Aber gibt er auf? Nein! Et in tribulatione mea invocavi Dominum et exaudivit de templo sancto suo vocem meam – "Und in meiner Not habe ich den Herrn angerufen und er hat von seinem heiligen Tempel aus meine Stimme erhört".
Jetzt geht der Sprecher in sich: auch tief, aber nicht mehr so bedrückend, sondern lebhafter vertont der Komponist einen Prozess des Innehaltens, der Meditation der eigenen Situation: Es erhebt sich ein Gebet zu Gott, was inständiger nicht sein kann, die Liebe und das Vertrauen, das der Beter hineinlegt, durchdringt die ganze Melodie. Dann eine ganz kurze Pause und schließlich die Sicherheit: Ja, Gott, hat mich erhört! Er ist bei mir! Die Melodie darf getröstet und ruhig, ja fast heiter, ausklingen.
Augustinus hat in dem Psalmabschnitt das Schicksal Christi erkannt, der die göttliche Gegenwart des Vaters in sich angerufen hat und erfahren durfte, dass er sich auf ihn verlassen kann. Im Vertrauen auf ihn konnte er sein Leiden und Sterben am Kreuz auf sich nehmen. Wir wissen: Er ist auferstanden. Neues Leben ist durch ihn geworden:anders, gewandelt, aber herrlicher als vorher.
Mir macht dieser kleine Gesang Mut in der Krise! Er lässt mich auch innehalten, einkehren in mich selbst und die göttliche Gegenwart in meiner Seele suchen. Seltsam, auch wenn mein äußeres Leben jetzt in der Corona-Krise so stark eingeschränkt und reduziert ist, so führt sie mich doch in einen Prozess hinein, wo ich spüre: Er verändert mich innerlich, positiv, wenn ich ihn zusammen mit Christus gehe. Ich werde gewandelt daraus hervorgehen. Das gibt mir Kraft!
Von Br. Joel Schmidt OSB