Denken, wie Gott es will ….
Predigt von P. Fidelis Ruppert OSB am 22. Sonntag im Jahreskreis.
Schwestern und Brüder,
normalerweise sagen wir, Jesus sei friedlich und menschenfreundlich gewesen. Das stimmt auch. Aber nicht immer. Heute faucht er den Petrus an: „Geh weg, du Satan!“ Klingt ja nicht gerade freundlich.
Was ist passiert? Im vorangegangen Kapitel des Matthäusevangeliums nennt er Petrus den Felsenmann, dem die Schlüssel des Himmelreiches übergeben werden. Und jetzt, einige Sätze später: „Du Satan!“ Das ist heftig. Ja, was ist passiert?
Petrus hat seinen Meister heftig kritisiert, zurechtgewiesen, wie es heißt. Jesus hatte gesagt, dass er wohl leiden und gewaltsam sterben müsse, wie es häufig das Schicksal der Propheten in Israel war. Petrus widerspricht, Jesus schlägt zurück – aber nicht um sich selbst zu verteidigen, er verteidigt den Vater: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Wenn es im Plan Gottes ist, dass Jesus das Prophetenschicksal erleidet, dann darf sich Petrus nicht widersetzen. Er würde sich Gott selbst widersetzen, so wie der Satan es immer tut, der sagt: „Ich will nicht!“ Drum ist Jesus wütend geworden.
Hier geht es ums Wesentliche! Wessen Wille soll denn geschehen?
„Du denkst nicht, was Gott denkt, sondern wie die Menschen denken.“ Schon beim Propheten Jesaja (55,8) heißt es: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,“ d.h. Gottes Gedanken und menschliches Denken sind oft sehr weit auseinander, himmelweit voneinander entfernt. Aber wie kriegt man denn das zusammen? Wie weiß ich, was Gott will und denkt?
In der heutigen Lesung aus dem Römerbrief heißt in dieselbe Richtung: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens.“ Lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens! Neu denken lernen, anders denken lernen, in der Spur Gottes denken lernen – dann wird sich unser Leben ändern, verwandeln auf Gott hin.
Aber wie geht das? Wir könnten ja mal klein anfangen, an einzelnen Punkten. Jesus kommt öfter auf dieses Umdenken zu sprechen, wenn er immer wieder sagt: „Ich aber sage euch….“
z.B. „Ich aber sage euch: liebt sogar eure Feinde, betet für sie.“ Also: weg vom Freund-Feind-Schema, umdenken, neu denken lernen, über die Würde aller, für menschenwürdigen Umgang mit allen Menschen, ob sie mir sympathisch sind oder nicht. Das kann ein mühsames Umdenken und Umlernen sein.
Oder er sagt: „Die Fürsten der Völker unterdrücken die Menschen, bei euch aber soll es nicht so sein; wer groß sein will, sei der Diener aller.“
Auch da muss man kräftig umdenken, umlernen, weg von Machtkampf und Karriere-Streben, und lernen, was dienen heißt, wie es geht, miteinander das Leben zu gestalten und füreinander, ohne auf den eigenen Vorteil fixiert zu sein.
Was würde sich alles ändern, bei mir, in meiner Umgebung, in unserer Welt, wenn dieses neue Denken, dieses grundsätzliche Umdenken tatsächlich unser Verhalten bestimmen würde!? Lasst euch verwandeln, verwandelt euer Leben durch ein neues Denken!
Aber Jesus meint es noch grundsätzlicher. Er will, dass Petrus lernt, auch Leid und Tod zu akzeptieren, ohne davonzulaufen. Das ist auch der Wille des Vaters, unausweichlich. Aber er fügt sofort die Verheißung hinzu:
„Wer sein Leben verliert – wird es finden.“ Das zu verstehen, ist eine schwierige Lektion. Petrus musste das mühsam lernen…. bis er nach der Auferstehung Jesu langsam zu verstehen begann, wie Gott denkt: dass nämlich im Verlieren auch ein Gewinnen und im Tod auch Leben verborgen liegt.
Das zu verstehen, ist auch für uns schwer. Aber vielleicht mussten oder durften wir das schon mal ein wenig lernen, wenn wir z. B. nach einer tiefen Krise oder einem schweren Schicksalsschlag sagen konnten, in dieser Krise sei auch – trotz aller Schmerzen – Wichtiges in uns gewachsen und gereift.
Vielleicht hilft uns die Erinnerung daran in der nächsten Krise.
In diesem Sinn sagte mir einmal ein Mann, den ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hatte: „Ich verstehe nicht, was Gott mir damit sagen will – aber vielleicht verstehe ich es später einmal.“ Er versteht die Gedanken Gottes nicht, er grübelt auch nicht, er kann abwarten und getrost weitergehen – vielleicht auch aufgrund früherer Krisenerfahrungen mit seinem Gott.
Er muss nicht verstehen, weil er gläubiges Vertrauen hat, nicht das Vertrauen, dass ihm nie etwas passiert, sondern dass in allem, was passiert, mag es noch so heftig sein, auf Gottes Nähe Verlass ist. „Vielleicht verstehe ich es später….“
Im Chaos unsrer Zeit, wo so vieles zusammenbricht, wäre das eigentlich die Haltung, die wir brauchen. Der Hebräerbrief (11,1) formuliert das so: Glauben heißt, feststehen in dem, was man noch nicht sieht, aber erhofft. Also: Keine Sicherheit, aber feste Zuversicht. „S‘wird scho`!“
Wir können solche Erfahrung auch mit einem geflügelten Wort illustrieren: „Glauben, das ist, wie wenn ein Vogel weitersingt, wenn der Ast bricht, auf dem er sitzt; er weiß ja, dass er Flügel hat.“ Weil er Flügel hat, kann er ohne Angst weitersingen, auch wenn der Ast kracht. Er fällt nicht.
Frage: Was sind meine Flügel, wenn der Ast kracht, auf dem ich sitze?
Was sind meine Flügel, wenn Gottes Gedanken und Pläne mich wieder einmal ratlos und verunsichert zurücklassen? Was ist jetzt tragfähig – aus dem Schatz meiner bisherigen Glaubenserfahrung?
Traue ich meinen Flügeln, wenn es kracht? Ja, was trägt mich, wer trägt mich, wenn’s kracht?