Buchtipps

Juli: Anna Mayr - Die Elenden

Faul. Ungebildet. Desinteressiert. Selber schuld. Als Kind von zwei Langzeitarbeitslosen weiß Anna Mayr, wie falsch solche Vorurteile sind – was sie nicht davor schützte, dass ein Leben auf Hartz IV ein Leben mit Geldsorgen ist und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Früher schämte sie sich, dass ihre Eltern keine Jobs haben. Heute weiß sie, dass unsere Gesellschaft Menschen wie sie braucht: als drohendes Bild des Elends, damit alle anderen wissen, dass sie das Richtige tun, nämlich arbeiten. In ihrem kämpferischen, thesenstarken Buch zeigt Mayr, warum wir die Geschichte der Arbeit neu denken müssen: als Geschichte der Arbeitslosigkeit. Und wie eine Welt aussehen könnte, in der wir die Elenden nicht mehr brauchen, um unseren Leben Sinn zu geben.

Arbeitslose sind dumm, faul, lethargisch und desinteressiert. Dieses Bild kommt immer noch vielen in den Kopf, wenn sie an Arbeitslose denken. Anna Mayr eröffnet mit ihrem Buch eine neue, radikal andere Perspektive auf das Thema. Persönlich geprägt wurde die Autorin von ihrer Erfahrung als Kind zweier Langzeitarbeitsloser, die trotz vieler Bemühungen nicht wieder den Weg in eine tragende und existenzsichernde Beschäftigung fanden. Eindrücklich schildert die Autorin ihr Erleben dieser Situation, die vor allem mit Scham, Demütigung, Selbstzweifeln und Armut verbunden war. Wie prägend diese Erlebnisse waren und fortwährend sind, erkennt man schnell in dem vorliegenden Buch, in dem Anna Mayr für ein neues Verständnis von Arbeit wirbt. Diese wird zunehmend als Identität stiftend und sinngebend für unser Leben begriffen. Ist dies jedoch der Fall, so ist das Leben von Arbeitssuchenden sinnentleert und verliert, zusätzlich zu der vorherrschenden Armut noch weiter an Lebensqualität.
In ihrem thesenstarken Erstlingswerk schafft die Autorin sofort einen Volltreffer. Clever und emotional, aber immer fundiert und begründet baut Anna Mayr ihre Argumente auf und führt diese Konsequent zu Ende. Hierbei überrascht die Autorin immer wieder mit neuen und klugen Gedanken zu den Themen Arbeit und Armut. Sie wirbt für ein neues Verständnis vom Begriff der Arbeit und des Schaffens und verknüpft ihre Thesen immer wieder überzeugend mit ihren persönlichen Erfahrungen. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Br. Matthias Maucher