1970 war ein bedeutendes Jahr für die Liturgie in Münsterschwarzach. Vorausgegangen war eine langjährige Entwicklung.
Am 14. Februar jährt sich ein besonderes Ereignis in der Abtei Münsterschwarzach zum 50. Mal: Im Jahr 1970 sangen Brüder und Patres (Mönche ohne und mit Priesterweihe) zum ersten Mal gemeinsam die Vesper in deutscher Sprache. Im darauffolgenden Sommer wurde das deutsche Stundengebet nach dem "Münsterschwarzacher Antiphonale" auch in den anderen deutschen Abteien der Missionsbenediktiner von St. Ottilien in St. Ottilien, Schweiklberg und Königsmünster übernommen.
Entstanden sind die drei Bände des Deutschen Antiphonale in der Abtei Münsterschwarzach zwischen 1970 und 1974 unter maßgeblicher Führung von Godehard Joppich und P. Rhabanus Erbacher OSB. Auf der Basis des in den frühen 1960er Jahren zusammengestellten so genannten "grünen Büchleins", in dem Joppich Melodien für das deutsche Tagzeitengebet der Brüder erarbeitete, konnte fast 10 Jahre später ein Meilenstein in der Geschichte der Liturgie begangen werden.
Das zeitgleich stattfindende II. Vatikanische Konzil (19621965) ebnete den Weg für liturgische Erneuerung – auch wenn es bis zum ersten gemeinsamen Gebet noch dauern sollte. Dass es überhaupt zu einer solchen Neuerung kam, hatte allerdings auch einen anderen Hintergrund. Zur damaligen Zeit war die Trennung und Stellung zwischen Brüdern und Patres an vielen Punkten bemerkbar. So fühlten sich die Brüder oft herabgewürdigt und lebten nicht mit, sondern räumlich getrennt von den Patres. Diese Trennung bestand auch während der Stundenliturgie, welche die Brüder im Brüderoratorium auf Deutsch beteten. Die wenigen gemeinsamen Gebete waren auf Latein – was die Brüder nicht verstanden.
Doch das sollte sich ändern. In Vorbereitung auf das 10. Generalkapitel der Missionsbenediktiner wurde Ende 1964 eine Kommission gebildet, die Themen aus den jeweiligen Klöstern sammeln sollte. Es war die Zeit, die Unterschiede zwischen Brüdern und Patres deutlich zu benennen. Höchstes Ziel sollte aber die Gemeinschaft aller bleiben.
Gemeinsames Stundengebet heute
Der zwei Jahre später tagende zweite Teil des Generalkapitels beschäftigte sich schließlich auch auf Bitten der Brüder mit der liturgischen Gemeinschaft. Ein Ergebnis war die erste "Deutsche Weihnachtsmatutin ad experimentum" an Weihnachten 1968, die Godehard Joppich anhand des "grünen Büchleins" erstellte. Ein Erfolg.
Der nächste Schritt: die Trauermetten für die Karwoche auf deutsch singbar machen. Später, im Herbst 1969, wurde in Münsterschwarzach der "Entwurf eines deutschen monastischen Offiziums" von P. Notker Füglister OSB aus der Abtei Disentis gedruckt. Gemeinsam mit ihm und P. Georg Braulik OSB veröffentlichten Godehard Joppich und P. Rhabanus Erbacher OSB zeitgleich das "Deutsche Psalterium", das die Psalmen im Hinblick auf ihre Singbarkeit übersetzte.
Das Deutsche Antiphonale, das Anfang 1970 angekündigt wurde, war daher nur die logische Konsequenz. Noch während der Schaffungsphase wurden in Münsterschwarzach Singstunden für die Mönche veranstaltet. Dann, am 14. Februar, der große Tag. Die Annalen von Münsterschwarzach beschreiben ihn so: "Der 14. Februar 1970 war ein denkwürdiger Tag. Am Abend sangen wir zum ersten Mal gemeinsam die Vesper in deutscher Sprache. Von diesem Zeitpunkt an singen und beten wir auch gemeinsam das neue deutsche Psalterium." Und nicht nur das war eine große Neuerung. Drei Tage später wurden erstmals Brüder als Cantores aufgenommen. Ein Dienst, der ob der lateinischen Sprache bisher nur Patres vorbehalten war.
Die damals revolutionären Stundenbücher werden heute in vielen Klöstern Deutschlands aber auch weltweit zum gemeinsamen Gebet genutzt. Von 1986 bis 1990 wurden die Psalter neu übersetzt. Orientiert wurde sich nicht wie vorher an der Übersetzung Romano Guardinis, sondern am hebräischen Originaltext. Die Redaktion um P. Rhabanus Erbacher, P. Roman Hofer, P. Notker Füglister,P. Georg Braulik, P. Pirmin Hugger, P. Willibald Kuhnigk und Godehard Joppich veröffentlichte 1996 das Benediktinische Antiphonale in der heutigen Form und 1997 den Münsterschwarzacher Psalter als Gebetbuch ohne Noten.