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Was ist Mission? 

Corona-Abstände statt einer vollen Kirche. Der Weltmissionssonntag ist in diesem Jahr anders.

Schon früh ist in der Abtei Münsterschwarzach der Weltmissionssonntag abgesagt worden. Zum Klosterfest sind in den vergangenen Jahren tausende Besucherinnen und Besucher gekommen - das geht aufgrund der Corona-Pandemie nicht. Gefeiert wurde der Tag allerdings doch. Nur anders. Statt afrikanischer Gesänge erklang gregorianischer Choral. Die Kirche dennoch mit Abständen bis auf den letzten Platz voll.

In seiner Predigt stellte P. Anastasius Reiser OSB, ehemaliger Abt der Abtei Peramiho und bis 2020 Missionsprokurator der Kongregation der Missionsbenediktiner von St. Ottilien stellte in seiner Predigt den heutigen Missionsbegriff in den Fokus. 

Auch nahm der Bezug auf den neuen Tabernakel der Abtei Mvimwa, der in der Münsterschwarzacher Klostergoldschmiede angefertigt und zu diesem Anlass in die Abteikirche verbracht wurde. 

Liebe Schwestern und Brüder,

der Weltmissionssonntag in diesem Jahr wird bei uns etwas anders begangen als sonst. Wir feiern einen Gottesdienst mit Ihnen hier in der Abteikirche und mit Ihnen zu Hause an den Empfangsgeräten für das Online-Angebot.

In den vergangenen Jahren waren sie gewohnt, einen Festtag bei uns in Münsterschwarzach zu erleben, ein Tag, an dem Mission auch greifbar wird. Lassen sie es mich versuchen, Ihnen einige Aspekte von dem nahezubringen, was gerade in einigen Missionsklöstern geschieht, dann auch etwas darüber nach zu denken, was Mission für uns bedeutet und ein paar Ideen für die Zukunft zu formulieren.

Die neue Abtei Tigoni "Prince of peace"

Wenn Sie unsere Medien regemäßig verfolgen, dann werden Sie gehört haben, dass das Kloster unserer Kongregation der Missionbenediktiner in der Nähe von Nairobi in Kenia, Tigoni, im September von einem Priorat zu einer Abtei erhoben wurde. Und das mit gutem Grund: Wenn wir einmal einen virtuellen Spaziergang durch die Abtei Tigoni machen, dass sehen wir dort alle Missionsfelder abgedeckt, für die wir stehen:

Pastorale Tätigkeit mit Pfarreien, Gesundheitswesen, Exerzitienhäuser für die Erwachsenenbildung, Schulen, Handwerksausbildung, Klosterbetriebe mit Landwirtschaft, neue spirituelle Impulse, die direkt aus der kenianischen Kultur inspiriert sind, wie "Bible on the ground" im Kloster Nanyuki, das am Mount Kenia liegt und zu Tigoni gehört. Und dann der große Bereich der Erstverkündigung des Evangeliums im Norden Kenias in Illeret, bei einigen Nomadenvölkern.

Also genau das, wie man sich ein Benediktinerkloster in der Mission vorstellt.

Entstanden in den 70er Jahren als neues Missionsfeld in Kenia (zuerst als kleine Pfarrei im Kerio-Tal bei Eldoret) hat die Abtei Tigoni über 50 Jahre des Wachstums – natürlich auch mit einigem auf und ab , mit positiven Entwicklungen und Rückschlägen – sich zu einem festen kulturellen Bestanteil der Region um Nairobi und in Kenia entwickelt, dass die Kongregation bereit war, auch den Schritt zur Abteierhebung zu gehen.

Heilig-Geist-Abtei-Mvimwa

Ein weiteres Kloster in Tansania, das bereits seit fast 20 Jahren eine Abtei ist und sich genauso lebendig entwickelt hat wie die Abtei Tigoni ist die Abtei Mvimwa. Äußerlich besonders sichtbar, weil dort im vergangenen Jahr eine große Abteikirche entstanden ist. Normalerweise können Sie an einem "normalen" Missionssonntag Infostände sehen, was gerade in den verschiedenen Missionsbereichen bei uns geschieht, So wollte ich Ihnen stellvertretend dafür diesen neuen Tabernakel zeigen, den wir hier unterhalb des Ambos aufgestellt haben. Er kommt aus unserer Abtei-Goldschmiede und wird nun nächste Woche nach Tansania versandt. Die Abtei Mvimwa ist eine "Heilig-Geist-Abtei". Daher das Symbol der Taube und die Feierzungen als Symbol für den Heiligen Geist

In der Abtei Königsmünster wird für die Abteikirche von Mvimwa in den nächsten Tagen eine Glocke gegossen. Sie sehen, unsere Kongregation arbeitet auch in der Missionsarbeit, in der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam am großen Projekt der Mission.

Die Abtei Mvimwa ist ebenfalls stellvertretend genannt für unsere Missionsarbeit weltweit. Ein wachsendes Kloster mit über 100 Mönchen, die in pastoralen Tätigkeiten , im Gesundheitswesen, ganz besonders in der Bildung tätig sind und für die Menschen in ihrer Region in der Nähe des Tanganyikasees da sind.

Wir könnten genauso die anderen Abteien in Tansania, in Südkorea, Waegwan, nennen. Dort geht es genauso lebendig zu wie in den jungen afrikanischen Gemeinschaften.

Doch warum ist das so? Was ist eine Missons-Benediktinerabtei?

Wenn Besucher durch die Abtei Münsterschwarzach gehen, sind sie fasziniert von der Vielfalt der Institutionen und Betreibe, die sie auf dem Gelände vorfinden. Schon am Eingang die Nahrungsmittelbetreiben, danach mit dem Pforten- und Infobereich, im Klosterhof die Buchhandlung mit Fair-Handel und Goldschmiede, die Landwirtschaft mit Energiebetrieben, den Garten, die Druckerei, Schreinerei, Metallwerkstattstätten und nicht zu vergessen die Hühner und Hasen.

Die Abtei ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Bereichen unter einem Dach. Wir sagen kurz: "Beten und Arbeiten". Ein Leben für das Gebet eingebettet in konkrete Arbeit in den Betrieben oder der Schule.

Das Erfolgsgeheimnis des Klosters ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche. Das Kloster ist ein großer Organismus, der ohne Wertungen von "oben und unten" in gleicher Weise miteinander im Austausch steht. Am Morgen und Abend stehen die Mönche beim Stundengebet nebeneinander im Chor, alle haben das gleiche Gewand an. Und tagsüber steht jeder von uns an seinem Platz und gibt seinen Beitrag für das, was gerade dran ist. Eine Schulstunde im Gymnasium, in der Küche, bei der Obsternste im Garten, in den Werkstätten oder bei Vorträgen im Gästehaus oder dort beim Bedienen von Gästen. Hier üben wir das Zusammenarbeiten ein.

(Klammer auf: Ich will jetzt nicht sagen, dass hier alles ideal ist. Und wie in jedem Organismus wird es auch hier und dort Dinge geben, die man klären muss. Doch es ist ein Übungsfeld)

In unserer Gesellschaft ist das wohl ähnlich. Im Grunde funktioniert das genauso im Großen, wie bei uns im Kleinen:

Versuchen Sie sich doch nur einmal vorzustellen, wie viele Menschen täglich zusammenarbeiten müssen, damit unsere Bahn, mit der sie täglich zur Arbeit fahren, funktioniert. Oder wer alles dazu gearbeitet hat, damit wir morgens beim Bäcker ein Brot oder das Brötchen für das Frühstück holen können. Ein Krankenhaus, … Man kommt nicht ans Ende, wenn wir alle Bereiche anschauen wollen…

Nun ist es so, dass wir allmählich den Überblick verlieren. Es wird uns zu kompliziert. Und wenn Sie zu uns in die Abtei kommen, dann scheint das eine heile überschaubare Welt zu sein, die fasziniert, weil man hier auf einen Blick erklären kann, wie die Welt funktioniert.

Und hier setzt mein Versuch an zu erklären, was Mission sein kann. Treten wir kur einen Schritt zurück und fragen uns: Was ist Mission?

Mission heißt "Sendung". Unsere christliche Botschaft beginnt damit, dass Gott Mensch wird" Gott selbst ist der Sendende, wir sind die Empfangenden. Gott sendet seinen Sohn auf die erste! Und wir können sein Antlitz in jedem Menschen entdecken.

Im Grunde wurden unsere Missionare ausgesandt, um die christliche Botschaft zu verkündigen. Doch mit Struktur: Wir, die Benediktiner, versuchen täglich das Evangelium konkret werden zu lassen. Das, was wir vom Evangelium verstanden haben, in der täglichen Arbeit anzuwenden. Christus im Bruder, in der Schwester zu sehen und an der Schöpfung Gottes mitzugestalten durch unsere tägliche Arbeit.

In früheren Missionszeiten sind die MissionarInnen in "die Mission" gezogen, um "die anderen" zu missionieren. Da war die Missionsarbeit wohl mit einer gewissen Voreingenommenheit von sich selbst gepaart. Das, was sie zu Hause taten, auch anderen zu bringen. Doch recht bald haben ernstzunehmende Missionare gelernt, dass die nicht möglich ist.

Und das sehen wir in allen Zeiten. Wenn sie erlauben, ein Beispiel zu erwähnen: Der heilige Franz Xaver, der im 16. Jahrhundert in China und Japan gewirkt hat, hat sich zuerst darum bemüht, das fremde Volk zu verstehen, bevor er mit den Missionaren versucht hat, irgendetwas zu sagen. Wichtig war die Inkulturation des Glaubens, also den Glauben an die Riten der Gesellschaft anzupassen und nicht überzustülpen. Überall, wo dann im Laufe der Geschichte sich Politik oder weltliche Interessen herausgehalten hatte, war dies auch gelungen. Wir erinnern uns an blühende Gemeinden in Asien oder Südamerika das 16. Oder 17. Jahrhunderts, bis sie auf politischen Druck hin aufgelöst wurden.

Unsere Missionare sind Ende des 19. Jahrhunderts nach Afrika aufgebrochen und fanden alles erst einmal anders, als sie erwarte hatten:

Sie waren voller Ideale, den Menschen das Evangelium zu bringen. Sie begegneten Menschen, die sie kennenlernten, schätzen lernten und mit denen sie in Beziehung getreten sind – und haben gemerkt, dass sie es mit Menschen zu tun hatten, die wie sie dachten oder fühlte, in denen das Antlitz Gottes auch durch sie hindurchscheint! Ein Transfer des Glaubens von A nach B war so einfach nicht möglich.

Die Zusammenarbeit mit den Menschen, die man traf, konnte erst dann beginnen, als man von ihnen die Sprach lernte, ihre Riten und Lebensgepflogenheiten. So entstand ein soziales Umfeld der ersten Missionarsstationen, in dem alle, die Leute vor Ort und die Missionare, miteinander in Beziehung getreten sind. Und alle haben voneinander gelernt. Ich möchte nicht bestreiten, dass die zu Beginn der Missionsarbeit mit einer gewissen Dominanz und einem Überlegenheitsgefühl unserer Missionare geschehen ist. Doch in den Chroniken unserer Klöster aus den Gründungstagen scheint immer durch, dass die Missionare mit den Menschen eine Lebensgemeinschaft gebildet haben.

Das Leben "in der Mission" hat die MissionarInnen im Laufe der Zeit verändert. Wir können das daran sehen, dass manche von früheren älterem Missionaren in "die Heimat" zurückkamen und auf Menschen treffen, die eben nicht "verändert" wurden in der Begegnung mit Menschen in der Mission. Oft haben sich solche Missionare schwergetan, wieder Fuß zu fassen in eine Gesellschaft, wo sie nicht mehr zu Hause waren.

"Mission als der Ort, an dem ich dem anderen begegne

Natürlich ist das Fremde immer auch faszinierend, ist in gewisser Weise abenteuerlich. Wir lieben die Bilder von wilden Tieren aus Afrika. Doch auf dieser Ebene der Begegnung mit einer Kultur dürfen wir nicht stehenbleiben. Die wirkliche Begegnung findet dann statt. Wenn ich mich vom Anderen auch verändern lasse.Wenn ich mich anrühren lasse von den Menschen.

Wir begegnen immer einem Anderen, einer Anderen! Und am Ende begegnen wir uns selbst als den, den wir nicht kennen. Und an diesem Punkt geistlichen Lebens kommen wir an eine Erfahrung, die wir überall machen können. Hier in der Abtei Münsterschwarzach und bei der Arbeit in der Mission.

Diese Auseinandersetzung mit uns selbst, wie wir es mit uns aushalten, mit unserem konkreten Leben, wie wir es machen mit unserem Zusammenleben, Zusammenarbeiten, das ist es, was wir "senden" können, in den Korb der Missionsarbeit legen können. Aber immer nur als Angebot nie als allgemeingültige Wahrheit, die wir ja auch nicht gepachtet haben.

Das Wort "Entwicklungshilfe" wurde in letzter Zeit immer mehr durch das Wort "Entwicklungszusammenarbeit" ersetzt. Und das ist gut so. Denn im Wort "Zusammenarbeit" wird ausgedrückt, dass beide Seiten voneinander profitieren. Nur wenn wir selbst veränderbar bleiben, wenn sie selbst immer wieder "anders" werden, dann können wir mit anderen Zusammenarbeiten. Wenn nicht, dann würden die anderen "für uns arbeiten" so wie wir es möchten. Das wäre nicht benediktinisch!

Was wir Missionsbenediktiner bieten können ist:

  • Die Zusammenarbeit in den verschiedenen Handwerksbetrieben mit den anderen Institutionen der Abtei
  • Dialog, Gesprächskultur
  • Unsere Erfahrungen, die wir in der Gesellschaft durch Gesprächsgruppen gemacht haben, weitergeben
  • In patriarchalen Gesellschaften auf die Frauenrechte hinweisen
  • Den Blick auf die Kinder und deren Bedürfnisse

So wie diesen Tabernakel oder die Glocke für die Abteikirche von Mvimwa senden wir nur noch wenige Güter nach Afrika oder Asien.

Was jetzt wichtig wird, ist ein beidseitiger Knowhow-Transfer, also ein Austausch von Methoden, Spiritualität und Erfahrungen. Voneinander zu lernen: Wir macht ihr es? Wie seht ihr das Leben, die Zusammenleben oder die Zusammenarbeit?

Wie gesagt: Den berühmten Container, der noch vor 20 Jahren hinten vom Missionshof fast jeden Monat verschickt wurde, gibt es so nicht mehr. Er könnte ersetzt werden durch eine Gruppe von Mitbrüdern, die an sozialen Strukturen in den Klöstern, Pfarreien oder in den Gesellschaften der Missionsgebieten für eine gewisse Zeit mitarbeiten. Einziges Gepäck wäre ein Medienkoffer mit Plakaten, stiften und allem anderen Material für einen kreativen Austausch.

Konkret hieße das:

Warum nicht eine funktionierende Jugendarbeitsgruppe nach Tansania entsenden, um dort Strukturen in  der Jugendarbeit aufzubauen und umgekehrt Impulse für uns zu erhalten?

Oder warum nicht eine unserer Pfarreiteams inklusive der Frauen, die bei uns Führungsaufgaben haben, die dort mitarbeiten als "Missionsgruppe" für eine gewissen Zeit auszusenden, um das, was wir hier in der Pfarrei arbeiten tun, dort zu zeigen.

Wenn etwas Neues daraus entsteht, wäre es wunderbar für beide Seiten. Auch für uns hier ließe sich vieles auch mal "anders" machen und nicht so, wie es schon immer war.

Unsere Freiwilligenarbeit in Tansania ist so ein Erfolgsmodell. Es hat den Jugendlichen immer gut getan, für ein halbes Jahr oder ein Jahr in Tansania gewesen zu sein. Sie kamen immer gestärkt und verändert wider zurück.

Ich würde sagen: "Ja, es ist notwendig hinzufahren!" Auch wenn es lange Reisen sind. Damit eben dieser lebendige und zwischenmenschliche Austausch stattfinden und gelingen kann.

Denn der Austausch mit "der Mission" hat uns hier in Münsterschwarzach immer gut getan. Es hat uns offen gehalten für den Anderen, für die Andere. Wenn Gott jeden Menschen anders als jeden anderen, jede andere geschaffen hat, dann liegt hier e Herausforderung für uns: das Andere in unser Leben zu integrieren und das Zusammenarbeiten zu lernen und nicht, dass ich den anderen so zu verändern, wie ich es bin!

Auch wenn in diesen Tagen manche politischen Entwicklungen auf der Welt so sind, dass Regierungen zu machen gegen Einflüsse von außen, dann leben wir auf keiner Insel, die sich gegen Einflüsse von außen abschottet. Das Leben braucht den Austausch, braucht das Neue um sich zu entfalten.

Amen.