Innehalten - Hinschauen - Aufschauen
Predigt von Abt Michael Reepen und Bildergalerie der Osternacht 2024.
„Am frühen Morgen des ersten Tags der Woche kamen sie zum Grab des Herrn und aufgegangen war die Sonne. Halleluja!“
So haben wir es, liebe Schwestern und Brüder, eben im Evangelium gehört, und so werden wir es am Ende dieser langen Osternacht singen in den österlichen Laudes.
Es ist wie eine Nebenbemerkung am Beginn des Evangeliums: „Als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2). Diese kleine Nebenbemerkung hat doch tiefste Bedeutung: Wir wissen, wer die Sonne ist und wer aufgegangen ist.
Doch die Frauen sind noch ganz in ihrer Trauer, in ihrer Schockstarre. Ihre Blicke sind zu Boden gesenkt. Sie sind ganz verschlossen und machen sich natürlich wieder Sorgen. Wie kommen sie an den Leichnam heran, wo doch ein gewaltig großer und schwerer Stein am Eingang des Grabes liegt? Sie sind bedrückt, ängstlich und in Sorge.
„Doch als sie hinblicken...“ (Mk 16,4) – Das Wort des Evangelisten Markus an dieser Stelle heißt im Griechischen: anablépo. Das meint eigentlich: „Als sie innehielten…“. Es ist ein Innehalten und Bewusstwerden, ein Sich-Öffnen für eine Wirklichkeit, die man allzu leicht übersieht. Ein „Hinschauen“ und „Aufschauen“, ein Wahrnehmen dessen, was ist.
Die Frauen schauen auf, sie blicken hin: Sie lösen sich aus der Verkrümmung. Lösen sich aus ihrem düsteren Grübeln und richten sich auf – die wärmende Morgensonne in ihrem Rücken.
Fünf Mal kommt in diesem Text das Wort „sehen“, „schauen“ vor. Ostern hat wesentlich mit „Sehen“, mit „Schauen“ zu tun. Im „Aufschauen“ erkenne ich die Präsenz des Guten, das gerade ist – ja, ich erkenne die Gegenwart Gottes, sein Handeln.
Im Alten Testament kommt dieses „Aufschauen“ und „Hinblicken“ in herausfordernden Situationen öfter vor und bringt die erlösende Wende. Es geht bedeutungsvollen Einsichten und wunderbaren Wandlungen voraus, mit denen man schon fast nicht mehr gerechnet hätte.
Abraham schaut zu den Sternen auf und empfängt die Verheißung des Landes für seine Nachkommenschaft (Gen 15,5 ff.). Und wie wir in der Abrahamslesung eben gehört haben: Als Abraham aufschaute, siehe, ein Widder hat sich hinter ihm im Gestrüpp verfangen (Gen 22,13). Im Aufschauen kommt die Lösung, die Er-lösung in den Blick.
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Das Aufschauen hatte noch nicht das Herz der Frauen erfasst. Sie sehen den Auferstandenen selber jetzt noch nicht. Als sie in das Grab hinein gehen, sehen sie den jungen Mann im weißen Gewand und sie erschrecken sehr. Auch das Wort „erschrecken“, „entsetzen“ „fürchten“ kommt fünf Mal in diesem Ostertext vor. Sie hören zwar die Botschaft: „Er ist auferstanden; er ist nicht hier…Geht nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen“ (Mk 16,6-7). Und doch bleiben sie zunächst im Schrecken, im Entsetzen, im Außer-sich-Sein und fliehen vom Grab fort.
Aber trotz allem folgen sie der Anweisung des jungen Mannes und gehen zu den Jüngern nach Galiläa. Erst in Galiläa werden sie aufschauend dem Auferstandenen wirklich begegnen. Und erkennen, dass die Sonne am Grab schon aufgegangen war, als sie aufschauten. In Galiläa, in ihrer eigenen Lebensrealität, mitten in ihrem Alltag zeigt sich der Auferstandene!
Liebe Schwestern und Brüder,
in dieser Osternacht werden Mandy und ihre Tochter Magdalena getauft. Mandy ist in der atheistischen Umwelt der ehemaligen DDR aufgewachsen und wusste überhaupt nicht, was Glaube, wer Jesus ist und was Ostern meint.
Sie ist einem Menschen begegnet, der ihr von seinem Glauben und von Gott erzählt hat. Er erklärte ihr die Bedeutung der christlichen Feiertage und wie christlicher Glaube gelebt wird. Das hat sie „aufschauen“ lassen und in ihr den Wunsch geweckt, getauft zu werden.
Für sie war klar, dass sie ihre Tochter Magdalena mit auf diese Spur nehmen möchte. Und so werden jetzt beide in diesem Gottesdienst getauft. Unser Br. Wolfgang hat sie auf die Taufe vorbereitet.
Mandy, Dein Schritt, Dich mit Deiner Tochter Magdalena taufen zu lassen, ist mutig! – Dein Zeugnis ermutige und bestärke uns alle auf dem Weg des Glaubens.
Amen.