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Predigten

Dennoch ...

Predigt von P. Martin Birk OSB am 24. Sonntag im Jahreskreis.

Jesu Aufforderung zum Vergeben, liebe Schwestern und Brüder, lässt sich auch als ein kräftiges „dennoch“ lesen. „Dein Mitmensch hat dich schon wieder beleidigt / ausgetrickst / übervorteilt? Dennoch sollst du ihm / sollst du ihr wieder vergeben“.

Auch manche anderen Worte Jesu atmen diesen Geist, z.B. die Seligpreisungen in der Formulierung des Lk: „Ihr hungert jetzt? Dennoch seid ihr gut dran, denn Gott wird euch sättigen; Ihr weint jetzt? Dennoch könnt ihr euch freuen, denn ihr werdet lachen.“ (in der Übersetzung von A. Kammermayer)

Gelegentlich ist Jesus der Kragen geplatzt: „O du ungläubige und verkehrte Generation! Wie lange muss ich noch bei euch sein? Wie lange muss ich euch noch ertragen?“ (Mt17,17). Trotzdem hat er das kranke Kind geheilt.

„Dennoch“: Das kennen Sie doch auch aus Ihrem Leben. Ein Freund / eine Freundin hat Sie schwer enttäuscht – dennoch haben Sie den Kontakt nicht endgültig abgebrochen. In der Familie hat es heftigen Streit gegeben – dennoch haben Sie sich um gütliche Einigung bemüht.

Gerade katholische Christen hatten mit Blick auf ihre Kirche in den letzten Jahren viel Gelegenheit, „dennoch“ zu sagen. Vielleicht sind auch hier manche unter Ihnen, die sich angesichts unerfreulicher Vorkommnisse dazu durchgerungen haben: „Dennoch bleibe ich in der Kirche. Trotz allem lasse ich mir die Freude an Jesus und am Glauben nicht nehmen. Trotz allem bringe ich mich auch künftig ein, damit die Gemeinde Gottes lebendig bleibt“.

„Dennoch“ – unter diesem Thema wird seit Freitag ein Kongress in Hannover abgehalten, veranstaltet vor allem vom Bistum Hildesheim mit seinem Bischof Heiner Willmer und vom Bonifatiuswerk, pastoraltheologisch begleitet von Prof Sellmann aus Bochum. Die Referenten, Teilnehmer und Teilnehmerinnen kommen vor allem aus Deutschland, aber auch aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen. Es geht ihnen in erster Linie um neue Impulse für die katholische Kirche, aber selbstverständlich sind auch Christen aus den reformatorischen Kirchen dabei.

Sie wollen „eine Kirche, die fromm ist, geistlich und weise“, so Prof. Matthias Sellmann, (in: „Kirchenbote“ 30.7.2023) und die die Änderungen aufnimmt, die der synodale Weg vorgeschlagen hat. Damit sind die beiden Gegebenheiten genannt, die für unser menschliches und christliches Leben wichtig sind: Einmal die persönliche Entscheidung und Überzeugung, und dann die gut funktionierende hilfreiche Institution. Beides war wesentlich, wenn im Laufe der 2000-jährigen Geschichte der Kirche Erneuerungen geschahen.

Das gilt  etwa für das Konzil von Trient. Es hat nach den Wirren der Reformation Reformbeschlüsse gefasst. Aber was wären sie geblieben ohne einen Karl Borromäus und andere, die diese Beschlüsse dann auch in den praktischen Alltag der Kirche übertragen haben? Auch viele andere Erneuerungsbewegungen in der Kirche sind von Menschen angeregt und durchgeführt worden, die mit Glaube, Liebe und Leidenschaft ihre Sendung lebten. Viele von ihnen verehren wir heute als Heilige. Die heilige Hildegard von Bingen, derer wir heute gedenken, hat in ihrer Zeit das eine um das andere Mal „dennoch“ gedacht und  wohl auch gesagt. 

So wichtig es ist, für gut funktionierende hilfreiche Institutionen zu sorgen, so wesentlich bleibt es, dass jeder Christ die eigene  persönliche Glaubensentscheidung fällt. 

Bei allem hilft es, den Blick auf zwei Gegebenheiten im Auge zu behalten, die für die frühe Kirche in den ersten Jahrhunderten wesentlich waren:  Die Erfahrung des auferstandenen Jesus und das tiefe Vertrauen auf Seine hilfreiche Gegenwart, und dann die Akzeptanz und Geschwisterlichkeit innerhalb der Gemeinden – trotz aller Gegensätze und Diskussionen, die es auch gab.   

Ohne diese beiden Punkte können wir meines Erachtens noch so sehr an Vergangenem festhalten oder alles verändern wollen. Wenn wir Jesus und Seine Botschaft nicht ernsthaft in unserem Leben wirken lassen und dadurch innerhalb unserer Gemeinden und der Kirche (dann natürlich auch der Ökumene) zu einem respektvollen und liebevollen Miteinander als Schwestern und Brüder in Christus finden – ohne lebendigen Glauben und ein gutes Miteinander werden alle Strukturreformen wenig helfen.

Gerade zum zweiten Punkt, dem Einvernehmen, hat Jesus eine deutliche Meinung: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,34f).