel gar nicht vorstellen. Dass es an Christi Himmelfahrt in manchen Gegenden nur die Vatertags-Touren gibt, bei denen man den Leiterwagen mit den Bierkästen hinter sich herzieht und nicht auch die Prozessionen, bei denen die Felder, Wiesen und Wälder gesegnet werden, das konnte ich mir gar nicht vorstellen.
Nun, dass auch in katholischen Gegenden die Bräuche und Traditionen viel unterschiedlicher sein können, als man denkt, das habe ich inzwischen schon gelernt.
Aber auch wenn es hier in Münsterschwarzach an Himmelfahrt keine Himmelfahrtsprozession gibt, bei der die Gemeinde entscheiden muss, welchen Weg man denn nun konkret an diesem Tag einschlagen soll – das war in meiner schwäbischen Heimat manchmal gar nicht so einfach, wenn der althergebrachte Weg ums Dorf herum plötzlich nicht mehr begehbar war, weil man irgendwelche neuen Umgehungsstraßen gebaut hatte oder die Wiesen ums Dorf herum mit Industriegebieten oder Einkaufsmärkten von Aldi, Lidl, Glückskauf und wie sie alle heißen zugepflastert hatte – auch wenn sich diese Frage hier in Münsterschwarzach nicht stellt, - die grundsätzliche Frage bleibt ja auch hier bestehen: Welches eigentlich ist der Weg, der zum Himmel führt.
Ja, welcher Weg ist eigentlich der, der wirklich zum Himmel führt?
Oder brauchen wir so gar nicht zu fragen, weil doch schließlich am Ende alle Wege in den Himmel führen?
Liebe Mitchristen,
von Rom sagt man das ja, dass alle Wege nach Rom führen. Das hing mit dem Straßensystem im alten römischen Imperium zusammen, wo wirklich alle Straßen ihren Ausgangspunkt bei Kilometer 0 auf dem Forum Romanum hatten. Nun, wir können es heutzutage auf sich beruhen lassen, ob alle Wege nach Rom führen oder nicht; aber was die Frage nach dem Weg zum Himmel betrifft, da tun wir vielleicht doch gut daran, diese Frage ernsthaft zu stellen.
Und wenn wir diese Frage ernsthaft stellen und uns dabei nicht einfach bloß auf unsere eigenen Mutmaßungen verlassen, sondern dazu in die Heilige Schrift schauen, dann gibt es darauf auch eine Antwort, die uns helfen kann, dass wir den Weg zum himmlischen Ziel unseres Lebens nicht verlieren.
Das erste, was wir da heute an Christi Himmelfahrt hören, ist eine ermutigende Nachricht, die sich gegen all die Skeptiker richtet, die behaupten, dass es selbstverständlich für uns Menschen keinen Weg zum Himmel gebe, ganz einfach deshalb, weil der Himmel und das ewige Leben bei Gott nur eine Illusion sei und in Wirklichkeit gar nicht existiert. Für diese Leute führen zwar nicht alle Wege nach Rom, für sie führt, wenn ihre Meinung denn richtig sein sollte, auch kein Weg in den Himmel, sondern für sie enden alle Wege im Graben und in der Grube, weil wir, ihrer Meinung nach, darüber hinaus nichts mehr zu erhoffen haben.
Gegen den Verdacht, es gebe für uns Menschen keinen Weg zum Himmel, setzt das Fest, das wir heute feiern, das hoffnungsstiftende Bekenntnis: Jesus Christus selbst ist den Weg in den Himmel gegangen und das nicht nur für sich allein, sondern, wie es in der Präfation dieses Festes heißt: „Er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging“. Der Himmel, das grenzenlose Glück eines Lebens in Gottes Liebe, ist keine Illusion und er ist auch nicht für uns Menschen absolut unerreichbar und unzugänglich, sondern Jesus ist uns dorthin vorausgegangen, damit wir ihm dahin folgen können – das ist das erste, was wir heute voller Hoffnung feiern.
Und das zweite, was uns über den Weg zum Himmel gesagt wird: Der Weg zum Himmel ist das Leben Jesu! Sein Leben ist die Straße, die wir gehen müssen.
Was heißt das ganz konkret, liebe Brüder und Schwestern? Das heißt: Der Weg, der zum Leben führt, ist der Weg der Hingabe, der Liebe, des verschenkten Lebens. Wir gehen in dem Maß auf den Himmel zu, wie wir in unserem Leben Christus nachfolgen: Dort, wo wir in unserem Alltag der Liebe folgen, die er gepredigt und vorgelebt hat, dort sind wir auf dem Himmelsweg.
Und weil das Leben Christi ein Abstieg war, der gerade als Abstieg und als Entäußerung zur Himmelfahrt wurde, darum gilt auch: Wir steigen dort in den Himmel hinauf, wo wir absteigen in die Nächstenliebe hinein, zu den Menschen, die uns brauchen und die unserer Sorge anvertraut sind.
Wir werden da von Gott zum Himmel emporgezogen, wo wir es wagen, uns wie Jesus dienend zu bücken. Wir gehen mit Christus in den Himmel, wo wir mit ihm zu denen gehen, zu denen er in den Tagen seines irdischen Wandels gegangen ist, um ihnen sein Heil zu schenken. Wer Jesu Fußspuren folgt, den Fußstapfen, die zu den Menschen führen, die Trost, Halt und Hilfe brauchen, der ist auf dem besten Weg in den Himmel.
Und in diesem Sinn führen tatsächlich viele Wege in den Himmel. So viele unterschiedliche Wege nämlich, wie es Menschen gibt, die auf ihre je eigene Art und Weise dem Beispiel Jesu folgen und zusammen mit ihm ihr Leben in Liebe verschenken, auch wenn andere ihren Glauben und ihre Hoffnung müde belächeln und ihnen vorrechnen, dass sich das doch niemals rentieren wird.
Es führen also viele Wege in den Himmel, das ist wahr!
Aber viele heißt nicht immer alle. Und auch da ist die Heilige Schrift und das Evangelium, das wir heute gehört haben, ziemlich eindeutig. „Sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden“, so sagt Jesus da. Es gibt Wege, die führen, wenn man sie bis zum Ende geht, nicht zum Leben, sondern in den ewigen Tod.
Es gibt Wege, die führen nicht näher zu Gott und näher zum Himmel, sondern immer weiter davon weg. Und von diesen Wegen muss man umkehren!
Ja, liebe Brüder und Schwestern, es stimmt zwar: Der Weg der uns Menschen zum Himmel führt, ist oft kein gerader Weg, er ist nicht immer ganz zielgerichtet und eben, sondern so wie wir Menschen sind, Sünder und von Gott zur Heiligkeit berufen zugleich, sind unsere Wege zum Himmel oft verschlungen, verwirrt und gekrümmt. Und darum führen auch krumme Wege hinauf in den Himmel. Aber nicht alle krummen Wege, sondern nur solche, auf denen die Menschen, die sie gehen, immer wieder umkehren und von neuem beginnen aus und für die Liebe zu leben, die Jesus uns vorgelebt hat.
Das ist das dritte und zugleich ist das der Beginn des Weges, für den der auferstandene Jesus Christus seine Jünger am Himmelfahrtstag gesegnet hat. Dass wir in unserem Alltag diese Straßen gehen, dazu möge er uns heute segnen.
Amen.