Ein Leben zwischen Bleisatz und Offsetdruck
Stabilitas, also Beständigkeit, ist neben Gehorsam und klösterlichem Lebenswandel eines der drei Gelübde, die jeder Benediktiner bei seiner Profess ablegt. Und diese Beständigkeit hat Bruder Alfred Engert OSB (70) gleich in mehrfacher Hinsicht beeindruckend bewiesen. Denn er ist nicht nur seit rund einem halben Jahrhundert Mönch der Abtei Münsterschwarzach, sondern auch beruflich äußerst beständig: Nach sage und schreibe 54 Jahren Tätigkeit in der Klosterdruckerei ist er zum Jahresbeginn 2018 als deren Leiter verabschiedet worden. Nachfolger ist sein langjähriger Mitarbeiter Michael Blaß.
Bruder Alfred als Urgestein der Druckerei zu bezeichnen ist sicher nicht falsch. Doch er ist weit mehr als das. Fast könnte man sagen, er war die Druckerei. Denn sein Wissen ist enorm. Er kennt jeden Kunden, jedes Druckprodukt, jeden Produktionsweg. Und dieses Wissen ist nicht nur graue Theorie. Er steigt selbst auf den Gabelstapler, wenn ein LKW beladen werden muss. Er kann von jedem Bild sagen, in welchem Buch oder Flyer es zu finden ist, selbst wenn es Jahrzehnte zurück liegt, und er kennt seine Mitarbeiter und Maschinen aus dem ff.
Bruder Alfred stammt aus dem winzigen Weiler Sträublingshof, wo er mit seinen sechs Geschwistern auf dem elterlichen Hof aufwuchs. Doch wie kommt ein Bub aus dem „Gottesgarten am Obermain“ nach Münsterschwarzach? Ganz einfach: Seine Tante Helene war Küchenschwester in der Abtei. Als der Siebenjährige sie besucht, ist er fasziniert von der Kirche: ihrer Größe, ihrer Weite und den vielen Palmen. Und als die Frage auftauchte: „Was soll der Bub werden?“ gab eine Ausgabe unserer Missionszeitschrift „Ruf in die Zeit“ den Ausschlag. „Vielleicht haben die dort eine Druckerei, wo er was lernen kann“, war der Gedanke.
Gesagt, getan. Der Betrieb wurde besichtigt und im September 1963 bestieg der Bub aus der Provinz, der damals noch Johannes hieß, den „Bayreuther Bus“, der ihn über Bamberg und Ebrach nach Schwarzach brachte. Dort angekommen entschied ein Diktat von Bruder Sturmius Stöcklein darüber, was er lernen sollte. Setzer oder Drucker? Da er weniger Fehler als sein „Konkurrent“ machte, lernte er Schriftsetzer. Das bedeutete Bleisatz an der großen Linotype-Maschine, neue Fachbegriffe wie Cicero, Punkt oder Steg lernen, aber auch ein Leben im Lehrlingsheim St. Placidus mit 45 anderen Zöglingen im großen Schlafsaal. Bruder Alfred lächelt: „Es war eine schöne Zeit.“
1966 trat er ins Kloster ein. Sein Noviziat verbrachte er überwiegend in der Druckerei „weil dort Leute fehlten“. 1969, ein Jahr nach seiner Zeitlichen Profess, wurde mit der „Roland Favorit“ die erste Offsetmaschine angeschafft. Und Bruder Alfred war der erste, der von 1970 bis 1972 eine Lehre für diese ganz neue Form des Drucks absolvierte. „Das war eine völlig neue Welt“, sagt er und ist bis heute davon begeistert, dass er die Entwicklung vom Blei- zum Photosatz hautnah miterleben durfte.
All diese Erlebnisse konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bruder Alfred tief in seinem Herzen einen Traum hatte: Eigentlich wollte er als Missionar nach Afrika gehen. So war er hocherfreut, dass er nach seiner Feierlichen Profess 1974 und dem Besuch der Meisterschule in Biberach 1976/77 für zehn Wochen nach Tansania reisen durfte. Pater Sebald Hofbeck wollte im Kloster Ndanda die Druckerei neu einrichten. Und Bruder Alfred wurde als Berater nach Afrika geschickt. Er und Bruder Markus Forster hatten den Auftrag, von der Druckmaschine bis zum Tesafilm alles neu anzuschaffen. Und noch ein Bezug zur Mission blieb: Von 1976 bis 2015 wurden 15 Mitbrüder aus Korea, Tansania und Togo in der Druckerei in Münsterschwarzach ausgebildet.
Auch wenn er als Leiter der Druckerei verabschiedet wurde, ein kleines Büro hat Bruder Alfred weiterhin. Denn den Münsterschwarzacher Bildkalender, den er seit zehn Jahren verantwortet, will er auch für 2019 mitgestalten. Ansonsten beschreibt er sein Gefühl so: „Ich wollte nicht, dass die Mitarbeiter sich die Frage stellen: Wann geht er denn endlich? Ich bin erleichtert und fühle mich wohl“. Und nur Freizeit wird es wohl auch nicht werden. „Ich kann kranke und ältere Mitbrüder ausfahren, mich um Gäste kümmern oder die Straße fegen“, sagt er mit einem für ihn so typischen verschmitzten Lächeln.
Sein Nachfolger, der Medienfachwirt Michael Blaß, kam 1988 in die Druckerei und hat dort das Handwerk von der Pike auf gelernt. Kalkulation, Produktionsplanung, Druckvorstufe und Kundenkontakte waren bisher sein Hauptaufgabengebiet. Blaß, Jahrgang 1973, ist verheiratet und hat zwei Kinder.