Die Weihnachtskrippe 2022

Aus massiven Baumstämmen hat P. Zacharias Heyes OSB in diesem Jahr die Weihnachtskrippe gestaltet.

Im Sommer 2020 hatte ich Gelegenheit, bei Jared Bartz in Hamburg, der mit der Kettensäge v.a. überlebensgroße Porträts von Menschen in Holz schnitzt, eine Woche arbeiten und lernen zu dürfen. Als dann im Spätsommer des gleichen Jahres bei uns auf dem Klostergelände Bäume gefällt wurden, habe ich einige davon auf der Wiese vor unserem alten Sägewerk eingelagert – mit der Idee, später daraus mit der Kettensäge etwas zu gestalten. Als P. Meinrad Ende letzten Jahres die Verantwortung für die Krippe in der Abteikirche an mich weitergab, hatte ich sofort die Idee, für dieses Jahr die Krippe mit den gelagerten Baumstämmen zu gestalten.   

Als Ort für diese Arbeit bot sich unser altes Sägewerk an. Ein Ort, an dem unser in diesem Frühjahr verstorbener Br. Silvanus Weippert jahrzehntelang als Zimmermann mit Holz gearbeitet hat. Entstanden sind hier seit Mai diesen Jahres nun insgesamt vier Figuren: Maria (Esche), Josef (Ahorn), Jesus (Zirbe) und ein Engel (Esche).

Maria ist geprägt durch den ausgehöhlten Körper. Jesus liegt, getragen von den Armen Marias, geborgen in dieser Aushöhlung, in ihrem Mutterschoß. Bei der Arbeit hat mich der Gedanke fasziniert, dass das hebräische Wort für Mutterschoß und Gebärmutter verwandt ist mit dem Wort für Barmherzigkeit. Danach hat Barmherzigkeit zu tun mit der Geborgenheit eines Kindes in der Gebärmutter und dem Mutterschoß. Sehe ich Maria als Bild für die weibliche Seite Gottes, so darf sich jeder Mensch in der barmherzigen Liebe Gottes als Kind Gottes geborgen und behütet fühlen. Bei Gott findet der Mensch – wie es Jesus später auch verkündet – bedingungslose Annahme und Liebe. 

Ist Maria außen fein geschliffen, so habe ich sie innen eher rau gelassen. Der Riß, der in der Mitte der Maria durch den Stamm geht, ist erst im Laufe der Zeit durch das Trocknen des Stammes entstanden. Er passt wunderbar zur Maria, weil sie durch Gott für ihn aufgebrochen wird – für seine Menschwerdung in Jesus durch sie. Zugleich kann der Riß und auch das Raue in der Maria für die Spannung stehen, in die Maria durch die Schwangerschaft hineingeraten ist. Maria wird einen inneren Prozess durchlaufen haben, wird sich auseinander gesetzt haben mit dem, was da in ihr und mit ihr geschieht. So romantisch wir manchmal die Krippe und die Geburt Jesu darstellen und zeichnen, war sie nicht. Es war eine Geburt in einem Stall, in einer Notunterkunft. Und auch der Lebensweg Jesu, den Maria begleiten wird, ist kein einfacher, einer, der auch Maria herausfordert. 

Josef steht hinter der Maria. Von ihm wissen wir wenig. Aber er hat Maria zu sich genommen, nachdem im Traum ein Engel ihm dieses aufgetragen hat. Er ist der Hüter seiner Familie. Er steht im wahrsten Sinne des Wortes hinter seiner Frau und seinem Ziehsohn. Im Gegensatz zur Maria ist er außen nicht fein geschliffen. Er hat eine „rustikale“ Oberfläche. Josef ist ein gestandener Handwerker, Zimmermann, der mit seiner Familie keinen glatten Weg geht, keinen, wo alles glatt läuft und gut ist. Er muss mit seiner Familie durch Gefahren durch, zieht mit ihr auf der Flucht vor König Herodes, der Jesus töten möchte, nach Ägypten, und kehrt nach Nazareth zurück. Beide Wege werden ihm wiederum im Traum geboten. Er ist zugleich also auch ein Hörender, ein feinfühliger, der auf Gottes Stimme in seinem Innern hört. Sein Pilgerstab weist daraufhin, dass, wer mit Gott auf dem Weg ist, unterwegs ist, bereit zum Aufbruch.

Das Eine ist die Geborgenheit bei Gott, das Begleitet und Behütet-Sein, das Andere der Weg, den jeder zu gehen hat. Die Pilgerschaft durch das Leben. Auf den Spuren Gottes gehen, in der Nachfolge Jesu ist kein kuscheliges sich Ausruhen, sondern Herausforderung, sich Einlassen auf den Ruf Gottes für das eigene Leben.

Der Engel, er schaut auf die Heilige Familie. Er ist der Bote, der Gottes Botschaft von der Geburt Jesu weitersagt und den Frieden verkündet. Hier schält er sich heraus aus dem Baumstamm, er ist noch nicht fertig, hat noch Ecken und Kanten, Risse, Kerben. Zum einen mag dies darauf hinweisen, dass Engel vor Gott stehen, uns Menschen zu Gott tragen, unsere Sorgen, Nöte, Risse im Leben, Kerben, Weg-Wunden, die wir haben. Zugleich darf sich in jedem Menschen nach und nach der Bote Gotte herausschälen, herauswachsen; die Person, die Gottes Wort weitersagt, seinen Spuren folgt und so Gott auch heute Mensch wird in dieser Welt.

Am Fest „Erscheinung des Herrn“ (Dreikönig) haben in einem Dreikönigsspiel im Gottesdienst die Könige ihre Kronen vor dem Jesuskind abgelegt. Zusammen mit den Gaben von Weihrauch, Myrrhe und Gold. Diese drei Gaben stehen symbolisch dafür, dass Jesus der Gottes Sohn ist, er am Kreuz leiden wird und König des Himmels und der Erde ist. Durch das Ablegen ihrer Kronen vor Jesus anerkennen die Könige Jesus als den wahren König. Bei ihm zählt nicht Macht und Reichtum, bei ihm zählt die Bereitschaft, sich auf ihn und seinen Weg einzulassen und bereit zu sein zum Dienst an den Menschen. Im Betrachten der Krippe kann auch ich meine eigene innere Krone vor Jesus ablegen: all das, worüber ich mich definiere und woran ich meinen Selbstwert hänge (Macht, die ich habe; Geld, Status, Haus, Auto etc.). Ich darf mir neu bewusst machen: als Gottes Sohn / Tochter habe ich eine königliche Würde und bin unendlich geliebt. Das kann mir keiner nehmen. Darauf darf ich mir aber nichts einbilden, sondern es kann mir ein gesundes Selbstbewusstsein geben, dass mich nicht angewiesen sein lässt auf die Anerkennung anderer, sondern eben bereit macht, den anderen und sein Wohl in den Blick zu nehmen.