Die Abteibibliothek - Eine bewegte Geschichte
Ein Besuch in der Klosterbibliothek mit dem neuen Leiter Br. Ansgar Stüfe OSB.
Rund 315.000 Bücher. So viele stehen in der Klosterbibliothek der Abtei Münsterschwarzach. Verantwortlich dafür ist seit Anfang Juni Br. Ansgar Stüfe, der auch den klostereigenen Vier-Türme-Verlag leitet. Die organisatorische Leitung liegt bei Beatrice Fröschen. Seit 15 Jahren hat sie in der Bibliothek den Überblick über Bestände und Ausleihen. Über 4.200 Ausleihen waren das im Jahr 2020. Durch Corona kämen weniger Besucherinnen und Besucher von außerhalb, die dort auch ausleihen könnten, meint Br. Ansgar. Besonders für die umfangreiche Fachliteratur sei die Bibliothek eine wichtige Anlaufstelle.
Diese umfasst neben einzelnen Fachgebieten der Theologie wie Dogmatik, Pastoral, Liturgie, Patrologie oder Kirchengeschichte auch große Sammlungen an Ordensliteratur und Büchern zu Aszetik. Letztere beschreibt die Erforschung der Askese. "Also eigentlich alles, was mit unserem klösterlichen Lebensstil zu tun hat", meint Br. Ansgar. Mehrere Regalmeter füllt allein diese Abteilung, die im 1972 entstandenen Neubau über Klosterküche und Bäckerei untergebracht ist. Hier sind neben Aszetik, der Heiligen Schrift, Universaltheologie und Ordensgeschichte auch die Verwaltungsräume der Bibliothek.
Dort finden sich auch die Ausleihverzeichnisse, zurückgegebene Bücher, die wieder für die Ausleihe aufbereitet werden müssen und neue Bücher, die online in den Katalog aufgenommen werden müssen. Denn bei einer solchen Anzahl an Büchern ist ein digitales Verzeichnis unerlässlich. "Kaum einer hat die Zeit, hier durch die Abteilungen zu gehen und zu schauen, was es so gibt", erklärt Br. Ansgar. Maßgeblich für den Prozess der Katalogisierung, also der digitalen Bücherverwaltung, verantwortlich ist Beatrice Fröschen seit dem Jahr 2006. Die Papierkataloge zur analogen Bücherregistrierung wurden Ende 2008 "geschlossen".
Br. Ansgar
Noch sind nicht alle Bücher in der Online-Datenbank OPAC. Über zwei Drittel aus dem Altbestand müssen in den kommenden Jahren noch rekatalogisiert werden. Hinzu kommen Neuanschaffungen und Abonnements. Diese zu überprüfen war Br. Ansgars erste Aufgabe.
"Vieles, was in der Vergangenheit da an Büchern oder Zeitschriften abonniert wurde, ist heute nicht mehr relevant. Das leiht sich weder jemand aus, noch ist es notwendig, das als Bibliothek im Bestand zu haben", erklärt er. Nur weil man einmal eine Sammlung angefangen habe, müsse man diese nicht ewig fortführen, wenn daran kein Ausleihinteresse bestünde.
Viel wichtiger sei für Br. Ansgar der gezielte Kauf von Büchern, die seine Mitbrüder gerne lesen möchten und andere relevante Werke. Dabei gehe es neben geistlicher Literatur natürlich auch um Belletristik. "Krimis werden schon ganz gern ausgeliehen." Oder auch Fachliteratur zu den jeweiligen Interessensgebieten der einzelnen Mönche.
"Was da aus dem Altbestand aus gezielten Anschaffungen oder aus Schenkungen besteht, kann ich allerdings nicht mehr nachvollziehen", lacht Br. Ansgar. So bleibt wohl unklar, ob es in der Abtei einen Mönch gab, der sich mit Zierfischen oder Schildkröten befasst hat oder ob diese speziellen Bücher aus einem Nachlass stammen.
Insgesamt ist die Geschichte der Abteibibliothek eine tragische. Vom Altbestand vor der Säkularisierung sind lediglich 41 Bücher in der heutigen Sammlung enthalten. Und diese mussten sogar zurückerworben werden. Erste urkundliche Erwähnungen von Büchern finden sich bereits in der Stiftungsurkunde aus dem Jahr 816. Der erste Abt, Benedikt von Aniane ließ, zudem einige Bücher schreiben.
Ab dem zweiten Viertel des 11. Jahrhunderts finden sich in den Aufzeichnungen eine Schreibschule mit neun namentlich genannten Schreibern. Es ist anzunehmen, dass später Abt Egbert und sein Nachfolger Burkhard I. ebenfalls viele Bücher selbst geschrieben haben oder durch die Schreibförderung der Mönche schreiben haben lassen. Der Bestand wurde durch diverse Brände und Zerstörungen allerdings im Lauf der Jahrhunderte zerstört.
Erst in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts wurde die Bibliothek wieder sukzessive aufgebaut. Aus dieser Zeit sind 23 Bücher wiedergefunden – allerdings befinden sich nicht alle in Münsterschwarzach, sondern auch in der Universitätsbibliothek Würzburg und der Staatsbibliothek Bamberg. Im 18. Jahrhundert hatte jeder Mönch eine gewisse Anzahl an Inkunabeln, von denen eine noch in der Abteibibliothek ist. 141 sind in der Universitätsbibliothek Würzburg erhalten, drei im Diözesanarchiv Würzburg. Zu dieser Zeit umfasste die Bibliothek laut Überlieferung zwei Geschosse mit einer Grundfläche von 12x25 Metern. 1802 wurde die Abtei durch die Säkularisierung aufgehoben, die Bibliothek wurde am 9.12.1802 unter kurfürstliches Siegel gelegt. Ein zahlenmäßiger Bestand lässt sich nicht mehr nachweisen.
Die meisten der heute vorhandenen Bücher wurden nicht nur erst nach der Wiederbesiedlung 1913 ab 1914 angeschafft, sondern sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche Bücher wurden während der Aufhebung der Abtei zwischen 1941-1945 entwendet. Zuvor belief sich der Bestand auf etwa 60.000 Bände. Ein Teil konnte nach dem Krieg nicht mehr aufgefunden werden.
Doch seitdem wächst die Abteibibliothek kontinuierlich. Im Jahr 1972 bezogene Räumlichkeiten reichten kurze Zeit später nicht mehr. 1976/1977 wurde das Magazin im Balthasar-Neumann-Bau erweitert. Durch eine große Sanierung von 1993 bis 1996 erhielt der Bau im Inneren eine zweigeschossige Stahlkonstruktion mit Zwischenböden. Heute gilt die Bibliothek als die zweitgrößte Unterfrankens. Die Hoffnung von Br. Ansgar für die Zukunft: "Dass nun wieder mehr Menschen hier herkommen, um aus dem großen Bestand Bücher zu entleihen. Gerade an Fachliteratur bietet die Klosterbibliothek einen umfangreichen Schatz."