Predigten

Keine Angst vor der Endzeit

Predigt zu Mk 13, 24-32 – Predigt von P. Christoph Gerhard am 18. November in der Abteikirche Münsterschwarzach.

Liebe Schwestern und Brüder!

Als uns Professor Karl-Heinz Müller in die Wissenschaft der Exegese einführte, spielten auch die heutigen Texte eine wichtige Rolle. Einer seiner Vorlesungen begann er mit einer besonderen Bemerkung:

„Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen! Leider müssen wir die heutige Vorlesung verkürzen und sie frühzeitig beenden. Sie wissen ja: es ist Endzeit! Ich muss zum Zahnarzt!“Was wir einerseits freudig mit einem Lächeln zur Kenntnis nahmen, hatte doch einen ernsten Hintergrund, den wir alle verstanden: Endzeit, das hat etwas nicht Vorhersehbares, Überraschendes und: die Endzeit hat etwas mit Leid, mit Schmerz zu tun.

Es wird also ungemütlich und unangenehm werden. Seltsamerweise hat die Beschäftigung mit der Endzeit für uns Menschen gerade deshalb ihre Anziehungskraft, weil man eben nicht weiß, was geschehen wird und der Phantasie freien Lauf lassen kann oder auch muss. Das war vor zweitausend Jahren nicht anders als heute. In den Kinos haben gerade Endzeitfilme die besten Chancen, dass mit ihnen das erhoffte Geld eingespielt werden kann. Egal ob es Naturkatastrophen mit einem Vulkanausbruch, die Folgen eines Meteoriteneinschlags oder der Ausbruch einer Seuche ist – oder ob ein Verrückter irdischer Bewohner oder Außerirdische die Welt auf besondere Weise erobern wollen: die Bedrohungen der Endzeit kennen keine fantastischen und technischen Grenzen um diese auf die Leinwand zu bringen.

Im Religiösen Bereich treiben Endzeitphantasien ihre Blüten. Immer wieder kommen Sekten durch ihr Treiben in die Öffentlichkeit in dem sie ihre Anhänger durch bevorstehende Unheils-Szenarien selbst in die Katastrophe und gar massenhaft in den Tod treiben. Beim Islamischen Staat waren es Juden, Christen, Jesiden und andere Ungläubige, die unmenschlich verfolgt wurden – gerade entgegen der eigenen religiösen Tradition. Aber auch gesellschaftlich brandaktuell sind Verschwörungstheorien, die Menschen dazu bringen schlimmste Verbrechen zu begehen, weil sie meinen, sie müssten eine Revolution, eine Weltherrschaft durch eine besondere Gruppe verhindern. Es kann aber auch andere Völker oder Volksgruppen treffen oder wie es seit einiger Zeit in unserem Land geschieht, sind es „Asylanten und Ausländer“ schlechthin, die unseren Wohlstand und unseren Staat bedrohen.

In der Politik wird durch das Aufbauen einer Endzeitstimmung auf Stimmenfang gegangen. Den Beginn dieser Entwicklung konnten wir in den letzten Jahren auf der ganzen Welt sehen. Da ist von Flüchtlingswelle, Einwanderungsbedrohung, Umvolkung die Rede, vor der das eigene Land geschützt werden muss – egal, wie unsinnig diese Argumentation ist. Leider müssen auch biblische Texten, für all diese Unheilspropheten herhalten. Und Jesus selbst nimmt ja im Evangelium die Zeichen der Endzeit so auf, wie es auch seine Zeitgenossen damals erwarteten: „In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Wo ist da eigentlich der Unterschied? Was sagt Jesus, was sagt denn die Bibel anderes als die Unheilspropheten voraus?

Das Entscheidende ist, dass es Gott selbst ist, der handelt. Oder es ist ein mächtiger Vertreter von ihm wie der große Engelfürst Michael, im Buch Daniel, oder der Menschensohn mit den Engeln, der mit großer Macht kommen wird und der für die Menschen eintritt. Oft steht in den biblischen Texten ein Passiv, das bedeutet, dass Gott in seiner Souveränität und Eigenständigkeit handelt und nicht auf das eigenmächtige Handeln von Menschen angewiesen ist. Im Gegenteil: nicht unsere menschlichen Allmachtsphantasien kommen zum Zuge, sondern die Allmacht Gottes, weil Gott eben alle Möglichkeiten hat.

Gott wird sein Volk retten, das ist der Zielpunkt und der Trost für alle, die Angst vor der Endzeit haben. Gott selbst und sein Reich, das nicht von dieser Welt ist, das ist der alleinige Zielpunkt aller irdischen Geschichte. Hinzu kommt noch der ganz persönliche Bezug für uns Menschen, was die Endzeit angeht: wir wissen, dass unser Leben ein Ende hat. Einer der wenigen sicheren Erkenntnisse ist doch, dass niemand auf der Erde bleiben wird. Und kaum eine andere Wahrheit wird so nachhaltig von uns Menschen verdrängt, wie die eigene Endlichkeit. Kein Wunder also, dass die Angst vor dem Ende durch die Hintertür aus dem Unbewussten und noch dazu im Kollektiv wieder in unser Bewusstsein dringt. Wir wissen: das Ende steht bevor und deshalb ist für uns Menschen immer Endzeit.

Insofern hat Jesus recht, wenn er sagt: „Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.“ Auf diese Tatsache hin gilt noch immer Jesu Wort: Gott, „(er) wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.“ Es sind die Engel, die Kräfte Gottes, die die Auserwählten zusammenführt. Wir sind in der barmherzigen, liebenden Hand Gottes – und davon ist von Gott her zunächst kein Mensch ausgeschlossen.

Alle Menschen sind auserwählt, weil er uns Menschen nach seinem Bild geschaffen hat. Auserwählt ist die ganze Schöpfung, weil Gott sie am Anfang ins Dasein gerufen hat. Es ist im Grunde gleich ob wir unsere Zeit als Endzeit wahrnehmen oder nicht, ob wir uns im Aufbruch fühlen oder ob es für uns gilt, den derzeitigen Lebensweg beständig weiter zu gehen: Ich persönlich weiß nicht um die Länge meiner Lebenszeit, die mir gegeben ist. Wir brauchen keine Angst vor der Endzeit zu haben.

Wir müssen sie auch nicht für uns oder gegen andere herbeiführen. Denn jeder von uns kann Jesus und der Bibel trauen, dass es Gott letztendlich ist, der unser Leben über jede Not und über den Tod hinaus in seiner Macht trägt und erhält. Amen.

Von P. Christoph Gerhard OSB