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Nachrichten

1982: Brief zum Amtsantritt von Abt Fidelis

Mit diesem Brief wendete sich Abt Fidelis 1982 an die Freunde der Abtei Münsterschwarzach. Er erklärt sein Wappen und zeichnet Grundlinien seiner Amtszeit vor.

Liebe Freunde und Wohltäter!

Es ist mir ein Anliegen, schon in den ersten Tagen meiner Amtszeit gerade Ihnen ein herzliches Wort des Grußes und des Dankes zu sagen. Ich weiß, wie viel wir Ihrer Mithilfe und Unterstützung verdanken. Bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Südkorea im Jahr 1973 und bei einem dreimonatigen Aufenthalt in Tansania und Kenia im Jahre 1978 konnte ich mich persönlich davon überzeugen, wie viel mit Unterstützung unserer Wohltäter dort aufgebaut wurde und wie viel Not dort tagtäglich gelindert werden kann. Dazu kommt noch, dass wir in der Heimat und die Mitbrüder in der Mission sich getragen wissen vom Gebet vieler unserer Freunde und Wohltäter. Es gibt uns allen viel Vertrauen und Zukunftshoffnung, dass ein so großer Kreis von Betern und Helfern unser Leben und unsere Aufgaben mitträgt. Dafür möchte ich Ihnen im Namen aller Mitbrüder ein ganz herzliches Vergelt' s Gott sagen.

Beim Amtsantritt eines neuen Abtes ist es üblich, dass er sich ei-nen Wahlspruch und ein Wappen wählt. Wahlspruch und Wap-pen drücken etwas aus von dem, wie ich mein Amt verstehe und welche Leitlinien ich für meine künftige Arbeit sehe. Deshalb möchte ich Ihnen diese beiden Dinge etwas erläutern.

Der Wahlspruch lautet: Omnes vos fratres = Ihr seid alle Brüder. Es ist ein Satz aus Matthäus 23,8. Jesus sagt in diesem Zusam-menhang, dass sich keiner als Vater, Lehrer oder Meister aufspielen soll. Nur einer ist Vater und Meister, nämlich der Vater im Himmel. Alle Menschen aber sind untereinander Brüder. Dieser Text ist von der Kirche für die Feier der Abtsweihe vorgesehen. Er soll dabei nicht gegen die Funktion des Abtes als Vater der Klostergemeinschaft sprechen, aber er will unübersehbar deutlich machen, dass der Abt bei aller Autorität und Letztverantwortlichkeit auch Bruder unter Brüdern sein muss. Dieser Text will also etwas sagen über die Art und Weise, wie Autorität und Führung ausgeübt werden sollen.

Ich betrachte, diesen Wahl-spruch aber auch als Leitmotiv für die ganze Gemeinschaft. Alle sollen wissen, dass sie Brüder sind und als Brüder zusammenleben sollen. Diese Brudergemeinschaft soll auch das Fundament unseres Le-bens sein. Nicht der Abt ist das Entscheidende in einem Kloster, sondern das brüderliche Miteinander in Gebet und Arbeit, das auch eine Schicksalsgemeinschaft schmiedet, die den Stür-men der Zeit gewachsen ist.

Es ist aber nicht leicht, jedem Bruder zu sein. Einen Freund kann man sich aussuchen nach Neigung und Sympathie. Ein Bruder ist einem einfach gegeben, ob er einem passt oder nicht. Brüder-lichkeit bedeutet, auch den als Menschen achten und annehmen, den ich mir nicht als Freund aussuchen würde, ihn achten, weil er als Mensch eine Würde hat und weil Christus in ihm wohnt. Bruder sein heißt, die Menschen lieben, wie Jesus sie geliebt hat, obwohl und gerade weil sie Sünder waren und eben deshalb besonderer Liebe bedurften. Diesen Weg der Brüderlichkeit zu gehen, ist nicht leicht. Es erfordert von jedem einzelnen und von der ganzen Gemeinschaft die Bereitschaft, sich auf einen beständi-gen Lern- und Reifungsprozess einzulassen. Es wird aber ein Weg sein, der uns ständig neue Erfahrungen schenkt und unser Leben reicher macht.

"Ihr seid alle Brüder" soll schließlich auch bezogen sein auf all die vielen Menschen, die zu uns kommen und zu denen wir in die weite Welt hinausgesandt sind, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung, unabhängig davon, ob wir es leicht oder schwer mit ihnen haben. Auch diese Form der Brüderlichkeit ist nicht etwas, das man einfach wollen oder beschließen kann. Sie muss ein Leben lang gelernt und eingeübt werden.

Das Wappen soll eine Illustration zu diesem Wahlspruch sein. Der große Kreis und die um ihn herum angeordneten kleinen Kreise sollen die Tischgemeinschaft darstellen, ein Symbol der Brüderlichkeit. Becher und Brot sind die Gaben, die wir mitein-ander teilen. Sie sind zugleich Zeichen unserer eucharistischen und liturgischen Gemeinschaft.

Die Tischgemeinschaft ist auch ein Zeichen der Gastfreundschaft, der wir uns als Benediktiner besonders verpflichtet wis-sen. Und diese Gastfreundschaft steht hier auch zeichenhaft für die brüderliche Verbundenheit in Gebet und Arbeit mit allen Menschen. Wir sehen einen Auftrag darin, unser Brot, unser Leben und unseren Glauben mit vielen Menschen auf der weiten Welt zu teilen. Die tragende Struktur des Wappens ist das Kreuz. Brüderlichkeit kann nur gelingen, wenn wir dabei nicht bloß auf uns selber vertrauen, sondern uns von dem tragen und führen lassen, der als einziger wirklich Bruder aller Menschen ist.
Für das Fest der Menschwerdung unseres Gottes und zum Beginn des Jahres 1983 wünsche ich Ihnen reichen Segen für Leib und Seele und grüße Sie in dankbarer Verbundenheit.