Erfahrungsberichte vom Kloster auf Zeit

Ein Ort, an dem ich loslassen kann

Erfahrungsbericht aus Kloster auf Zeit

Im letzten halben Jahr gab es viel, was mich konstant „unter Strom“ gehalten hat. Es fiel mir deshalb sehr schwer, mir Zeit für mich zu nehmen. Ich war weniger ausgeglichen und fuhr leichter aus meiner Haut. Ich fühlte mich manchmal nicht sehr wohl. Ich wollte Ruhe und ein paar Tage für mich ganz allein. Da ich nach dem Abitur mit der Schule schon einmal in einem Kloster war und mit einem Mönch gesprochen hatte, kam ich darauf ins Kloster zu gehen.
Ich war im Vorfeld sehr gespannt, was mich dort erwartete und hatte auch ein paar Vorstellungen.
Im Kloster angekommen, nach dem ersten Treffen mit den Brüdern und den anderen Teilnehmern, stellte ich schon in Frage, ob das Kloster wirklich die richtige Wahl gewesen war. Der komplett geordnete Tagesablauf erschreckte mich und ich vermutete darin nur wenig Zeit für mich.

4.40 Uhr aufstehen, Gottesdienst, 30 min. freie Zeit, Gottesdienst, 30 min. freie Zeit, Frühstücken und danach in die Gärtnerei 3 Stunden zum Arbeiten. Um 12 Uhr Gottesdienst, Mittagessen, Mittagspause. Um 15 Uhr treffen mit der Gruppe. 18 Uhr Gottesdienst, Abendessen, Gottesdienst. 20 Uhr nochmals Treffen mit der Gruppe und Ende.

Doch ganz im Gegensatz zu meiner Befürchtung, stellten sich genau diese Regeln als das heraus, was mir die größte Freiheit gab, immer bei mir zu sein und das zu erfahren, was ich suchte.
Ich musste mich nicht um jede Kleinigkeit kümmern, wie es sonst im Alltag ist. Viele Entscheidungen die ich sonst täglich treffen muss, wie z.B. wann stehe ich auf, was esse ich heute, wann arbeite/lerne ich etc., waren geklärt und hatten keinen weiteren Bedarf an gedanklicher Anstrengung. Auch die Regeln des Benedikt, nach denen die Benediktinermönche leben haben mir so manche Freiheit gegeben, nicht etwas tun zu müssen, was ich nicht will. Beispielsweise das Schweigen beim Mittag- und Abendessen mit den Mönchen im Refektorium hat mir sehr gefallen. Ich denke nicht an den Morgen, nicht an den Abend oder meine nächste Aufgabe. Ich bin da und esse.
Die vielen Gottesdienste mit dem Singen der Psalmen hat mir nach anfänglichen Widerständen ebenfalls gefallen. Ich gehe immer wieder durch einen der Psalmen und finde mal hier mal da für mich neue Bedeutungen. Zusammen mit dem Gesang ein wahrhaft schönes Erlebnis, jedes einzelne Mal.
Der geregelte Tagesablauf und die wenige freie Zeit haben mir zusätzlich ermöglicht meine Zeit viel intensiver wahrzunehmen und zu leben:
30 Minuten zwischen Morgenhore und Eucharistiefeier alleine in der Krypta ruhig sein, meditieren und singen. Ein Morgenspaziergang wie ich ihn selten erlebt habe, die Schönheit und Stille vor und während des Sonnenaufgangs. Gedanken in mein Tagebuch schreiben. Träume Revue passieren lassen. Über meinen Glauben nachdenken. Neue Symbole meines Glaubens entdecken. Neue Wege erkunden, wie ich meinen Glauben leben kann.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich nicht nur das fand, was ich gesucht habe, sondern noch einiges viel mehr.
Seit zwei Wochen haben bei mir Studium und Alltag wieder Einzug gefunden. Doch durch die Kraft, die ich in den Klostertagen getankt habe, fällt mir jetzt vieles leichter und es gelingt besser. Immer wieder kann ich mir Zeit für mich nehmen, wobei mir das im Kloster Erlebte gute Orientierung gibt. Öfters versuche ich kleine Rituale und Erlebtes aus dem Kloster in den Wirbel meines Alltags einzubauen. Die Mittagspause zwischen den Vorlesungen, das frühe Aufstehen mit den ersten Sonnenstrahlen und zu guter Letzt die Gewissheit, falls ich wieder einmal einen Ort brauche, an dem ich loslassen kann – im Kloster bin ich allezeit willkommen.

Lukas

P.S. Im August finden wieder 2 Kloster-auf-Zeit-Kurse statt - herzliche Einladung!