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Predigten

Aufbrüche, von einem Für-, Zu-, Mit- und Untereinander in Familie

Predigt von Br. Pascal Herold OSB zum Fest der Heiligen Familie.

In Zeiten der Pandemie zeigt sich: Deutsche sind am dankbarsten für ihre Familie. In einer aktuellen Umfrage von November wurden die Teilnehmenden gefragt, wofür sie 2020 am dankbarsten seien. 34 Prozent gaben die eigene Gesundheit als Wichtigstes an, während 44 Prozent an erster Stelle Menschen aus dem familiären Umfeld nannten. Auch unsere Schülerinnen und Schüler des Egbert-Gymnasiums schrieben überwiegend das Stichwort „Familie“ auf  kleine Steine, die sie am Felizitasfest vor 4 Wochen auf dem „Stein-Weg“ von der Schule zur Abteikirche ablegten.

Wenn bei der Befragung auf das Familienleben Wert gelegt wird, hat das  Auswirkung auf das ganze Leben. Sehr schmerzlich werden jetzt direkte Kontakte, Treffen und Begegnungen vermisst, besonders zu den Familientreffen in den Weihnachtstagen - nicht nur weil man der Tradition folgt und es dazu gehört. Das Fest ruft dorthin zurück wovon der Ursprung des Lebens ausgeht, an den wir uns zwar nicht erinnern können, als Ausgangspunkt aber uns den Weg ins Leben geebnet hat. Maßgeblich überwog das Für-, Zu-, Mit- und Untereinander im Familienhaushalt von Eltern und Geschwistern, vielleicht auch noch mit Großeltern als sozialer Lehr- und Lebenswerkstatt.

In jedem Lehrbetrieb werden die Bedingungen umrissen für den zu erlernenden Beruf in Theorie und Praxis und für die Voraussetzungen der  Zusammenarbeit mit KollegInnen im Team. Wenn wir das Familienleben im Bilde einer Lebenswerkstatt skizzieren geht es dabei um prägende Werte, Bilder, Regeln und Umgangsweisen für ein selbstständiges Leben, die aus dem Zusammenleben erwachsen sind, wie z.B. Vertrauen, Toleranz, Loyalität, Hilfsbereitschaft, Einsatz und Engagement, Verbindlichkeit, Glaube und Frömmigkeit. Das meint nicht, dass das Leben unter einem Dach reibungslos verläuft, ohne Konflikte, Streit und Widerspruch. Manchmal haben wir uns aufgerieben an den Familiengesetzen einerseits, über die nicht weiter nachgedacht wurde sondern so befolgt wurden wie sie gelebt wurden und dem Empfinden andererseits  nicht verstanden oder bevormundet worden zu sein.

Regeln und Gesetze haben ihren Eigenwert; sie lenken den Rahmen zu einem bestimmten Zweck und Sinn, sie haben Schutzfunktion und setzen Grenzen, vermitteln innerhalb dieser Grenzen Klarheit und Beständigkeit.

Das heutige Evangelium berichtet uns von den Eltern Jesu und der Erfüllung der Vorschriften nach einer Geburt. Als gläubige Juden bringen sie ihren erstgeborenen Sohn im Tempel dar; sie weihen ihm dem Herrn, ein Leben lang Gott gehören soll.

Schließlich sagte der Engel Maria voraus, ihr Sohn werde groß sein und Sohn des Höchsten genannt. Im Tempel bestätigt dies nun der greise Simeon und fügt hinzu, das Kind werde Zeichen für das Volk Israel sein aber großen Widerspruch erfahren. Ist Jesus also ein Problemkind?

Er, der jetzt zum Tempel gebracht und dem Gesetz unterstellt wird, wird auch der erwachsene lehrende Jesus sein, der mit seinem „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist“ ….. „ich aber sage euch“ wirklich zum Stein des Anstoßes wird.

Im Evangelium erwähnt Lukas das Gesetz fünfmal und betont damit seine Bedeutung. Wir können aber bereits den Widerspruch heraushören, dem Jesus in der Befolgung der Gesetze begegnen wird und dabei das Verhalten der Menschen im Blick hat. Es ist leichter einem Gesetz zu folgen, das berechenbar ist und keine Abweichung zulässt als mit Umständen zu rechnen, die berechtigterweise kurz entschlossen Anlass geben anders zu handeln als es das Gesetz vorsieht, wie z.B. Jesus vielfach gegen das Sabbatgebot verstößt und heilt.

Jesus sieht sich aber nicht als Revolutionär, der das Gesetz allgemein abschaffen will. Sagt er doch: ich bin nicht gekommen das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen.

Maria und Josef sind eingebunden in die Gesetze und Normen ihrer Zeit, die seit Jahrhunderten festgeschrieben sind. Ihr Sohn entwickelt im Elternhaus einen ausgeprägten Sinn für den Willen Gottes, heißt es doch am Ende des Evangeliums: Gott erfüllte das Kind mit Weisheit und seine Gnade ruhte auf ihm. Alles scheint in Nazareth in guter Ordnung zu sein ohne den Widerspruch, der von Simeon angekündigt worden war.

Ein Ereignis musste aber die Eltern Jesu verunsichern als sie mit ihm zum ersten Mal zum Paschafest nach Jerusalem gingen, aber auf dem Heimweg ihn schmerzlich suchten. „Wusstet ihr nicht“, so der Vorwurf des Zwölfjährigen, „dass ich in dem sein muss, das meinem Vater gehört?“ Maria und Josef können nicht verstehen was ihr Sohn ihnen entgegenhält, lassen ihm aber den Raum für seine Erklärung und für die weitere Entwicklung in Nazareth, sodass er ihnen gehorsam oder in anderen Übersetzungen heißt es untertan war.

Wir ahnen und wissen es wohl,  dass vieles nur in und mit Vertrauen wachsen kann auch wenn Regeln durchbrochen werden manchmal sogar durchbrochen werden müssen oder nicht zum Ziel führen. Alle Mütter und Väter können ermessen, was es heißt zu seinem Kind zu stehen, damit es die menschlichen und fachlichen Fertigkeiten entwickeln kann, die es für ein verantwortungsvolles selbstständiges Handeln braucht. Das alles ist mit Sorge, mit Enttäuschung und wiederum einem letzten Vertrauen verbunden; das formt das Leben zu einem echten Familienleben, weil alles gut bewahrt und miteinander geteilt werden will. Vielleicht verstehen gerade Mütter und Väter die hl. Familie am besten und sehen im prophetischen Wort an Maria ‚ihre Seel werde ein Schwert durchdringen‘ gerade die Probleme, die zu einem Für-, Zu-, Mit- und Untereinander gehören.

Wenn junge Menschen heute das Familienleben als wichtig bewerten, sind sie noch offen für die Zukunft und weniger beeindruckt von den Schwierigkeiten, die auf ihnen warten. Möge ein angstfreier und offen bleibender Blick in eine ungewisse Zukunft hinein Vertrauen wecken und es stärken, das auf Gesetze und Normen basiert und gleichzeitig Raum für eigene Aufbrüche lässt – Aufbrüche, von einem Für-, Zu-, Mit- und Untereinander in Familie und Gesellschaft begünstigt. Amen.